Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_3/2019
Urteil vom 28. März 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christos Antoniadis,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidentente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2018 (IV.2017.00669).
Sachverhalt:
A.
Die 1988 geborene A.________ war zuletzt vom 13. bis 31. März 2014 als Praktikantin in einer Kinderkrippe tätig. Unter Hinweis auf Panikattacken und eine Angsterkrankung meldete sie sich am 26. März 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen übernahm die IV-Stelle des Kantons Zürich die Kosten für ein Belastbarkeits- und Aufbautraining, wobei die Versicherte das Aufbautraining bei der Stiftung B.________ abbrach. Die IV-Stelle liess A.________ überdies bei ihrem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) psychiatrisch untersuchen (Bericht vom 27. Juni 2016). Mit Vorbescheid vom 1. September 2016 stellte die IV-Stelle die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht und forderte die Versicherte auf, im Rahmen ihrer Schadenminderungspflicht die psychiatrische Behandlung weiter zu führen. Mit Verfügung vom 15. Mai 2017 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. Oktober 2018 ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Weiter wird um unentgeltliche Rechtspflege ersucht.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Die Versicherte reicht letztinstanzlich unter anderem einen Bericht der Frau med. pract. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 14. Dezember 2018 ein. Dieser bleibt im Verfahren vor dem Bundesgericht als echtes Novum unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23 f.; 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548; 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123).
3.
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht in Bestätigung der Verfügung vom 15. Mai 2017 einen Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin verneinte.
3.2. Im angefochtenen Entscheid sind die rechtlichen Grundlagen betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG) und die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG) richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich der Beurteilung der Invalidität bei psychischen Erkrankungen (BGE 141 V 281; 143 V 409 und 418), des massgebenden Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und des Beweiswerts von Arztberichten (BGE 140 V 193 E. 3.1 f. S. 194 f., 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
4.
Die Vorinstanz stellte fest, gestützt auf den Untersuchungsbericht des RAD-Arztes dipl. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Neurologie, vom 27. Juni 2016 bestehe eine Panikstörung (ICD-10 F41.01) mit Agoraphobie bei akzentuierten Persönlichkeitszügen mit abhängigen und histrionischen Zügen (ICD-10 Z73.1). Seiner Einschätzung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Praktikantin in einer Kinderkrippe sowie einer 50%-igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit folgte die Vorinstanz jedoch nicht. In einer Gesamtwürdigung der Indikatoren gemäss BGE 141 V 281 erachtete sie die Beschwerdeführerin aus versicherungsrechtlicher Sicht als in ihrer Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt. Es bestünden mit Blick auf die Ausprägung der Befunde maximal mittelschwere Einschränkungen, die nur in wenigen Bereichen und nicht andauernd vorkommen würden. Mit Blick auf den Indikator Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder- resistenz seien noch weitere Therapieoptionen offen. Sie verfüge über gute und anhaltende zwischenmenschliche Beziehungen und sei auf der interaktionellen Ebene nicht eingeschränkt. Ebenso wenig sei sie in allen vergleichbaren Lebensbereichen gleichmässig eingeschränkt. Der behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesene Leidensdruck sei nicht allzu hoch. Sie besitze insgesamt hinreichend Ressourcen, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ein invalidisierender Gesundheitsschaden sei somit nicht ausgewiesen.
5.
5.1. Unbestritten ist, dass der Untersuchungsbericht des RAD-Arztes mit Blick auf die Befunde und Diagnosen beweiskräftig ist, wonach die Versicherte an einer Panikstörung (ICD-10 F41.01) mit Agoraphobie bei akzentuierten Persönlichkeitszügen mit abhängigen und histrionischen Zügen (ICD-10 Z73.1) leidet. Uneinigkeit besteht bezüglich der sich hieraus ergebenden funktionellen Einschränkungen und ihres Einflusses auf die Arbeitsfähigkeit. Die Beschwerdeführerin wendet gegen die vorinstanzlich verneinte Arbeitsunfähigkeit insbesondere ein, die Indikatorenprüfung basiere auf einem willkürlich festgestellten Sachverhalt. Das Sozialversicherungsgericht habe die Aussagen des dipl. med. D.________ einseitig (um) interpretiert und eine unzulässige juristische Parallelprüfung vorgenommen. Der vorinstanzliche Entscheid verletze Art. 6 und 7 ATSG . Eine korrekte Beurteilung der rechtserheblichen Indikatoren führe vielmehr zum Schluss, dass die auf versicherungsmedizinischen Überlegungen basierende Arbeitsunfähigkeitsschätzung des RAD-Arztes korrekt sei. Der Untersuchungsbericht sei insgesamt beweiskräftig; es könne vorliegend auf ein strukturiertes Beweisverfahren verzichtet werden. Sollte das Bundesgericht anderer Auffassung sein, sei ein Gutachten einzuholen, das den beweisrechtlichen Vorgaben gemäss BGE 141 V 281 entspreche.
5.2. Die Vorinstanz würdigte die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281, wobei die Versicherte bislang nicht begutachtet wurde. Abgesehen vom RAD-Untersuchungsbericht vom 27. Juni 2016, der vor den beiden Grundsatzurteilen BGE 143 V 409 und 143 V 418 datiert und sich demnach noch nicht mit den seither in der Regel bei allen psychischen Beschwerden zu beachtenden Standardindikatoren befasste, liegen zahlreiche Berichte der ambulant und stationär behandelnden Ärzte vor. Die Einschätzungen dieser psychiatrischen Fachpersonen stimmen mit derjenigen des dipl. med. D.________ insoweit überein, als diese von einer mindestens um 50 % eingeschränkten Arbeitsfähigkeit für leidensadaptierte Tätigkeiten ausgingen (vgl. namentlich die Berichte des med. pract. E.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 16. Oktober 2014 und 29. Oktober 2015 sowie der Frau med. pract. F.________, Klinik G.________, vom 26. Februar und 18. März 2016). Dipl. med. D.________ stellte gestützt auf eine Überprüfung der funktionellen Leistungsfähigkeit in Anlehnung an das Mini-ICF-APP (Ratings für Aktivitäts- und Partizipationsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen) insbesondere mittlere Einschränkungen bei der Durchhalte- und Anpassungsfähigkeit, bei der Weggehfähigkeit und bei ausserberuflichen und beruflichen Aktivitäten fest.
Angesichts dieser funktionellen Einbussen, die laut dipl. med. D.________ die Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit um 50 % einschränkten, und des Umstands, dass gemäss seiner Einschätzung die verschiedenen ambulanten sowie stationären Behandlungen nicht zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden geführt hätten, sondern vielmehr zusätzlich ein sozialer Rückzug und ein Vermeidungsverhalten eingetreten seien, kann der vorinstanzlichen Beurteilung nicht gefolgt werden. Sie lässt sich mit BGE 143 V 409 und 418 nicht vereinbaren, liegt doch eine rechtliche Indikatorenprüfung vor, die auf keiner ausreichenden medizinischen Grundlage basiert. Die medizinischen Dokumente erlauben hier keine zuverlässige Einschätzung des verbliebenen Leistungsvermögens in einer leidensangepassten Beschäftigung anhand der rechtserheblichen Indikatoren, zumal dipl. med. D.________ mittlere Einschränkungen auch bei beruflichen Aktivitäten feststellte und die Vorinstanz nicht überzeugend darlegte, weshalb sie dementgegen keine bedeutenden funktionellen Beeinträchtigungen mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit annahm. Es kann daher einerseits nicht ohne Weiteres von einer gänzlich fehlenden invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit über den gesamten zur Beurteilung stehenden Zeitraum ausgegangen werden. Andererseits ist gestützt auf die vorhandenen Unterlagen eine Leistungszusprache ebenso wenig möglich. Es fehlt eine vertiefte Auseinandersetzung ärztlicherseits mit den gemäss BGE 143 V 409 und 418 massgeblichen Gesichtspunkten, nachdem auch der Bericht des RAD eher knapp ausgefallen ist. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache antragsgemäss an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in psychischer Hinsicht unter Berücksichtigung der Grundsätze von BGE 141 V 281 und der neuen Rechtsprechung gemäss BGE 143 V 409 sowie 418 gutachterlich kläre und in der Folge über den Rentenanspruch neu verfüge.
6.
Die Rückweisung der Sache zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten sowie der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinn von Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (BGE 141 V 281 E. 11.1 S. 312). Mithin hat die unterliegende IV-Stelle die Gerichtskosten zu tragen und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten. Ihr Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist daher gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2018 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 15. Mai 2017 werden aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Abklärung und zu neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 28. März 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Polla