Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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1B_92/2019
Urteil vom 2. Mai 2019
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler, Muschietti,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Alain Joset,
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung BM/OK, Rheinstrasse 27,
Postfach, 4410 Liestal,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons
Basel-Landschaft, Grenzacherstrasse 8,
Postfach 810, 4132 Muttenz.
Gegenstand
Strafverfahren; Genehmigung eines Zufallsfundes,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 2. Oktober 2018 (470 18 239 (D 204) 350 2018 320).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt gegen B.________ und weitere Personen ein Strafverfahren wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft genehmigte mit den Entscheiden Nrn. 350 06 356 bis 350 18 216 Telefonüberwachungen und Einsätze von technischen Überwachungsgeräten.
Mit Eingabe vom 22. Juni 2018 stellte die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht das Gesuch, die Erkenntnisse aus den Überwachungen auch im Strafverfahren gegen A.________ und C.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz verwenden zu dürfen. Es bestehe der dringende Verdacht, dass die beiden von der Gruppe um B.________ mindestens 9,5 kg hochwertiges Heroin bezogen und dieses später weiterverkauft hätten. Mit Entscheid vom 27. Juni 2018 erteilte das Zwangsmassnahmengericht die Zustimmung (Dispositiv-Ziff. 1) und hielt fest, dass die beschuldigte Person spätestens mit Abschluss des Vorverfahrens auf die Möglichkeit der Beschwerdeerhebung hinzuweisen sei (Dispositiv-Ziff. 2).
Am 29. Juni 2018 wurde A.________ vom Gesuch der Staatsanwaltschaft und dem Genehmigungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts in Kenntnis gesetzt. Eine von ihm in der Folge erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Beschluss vom 2. Oktober 2018 ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 25. Februar 2019 beantragt A.________, der Beschluss des Kantonsgerichts und der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts seien aufzuheben. Sämtliche aus den geheimen Überwachungen Nrn. 350 06 356 bis 350 18 216 gewonnenen Erkenntnisse seien aus den Akten des gegen ihn laufenden Strafverfahrens auszusondern und nach Verfahrensabschluss zu vernichten. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Dispositiv die verspätete Einleitung des Genehmigungsverfahrens bzw. eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren feststelle und die Kostenverteilung im kantonalen Rechtsmittelverfahren neu vornehme.
Das Kantonsgericht und das Zwangsmassnahmengericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
1.1. Bei Genehmigungsentscheiden betreffend geheime Überwachungen, die vom Betroffenen nachträglich angefochten werden, und bei konnexen Entscheiden über die Verwertbarkeit von Zufallsfunden (Art. 278 StPO) handelt es sich grundsätzlich um Zwangsmassnahmen- und Zwischenentscheide mit nicht wieder gutzumachendem Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Nach Eintritt der Rechtskraft dieser im StPO-Beschwerdeverfahren zu prüfenden Entscheide können die betreffenden Fragen vor dem Sachrichter nicht nochmals aufgeworfen werden (BGE 140 IV 40 E. 1.1 S. 42 f. mit Hinweisen; Urteil 1B_191/2018 vom 16. Oktober 2018 E. 1.1). Der angefochtene Entscheid vom 2. Oktober 2018 wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 24. Januar 2019 eröffnet. Die am 25. Februar 2019 (Montag) eingereichte Beschwerde ist somit rechtzeitig erhoben worden. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde in Strafsachen ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung einzutreten.
1.2. Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, es sei festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft den Genehmigungsantrag zu spät einreichte. Ein Interesse an einer derartigen Feststellung, welches über das Interesse an der Gutheissung der übrigen Rechtsbegehren hinausgeht, wird jedoch nicht dargetan und ist auch nicht erkennbar. Auf das Feststellungsbegehren ist deshalb nicht einzutreten (BGE 114 II 253 E. 2a S. 255; Urteil 1C_504/2016 vom 19. Oktober 2017 E. 1.5; je mit Hinweisen).
2.
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, die Staatsanwaltschaft habe das Genehmigungsverfahren zu spät eingeleitet und damit Art. 278 Abs. 3 StPO verletzt. Sie habe mit ihm am 16. April 2018 eine längere Einvernahme durchgeführt und ihn zu deren Beginn darauf hingewiesen, dass es um neue Beweise in Bezug auf Heroinlieferanten gehe. Im Verlauf der Einvernahme seien ihm verschiedene Audioaufnahmen von Gesprächen vorgespielt worden, deren Verwertung als Zufallsfund die Staatsanwaltschaft später beim Zwangsmassnahmengericht beantragt habe. Den Antrag auf Genehmigung des Zufallsfunds habe die Staatsanwaltschaft erst zwei Monate später gestellt, was deutlich zu spät sei. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die mit der Auswertung der Ergebnisse der Überwachungen betraute Person bereits zuvor angewiesen worden sei, auch auf den neuen Verdacht zu achten. Wie es sich damit verhalte, könne allerdings offenbleiben. Der zu spät erfolgte Genehmigungsantrag sei in Bezug auf die Rechtsfolgen gleich zu behandeln wie eine fehlende Genehmigung, sodass gemäss BGE 144 IV 254 ein Verwertungsverbot gelte.
2.2. Das Kantonsgericht legt dar, zwar sei zutreffend, dass das Gesuch vom 22. Juni 2018 datiere, die geheimen Zwangsmassnahmen gestützt auf die Protokolle der Audioüberwachungen vom 5./6. Februar 2018 jedoch einen offenbar länger zurückliegenden Zeitraum beträfen. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft nachvollziehbar dargelegt, dass der Grund für die späte Einleitung des Genehmigungsverfahrens in der enormen Datenmenge und der zeitraubenden Auswertung der aufgezeichneten Gespräche zu finden sei. Gestützt auf die Tatsache, dass in umfangreichen Betäubungsmittelfällen mit zahlreichen, teilweise ausländischen Beschuldigten die Übersetzung und Auswertung von Abhörprotokollen viel Zeit in Anspruch nehmen könne, wobei die Bedeutung der einzelnen Gesprächsfragmente in Bezug auf die Etablierung eines neuen Tatverdachts ebenfalls erst noch im Kontext mit den weiteren Indizien und Beweisen erkannt werden müsse, erscheine vorliegend die Einleitung des Genehmigungsverfahrens als noch rechtzeitig erfolgt.
2.3. Bei der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie beim Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Art. 281 Abs. 4 StPO) können Erkenntnisse über Straftaten einer Person, die in der Überwachungsanordnung keiner strafbaren Handlung beschuldigt wird, verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung dieser Person erfüllt sind (Art. 278 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft ordnet in diesem Fall unverzüglich die Überwachung an und leitet das Genehmigungsverfahren ein (Art. 278 Abs. 3 StPO). Sie teilt der geheim überwachten beschuldigten Person grundsätzlich spätestens mit Abschluss des Vorverfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung mit ( Art. 279 Abs. 1 und 2 StPO ).
2.4. Das Genehmigungsverfahren nach Art. 278 Abs. 3 StPO ist vor dem Hintergrund des mit der Überwachung einhergehenden schweren Eingriffs in die Privatsphäre (Art. 13 BV) zu betrachten (Urteil 1B_411/2016 vom 17. Januar 2017 E. 1.2.2). Allerdings ist danach zu unterscheiden, ob die Überwachung ausgedehnt oder, wie vorliegend, lediglich ein Zufallsfund genehmigt werden soll (vgl. THOMAS HANSJAKOB, Überwachungsrecht der Schweiz, 2018, Rn. 1176). Im letzteren Fall ist von Bedeutung, dass ein Zufallsfund nicht zwingend sofort, sondern möglicherweise erst mit zunehmender Aktenkenntnis als solcher überhaupt erkennbar wird (MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 27 zu Art. 278 StPO). Bereits die mit diesem Umstand einhergehende Unsicherheit darüber, ab welchem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft erwartet werden kann, "unverzüglich" ein Genehmigungsverfahren einzuleiten, spricht dafür, diese Vorgabe als Ordnungsvorschrift zu verstehen, deren Verletzung nicht die Unverwertbarkeit des Beweises zur Folge hat (vgl. Urteil 1B_59/2014 vom 28. Juli 2014 E. 4.8 betr. Art. 274 Abs. 1 StPO). Jedenfalls soweit der Zufallsfund vor seiner Genehmigung nicht verwendet wurde, ist der Staatsanwaltschaft denn auch gemäss der Rechtsprechung kein Vorwurf zu machen (Urteil 1B_274/2015 vom 10. November 2015 E. 3.2, nicht publ. in BGE 141 IV 459). Daran hat der vom Beschwerdeführer angeführte BGE 144 IV 254 nichts geändert. In jenem Fall fehlte die Genehmigung, während vorliegend eine solche erfolgte, wenn auch nach Ansicht des Beschwerdeführers verspätet.
2.5. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, wurde er allerdings anlässlich seiner Einvernahme vom 16. April 2018 mit den Überwachungsergebnissen konfrontiert. Insofern wurde der Zufallsfund noch vor seiner Genehmigung verwendet. Ein solches Vorgehen birgt die Gefahr, dass sich im Fall einer ausbleibenden Genehmigung die Frage der Fernwirkung des Verwertungsverbots stellt (Art. 277 Abs. 2 StPO). Im vorliegenden Fall ergeben sich jedoch trotz des späten Gesuchs der Staatsanwaltschaft insofern keine Probleme. Denn zum einen wurde das Gesuch vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt und erhebt der Beschwerdeführer dagegen keine weitergehende Kritik, zum andern verlief die Einvernahme vom 16. April 2018 ohnehin ergebnislos, da der Beschwerdeführer die Aussage vollumfänglich verweigerte. Die Rüge der Verletzung von Art. 278 Abs. 3 StPO erweist sich deshalb als unbegründet.
3.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Er hat seine finanziellen Verhältnisse jedoch nicht hinreichend offengelegt, so dass beurteilt werden könnte, ob er nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Hinweis, dass er seit seiner Inhaftierung über kein substanzielles Erwerbseinkommen verfüge, reicht dafür nicht, zumal er im vorinstanzlichen Verfahren über eine Wahlverteidigung verfügte. Auf diesen Umstand hat das Bundesgericht den Beschwerdeführer im Übrigen bereits im ihn betreffenden Urteil 1B_232/2017 vom 19. Juli 2017 hingewiesen. Das Gesuch ist deshalb abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Mai 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Dold