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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
1B_150/2019
Urteil vom 21. Mai 2019
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet.
Gegenstand
Strafverfahren; Rechtsverweigerung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter, vom 20. Februar 2019 (BES.2018.191).
Sachverhalt:
A.
Am 10. Dezember 2017 kam es in einem Restaurant in Basel zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen A.________ und einer weiteren Person.
Mit Strafbefehl vom 11. April 2018 erkannte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt A.________ der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand schuldig und auferlegte ihm eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 70.-- sowie die Verfahrenskosten.
Den mit eingeschriebener Post versandten Strafbefehl holte A.________ innert Frist nicht ab. Nachdem er eine Mahnung zur Bezahlung der Geldstrafe und Verfahrenskosten erhalten hatte, wandte er sich mit undatiertem Schreiben an die Staatsanwaltschaft, welches bei dieser am 27. August 2018 einging. Darin verlangte er vollständige Akteneinsicht mit der Begründung, ihm sei nie ein Schreiben zugegangen, er habe nie Stellung nehmen können und die Schuldfrage sei nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft überwies dieses Schreiben dem Strafgericht Basel-Stadt zur weiteren Bearbeitung. Der Einzelrichter des Strafgerichts behandelte das Schreiben als Einsprache, auf welche er mit Verfügung vom 11. September 2018 nicht eintrat. Er befand, der Strafbefehl gelte am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, weshalb die bei der Staatsanwaltschaft am 27. August 2018 eingegangene Einsprache verspätet sei.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2018 wandte sich A.________ erneut an die Staatsanwaltschaft und führte aus, auf sein früheres Schreiben habe diese bisher nicht reagiert. Auch sei ihm die beantragte Akteneinsicht nicht gewährt worden. Zu keinem Zeitpunkt sei er darüber informiert worden, dass gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Er sei nie formell einvernommen worden. Ebenso wenig sei ihm das rechtliche Gehör gewährt worden. Dieses Schreiben überwies die Staatsanwaltschaft am 31. Oktober 2018 dem Strafgericht, welches es am 2. November 2018 an das Appellationsgericht weiterleitete zur Prüfung, ob es sich um eine Beschwerde handle.
Der Einzelrichter des Appellationsgerichts nahm das Schreiben als Rechtsverweigerungsbeschwerde entgegen. Mit Entscheid vom 20. Februar 2019 stellte er in deren Gutheissung fest, die Staatsanwaltschaft habe eine Rechtsverweigerung begangen. Er wies die Staatsanwaltschaft an, über die beantragte Akteneinsicht zu entscheiden und A.________ den Strafbefehl rechtsgültig zu eröffnen. Auf die weiteren Begehren trat der Einzelrichter nicht ein. Er erwog, A.________ habe unter den gegebenen Umständen nicht mit der Zustellung eines Strafbefehls rechnen müssen, weshalb die Zustellfiktion nach Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO nicht zum Tragen komme. Damit habe der misslungene Zustellungsversuch keine Rechtsmittelfrist auslösen können. Die Staatsanwaltschaft habe das an sie gerichtete undatierte Schreiben deshalb zu Unrecht dem Strafgericht als Einsprache überwiesen. Sie hätte schon damals, spätestens jedoch nach dem Eintreffen des weiteren Schreibens vom 20. Oktober 2018 die beantragte Akteneinsicht gewähren und den Strafbefehl A.________ rechtsgültig eröffnen müssen. Indem sie das unterlassen habe, habe sie eine Rechtsverweigerung begangen.
B.
Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid des appellationsgerichtlichen Einzelrichters aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an diesen zurückzuweisen.
C.
Der appellationsgerichtliche Einzelrichter beantragt unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde. A.________ hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beteiligten haben auf weitere Bemerkungen verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid. Dieser betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Der angefochtene Entscheid stellt somit einen "anderen Zwischenentscheid" nach Art. 93 BGG dar. Dagegen ist die Beschwerde nach Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Der Beschwerdeführer muss, wenn das nicht offensichtlich ist, darlegen, inwiefern die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig sein soll. Andernfalls genügt er seiner Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 142 III 798 E. 2.2 S. 801; 141 III 395 E. 2.5 S. 399 f.; je mit Hinweisen).
1.2. Die Beschwerdeführerin äussert sich nicht dazu, inwiefern die Eintretensvoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sein sollen. Auf die Beschwerde könnte demnach nur eingetreten werden, wenn das offensichtlich wäre. Dies ist nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG im Strafrecht um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1 S. 130). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (144 III 475 E. 1.2 S. 479 mit Hinweisen).
Der angefochtene Entscheid führt dazu, dass die Beschwerdeführerin das Strafverfahren entgegen dem, was sie für richtig ansieht, weiterführen muss. Darin liegt nach der Rechtsprechung kein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur (Urteile 1B_314/2011 vom 20. September 2011 E. 2.3; 1B_265/2011 vom 22. Juli 2011 E. 1.4).
Dass hier die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt sein könnten, ist nicht erkennbar; dies umso weniger, als diese Bestimmung nach der Rechtsprechung im Strafrecht besonders restriktiv anzuwenden ist (BGE 133 IV 288 E. 3.2 S. 292). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen würde. Jedenfalls ist nicht auszumachen, inwiefern damit ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden könnte. Es geht um eine von einer Überwachungskamera aufgezeichnete und von Dritten beobachtete Auseinandersetzung zwischen zwei Personen in einem Restaurant. Die Beweiserhebung dürfte sich deshalb vergleichsweise einfach gestalten.
Auf die Beschwerde kann deshalb nicht eingetreten werden.
2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 f. BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Mai 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Härri