Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_741/2018
Urteil vom 22. Mai 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Hochuli.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 20. September 2018 (5V 17 387).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1981, absolvierte zwischen 1997 und 1999 eine Anlehre als Heizungsmonteur mit Attestabschluss. Er ist seit 2012 verheiratet und Vater von drei Kindern (geboren 2004, 2013 und 2015). Der Psychiater Dr. med. B.________ verneinte am 12. März 2002 die Militärdiensterstehungsfähigkeit des Rekruten A.________ auf Grund einer asthenisch abhängigen Persönlichkeit. Wegen seit 2005 anhaltender psychischer Beschwerden meldete er sich am 26. August 2009 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Zwecks Durchführung einer psychiatrischen Behandlung in einer Tagesklinik leitete die IV-Stelle erstmals am 30. Juni 2011 ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren ein. Seit 2014 lässt sich der Versicherte auf Veranlassung und Kosten der zuständigen Sozialhilfebehörde im Verfahren betreffend Leistungen der Invalidenversicherung durch einen Rechtsanwalt vertreten. Gestützt auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. C.________, vom 3. Juni 2016 (nachfolgend: psychiatrisches Gutachten) und dessen ergänzenden Bericht vom 3. Oktober 2016 zu den gegen das Gutachten erhobenen Einwänden sowie unter Berücksichtigung der anhaltenden Verweigerung einer zumutbaren psychiatrischen Behandlung verneinte die IV-Stelle Luzern in Anwendung von Art. 21 Abs. 4 ATSG einen Leistungsanspruch (Verfügung vom 28. Juni 2017).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern gut und sprach A.________ ab 1. Februar 2010 eine ganze Invalidenrente zu (Entscheid vom 20. September 2018).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die IV-Stelle beantragen, ihre Verfügung vom 28. Juni 2017 sei unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheides zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur Oberbegutachtung und Neuentscheidung über die kantonale Beschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.
Mit Verfügung vom 15. Januar 2019 gewährte das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz mit angefochtenen Entscheid gegen Bundesrecht verstiess, indem sie die rentenverweigernde Verfügung der IV-Stelle vom 28. Juni 2017 mangels schuldhafter Verletzung der Schadenminderungs- und Mitwirkungspflicht aufhob und dem Versicherten ab 1. Februar 2010 eine ganze Invalidenrente zusprach.
3.
3.1. Das kantonale Gericht hat die hier interessierenden rechtlichen Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) sowie zur Pflicht der versicherten Person, im Rahmen der ihr obliegenden Schadenminderungspflicht alles ihr Zumutbare zu unternehmen, um die Dauer und das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) zu verringern und den Eintritt der Invalidität (Art. 8 ATSG) zu verhindern (Art. 7 Abs. 1 IVG), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen zu den möglichen Sanktionen bei Verletzung dieser Pflicht (Art. 7b IVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 4 ATSG) sowie zum Mahn- und Bedenkzeitverfahren (Art. 21 Abs. 4 ATSG; Urteil 9C_671/2016 vom 20. März 2017 E. 2.1 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.
3.2. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 21 Abs. 4 ATSG die vorübergehende oder dauernde Kürzung oder Verweigerung von Leistungen vorsieht, wenn sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, entzieht oder widersetzt, oder wenn sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu beiträgt (Art. 21 Abs. 4 Satz 1 ATSG). Vorgängig muss ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchgeführt werden (Art. 21 Abs. 4 Satz 2 ATSG).
3.3. Über Art. 21 Abs. 4 ATSG hinaus fordert Art. 7 Abs. 2 IVG die aktive Teilnahme an allen zumutbaren Massnahmen. Im Vergleich zur ATSG-Bestimmung setzt Art. 7 Abs. 2 IVG zudem nicht voraus, dass die Massnahmen eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit versprechen. Ob der Verzicht auf die Wesentlichkeit der Verbesserung "gewollt" ist, um dem Grundsatz der "Eingliederung statt Rente" vermehrt zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz, Art. 1-27 bis IVG , Handkommentar, 2014, N. 79 zu Art. 7-7b: Art. 7 IVG; anders: MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, Rz. 25 zu Art. 7-7b IVG ), oder ob durch den Verweis in Art. 7b Abs. 1 IVG auf Art. 21 Abs. 4 ATSG auch im Zusammenhang mit Wiedereingliederungsmassnahmen nach Art. 8a IVG eine wesentliche Verbesserung in Aussicht stehen muss, konnte in BGE 145 V 2 E. 4.2.2 S. 8 f. offenbleiben. Neu gilt jedenfalls gemäss Art. 7a IVG (eingefügt mit Inkrafttreten der 5. IV-Revision am 1. Januar 2008) als Ausfluss einer verstärkten Schadenminderungspflicht der Grundsatz der Zumutbarkeit jeder Massnahme, die der Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen Aufgabenbereich dient (BGE 145 V 2 E. 4.2.3 S. 9 mit Hinweisen). Damit strebte der Gesetzgeber in Bezug auf die Zumutbarkeitsfrage eine Verschiebung der Beweislast an. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit einer Massnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 IVG liegt somit neu bei der versicherten Person (vgl. Urteile 8C_830/2012 vom 13. März 2013 E. 2.2 und 9C_842/2010 vom 26. Januar 2011 E. 2.2 mit Hinweis auf Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. Revision], BBl 2005 4459 ff., 4560).
4.
4.1. Im Rahmen der Schadenminderungspflicht (BGE 113 V 22 E. 4a S. 28) ist die versicherte Person jederzeit gehalten, sich im Sinn der Selbsteingliederung einer zumutbaren Behandlung zu unterziehen, wenn die Möglichkeit dazu besteht (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. d IVG). Grundsätzlich sind die Anforderungen an die Schadenminderungspflicht dort strenger, wo eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung in Frage steht, namentlich wenn der Verzicht auf schadenmindernde Vorkehren Rentenleistungen auslöst (BGE 113 V 22 E. 4d S. 32 f.; Urteil I 824/06 vom 13. März 2007 E. 3.1.1, in: SVR 2008 IV Nr. 7 S. 19). Nach der Rechtsprechung ist die fortgesetzte Krankheitsbehandlung, die insbesondere auch die dauernde Einnahme ärztlich verschriebener Medikamente umfasst, in aller Regel eine jederzeit zumutbare Form allgemeiner Schadenminderung; dazu zählt auch die dauernde Einnahme von ärztlich verschriebenen Schmerzmitteln, selbst wenn diese mit Nebenwirkungen verbunden ist (statt vieler: Urteil 8C_625/2016 vom 27. Januar 2017 E. 3.4.1 mit Hinweisen).
4.2. Die aus fachärztlicher Sicht indizierten und zumutbaren (ambulanten und stationären) Behandlungsmöglichkeiten hat die versicherte Person in kooperativer Weise optimal und nachhaltig auszuschöpfen (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197; 137 V 64 E. 5.2 S. 70 mit Hinweis; SVR 2016 IV Nr. 52 S. 176, 9C_13/2016 E. 4.2 mit Hinweisen). Welche konkreten Behandlungsmöglichkeiten indiziert und zumutbar sind, bestimmt der Facharzt oder die Fachärztin. Solange aus fachärztlicher Sicht nicht oder nicht ausreichend genutzte zumutbare (ambulante oder stationäre) Behandlungsmöglichkeiten weiterhin indiziert sind, genügt es aus objektivem Blickwinkel nicht, dass die versicherte Person sämtliche Therapievorschläge des Hausarztes oder der übrigen behandelnden Ärzte in kooperativer Weise umgesetzt hat (vgl. BGE 137 V 64 E. 5.2 S. 70).
5.
5.1. Die Vorinstanz stellte hinsichtlich Diagnose und Arbeitsunfähigkeit auf das beweiswertige psychiatrische Gutachten des Dr. med. C.________ vom 3. Juni 2016 ab. Demnach sei ab 2006 von einer vollen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Das psychiatrische Gutachten stimme im Wesentlichen mit den Einschätzungen des behandelnden Psychiaters Dr. med. D.________ überein. Aufgrund der ausgeprägten Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 F40.01) mit mehreren Komorbiditäten erübrige sich praxisgemäss eine Prüfung der Standardindikatoren (vgl. BGE 143 V 418 E. 7.1 S. 429 mit Hinweis). Zwar habe die IV-Stelle den Versicherten seit der Anmeldung zum Leistungsbezug wiederholt unter Hinweis auf die ihm obliegende Schadenminderungspflicht und Androhung der vorgesehenen Sanktionen im Weigerungsfalle (Art. 21 Abs. 4 ATSG) zu einer Intensivierung der Therapiebemühungen im Sinne eines stationären oder teilstationären Klinikaufenthalts aufgefordert. Doch sei die IV-Stelle von ihrer Forderung nach Durchführung einer stationären Therapie jeweils selber wieder abgerückt und habe sich mit einer Intensivierung der ambulanten Behandlung bei Dr. med. D.________ begnügt. An der Auflage nach Durchführung einer vier- bis sechsmonatigen tagesklinischen Behandlung in der Luzerner Psychiatrie (LUPS) habe die IV-Stelle erstmals mit Schreiben vom 8. März 2017 festgehalten. Eine Leistungsverweigerung komme daher - wenn überhaupt - erst ab Erlass der Verfügung vom 28. Juni 2017 in Frage.
Mit Blick auf die ausdrücklichen und detailliert begründeten Behandlungsempfehlungen laut psychiatrischem Gutachten bestritt das kantonale Gericht zwar nicht deren Leitlinienkonformität. Doch hielt es den Therapieplan für schwer umsetzbar ein. Gleichzeitig warf es der IV-Stelle vor, sie sei mit der Therapieaufforderung vom 8. März 2017 wiederum von der Empfehlung des Gutachters Dr. med. C.________ abgewichen und habe nur noch die Durchführung einer tagesklinischen Behandlung verlangt. Diese sei aber bereits anlässlich des Versuches im Jahre 2014 gescheitert. Abweichend vom psychiatrischen Gutachten gelangte die Vorinstanz schliesslich zur Feststellung, der Versicherte sei "aus krankheitsbedingten Gründen" nicht in der Lage, sich den gutachterlich empfohlenen Behandlungsmassnahmen zu unterziehen und eine tagesklinische Behandlung sei ohnehin nicht erfolgversprechend.
5.2. Demgegenüber vertritt die Beschwerde führende IV-Stelle die Auffassung, das kantonale Gericht habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt und die Beweise bundesrechtswidrig gewürdigt (Art. 61 lit. c ATSG). Sowohl gestützt auf die Expertise des Psychiaters Dr. med. E.________ vom 21. Mai 2011 als auch gemäss psychiatrischem Gutachten seien die psychischen Beschwerden des Versicherten durch zumutbare und indizierte, tagesklinische oder stationäre Behandlungsmassnahmen therapierbar. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie dieselben Expertisen als widersprüchlich qualifiziert und daraus - ohne Einholung eines Gerichtsgutachtens - die gegenteiligen Schlussfolgerungen gezogen habe. Die IV-Stelle habe den Beschwerdegegner wiederholt im Mahn- und Bedenkzeitverfahren aufgefordert, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen. Laut psychiatrischem Gutachten sei nach Durchführung der angemessenen Rehabilitationsmassnahmen - insbesondere einer stationären, vier- bis sechsmonatigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung - mit der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit zu rechnen. Der Versicherte habe die zumutbare und indizierte Therapie schuldhaft verweigert, weshalb die Beschwerdeführerin einen Leistungsanspruch in Anwendung von Art. 21 Abs. 4 ATSG zu Recht verneint habe. Sollten Zweifel an der Therapierbarkeit bestehen, seien ergänzende Abklärungen unerlässlich. Das kantonale Gericht habe Art. 61 lit. c ATSG verletzt, indem es bei gegebener Aktenlage darauf schloss, der Versicherte habe seine Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht nicht schuldhaft verletzt, sondern sei aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage gewesen, sich der indizierten Behandlung zu unterziehen.
6.
6.1. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen (BGE 136 V 279 E. 3.3 S. 284). Die medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die Arbeitsfähigkeit - mit Blick auf die normativ vorgegebenen Kriterien - je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 mit Hinweisen; vgl. zur Aufgabenverteilung zwischen Rechtsanwender und Arztperson im Allgemeinen BGE 140 V 193; Urteil 9C_899/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.2).
6.2. Praxisgemäss kann das Gericht den von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) entsprechenden Gutachten externer Spezialärzte vollen Beweiswert zuerkennen, solange "nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit" der Expertise sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470; Urteil 8C_262/2016 vom 22. September 2016 E. 4.2).
6.3. Der Psychiater Dr. med. E.________, welcher schon als Waffenplatzpsychiater den Versicherten 2002 zu beurteilen hatte, brachte bereits in seiner Expertise vom 21. Mai 2011 unmissverständlich zum Ausdruck, dass ein tagesklinisches Programm durchgeführt werden sollte. Doch bis anhin habe der Versicherte dies abgelehnt. Die Motivationslosigkeit und fehlende Bereitschaft zur beruflichen Eingliederung seien dem Beschwerdegegner in Bezug auf eine Erhöhung der Arbeitsfähigkeit offenbar schon seit 2006 im Weg gestanden. Gleichzeitig ging der Experte davon aus, der Versicherte könne wieder zu 100 % ins Erwerbsleben integriert werden. Dementsprechend leitete die IV-Stelle erstmals am 30. Juni 2011 das Mahn- und Bedenkzeitverfahren ein, indem sie den Beschwerdegegner zur Aufnahme einer psychiatrischen Behandlung in einer Tagesklinik innert gesetzter Frist aufforderte und ihm die Sanktionen von Art. 21 Abs. 4 ATSG androhte. Mit Blick auf die Berichte der LUPS, wo sich der Versicherte seit 2009 ambulant behandeln liess, verzichtete die IV-Stelle sodann stillschweigend auf die Durchsetzung der von Dr. med. E.________ empfohlenen Behandlungsintensivierung. Ohne sich konkret mit der Behandlungsempfehlung des Dr. med. E.________ auseinander zu setzen, konzentrierten sich die Therapeuten der LUPS auch zweieinhalb Jahre nach Behandlungsbeginn noch immer auf das primäre Ziel, durch Fortsetzung der ambulanten Behandlung "den Patienten im Erwerb eines Krankheitsverständnisses zu unterstützen".
6.4. Dem kantonalen Gericht ist insofern beizupflichten, als es zutreffend erkannte, dass die IV-Stelle zwar mehrfach zur Durchführung einer stationären Behandlung durch Einleitung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens aufgefordert habe. Sie sei jedoch wiederholt von ihrer Forderung nach einer Behandlungsintensivierung abgerückt. Erst mit Schreiben vom 8. März 2017 habe sie erneut - und diesmal endgültig - unter Einleitung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens nach Art. 21 Abs. 4 ATSG an der Auflage der Durchführung einer vier- bis sechsmonatigen tagesklinischen Behandlung in der LUPS festgehalten.
Fest steht und unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin erst nach Kenntnisnahme vom Bericht vom 9. Januar 2017 zum Vorgespräch des Versicherten in der Clienia F.________ AG, Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (nachfolgend: Clienia-Bericht), auf die Forderung nach Durchführung einer stationären Behandlung verzichtet hat. Weil der Beschwerdegegner trotz des Schreibens der IV-Stelle vom 8. März 2017 auf Grund seiner wiederholt gesammelten Erfahrungen aus den vergangenen rund sechs Jahren nicht damit rechnen musste, dass die IV-Stelle diese Auflage diesmal durchsetzen würde, stand deren Verbindlichkeit erst ab Einleitung des Vorbescheidverfahrens fest. Unter den gegebenen Umständen rechtfertigt es sich daher, mit Blick auf die strittige Verfügung vom 28. Juni 2017 zwei Zeitabschnitte vor und nach Ende Juni 2017 zu unterscheiden.
7.
7.1. Laut vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung leidet der Versicherte gemäss psychiatrischem Gutachten wohl seit 2006 an einer Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 F40.01) sowie - ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit - an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung Typ II, Borderline Störung (ICD-10 F60.31), einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10 F90.1) und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10 F33.4). Zutreffend hielt das kantonale Gericht gestützt auf das psychiatrische Gutachten fest, das aus der Agoraphobie mit Panik resultierende Funktionsdefizit sei derart stark und dominierend, dass hier der Gutachter mit den Behandlern vollends übereinstimme und an eine Arbeit oder an eine berufliche Rehabilitation gegenwärtig nicht zu denken sei.
7.2. Dass die hier in der Kombination konkret diagnostizierten psychischen Störungen nur schwierig therapierbar sind und ohne Durchführung der zumutbaren und indizierten - stationären oder tagesklinischen - Behandlung keine verwertbare Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit attestierbar ist, stellt auch die Beschwerdeführerin nicht ernsthaft in Frage. Soweit sie jedoch die Auffassung vertritt, entgegen der Vorinstanz liege kein Ausnahmefall im Sinne von BGE 143 V 409 E. 4.5.3 S. 417 vor, wonach aus Gründen der Verhältnismässigkeit von einem strukturierten Beweisverfahren abgesehen werden könne, kann der IV-Stelle nicht gefolgt werden. Insbesondere legt sie nicht dar und ist nicht ersichtlich, inwiefern gestützt auf beweiswertige fachärztliche Berichte im Zeitraum zwischen 2009 (Anmeldung zum Leistungsbezug) und Ende Juni 2017 - ohne vorgängige Durchführung einer tagesklinischen oder stationären Behandlung - auf eine erhebliche verwertbare Arbeitsfähigkeit zu schliessen wäre.
7.3. Nach dem Gesagten ist der angefochtene Entscheid insoweit nicht zu beanstanden, als das kantonale Gericht damit dem Versicherten basierend auf einer vollen Arbeitsunfähigkeit - jedenfalls bis zur hier strittigen, am 28. Juni 2017 verfügten Verweigerung eines Leistungsanspruchs - für die zurückliegende Zeit ab 1. Februar 2010 praxisgemäss (Urteil 8C_219/2009 vom 25. August 2009 E. 4.2 mit Hinweis) eine ganze Invalidenrente zugesprochen hat. Dass die IV-Stelle bis zu diesem Zeitpunkt basierend auf einem vollständig und erfolglos durchgeführten Mahn- und Bedenkzeitverfahren androhungsgemäss zur Leistungsverweigerung berechtigt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, zumal die Beschwerdeführerin bis dahin wiederholt von ihren eigenen Forderungen wieder abgerückt ist.
8.
Für den Zeitraum ab Erlass der Verfügung vom 28. Juni 2017 präsentiert sich die Lage anders. Hier stellt sich die Frage, ob die IV-Stelle auf zureichender Grundlage vom Versicherten in Erfüllung der ihm obliegenden Schadenminderungspflicht eine Intensivierung der Therapie innert gesetzter Frist eingefordert und - angesichts der anhaltenden Verweigerung - zu Recht am 28. Juni 2017 die angedrohte Sanktion nach Art. 21 Abs. 4 ATSG verfügt hat.
8.1. Zunächst schloss die IV-Stelle gestützt auf das nach Art. 44 ATSG eingeholte, unbestritten beweiswertige psychiatrische Gutachten (vgl. E. 6.2 hievor) darauf, die Durchführung einer stationären psychiatrischen Behandlung sei nicht nur fachärztlich indiziert, sondern auch zumutbar (vgl. dazu die Einleitung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens vom 31. Oktober 2016). Nach Kenntnisnahme vom Clienia-Bericht begnügte sich die Beschwerdeführerin entsprechend der Empfehlung dieser psychiatrischen Klinik damit, vom Versicherten vor einer stationären Therapie entgegenkommend zunächst einmal nur eine teil-stationäre Behandlung im Sinne einer aktivierenden Tagesstruktur zu verlangen. Die Auflage zur Durchführung einer solchen tagesklinischen Behandlung bei der LUPS unter Fristansetzung erteilte die IV-Stelle dem Beschwerdegegner mit Schreiben vom 8. März 2017. Nachdem dieser auch hiegegen wiederum Einwände erheben liess, brachte die Beschwerdeführerin mit Vorbescheid vom 3. Mai 2017 zum Ausdruck, dass die Anspruchsvoraussetzungen bei anhaltender Verweigerung der Behandlungsintensivierung des Versicherten nach wiederholter Androhung der Sanktionen im Sinne von Art. 21 Abs. 4 ATSG verneint würden. Die IV-Stelle verfügte schliesslich am 28. Juni 2017 androhungsgemäss. Daran ändert nichts, dass sich die IV-Stelle entgegenkommend mit der weniger belastenden Behandlungsauflage im Sinne der Empfehlung laut Clienia-Bericht begnügte. Dieses Vorgehen erfolgte nach Absprache mit dem Psychiater med. pract. G.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) der Invalidenversicherung. Zudem hatte bereits Dr. med. E.________ diese Behandlung in seiner psychiatrischen Expertise vom 21. Mai 2011 empfohlen.
8.2. Zwar stellte das kantonale Gericht mit Blick auf das psychiatrische Gutachten zutreffend fest, dass eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung als vorübergehende Intensivierung der bisherigen und anschliessenden ambulanten Behandlung bei Dr. med. D.________ notwendig sei. Zudem erkannte es richtig, dass die vom psychiatrischen Gutachter Dr. med. C.________ empfohlene Therapie wohl leitlinienkonform sei. In der Folge wich es jedoch vom psychiatrischen Gutachten ab und führte aus, vieles deute darauf hin, dass "die mangelnde Veränderungsmotivation des [Versicherten] eben doch zu einem wesentlichen Teil krankheitsbedingt" sei. Letztlich verneinte die Vorinstanz damit implizit die Behandelbarkeit der psychischen Störung des Beschwerdegegners, nachdem die jahrelange ambulante Therapie hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit erfolglos geblieben war. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach der Versicherte zu einem wesentlichen Teil krankheitsbedingt weder stationär noch tagesklinisch bei der LUPS therapierbar sei, beruht auf einer bundesrechtswidrigen Beweiswürdigung. Bei der Frage, ob eine stationäre oder tagesklinische psychiatrische Behandlung indiziert und zumutbar ist, handelt es sich um eine aus fachärztlicher Sicht zu beantwortende Tatfrage (E. 4.2 hievor). Dass die Behandlungsauflage der IV-Stelle gemäss Schreiben vom 8. März 2017 unverhältnismässig gewesen wäre, wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich. Dies um so weniger, als es sich dabei nicht um die belastendere stationäre Therapie gehandelt hatte, welche laut beweiswertigem psychiatrischem Gutachten indiziert und zumutbar war.
8.3. Der psychiatrische Gutachter Dr. med. C.________ legte nachvollziehbar dar, weshalb die Behandlung der Agoraphobie angesichts der Häufigkeit und Intensität der empfohlenen verhaltenstherapeutischen Psychotherapie mit Blick auf die interaktionellen Störungen seitens der übrigen psychischen Leiden unter den gegebenen Umständen stationär durchgeführt werden sollte. Eine solche Behandlung beinhalte auch eine erwiesenermassen wirksame Expositionstherapie. Dr. med. C.________ nahm am 3. Oktober 2016 zudem ausführlich zu den seitens des behandelnden Psychiaters erhobenen Einwänden gegen das psychiatrische Gutachten Stellung. Zum einen zeigte er auf, dass eine effiziente psychopharmakologische Therapie trotz jahrelanger ambulanter Behandlung bisher mangels konsequenter Compliancekontrolle nicht habe durchgeführt werden können. Zum anderen begründete er schlüssig und überzeugend, dass die von den behandelnden Psychiatern und Psychotherapeuten betonte Beziehungskontinuität schlussendlich Teil des Vermeidungsverhaltens sei und der Versicherte nur in einem permanent herausfordernden Setting lernen könne, dass die ihn beeinträchtigenden Ängste selbstständig überwindbar seien. Dass alternativ vergleichbar erfolgversprechende Behandlungsangebote in Frage kämen, macht weder die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner geltend und ist mit Blick auf die umfangreiche medizinische Aktenlage auch nicht ersichtlich.
8.4. Der vom kantonalen Gericht implizit vertretene Standpunkt, wonach die psychischen Störungen des Beschwerdegegners faktisch nicht therapierbar seien, weil dessen fehlende Veränderungsmotivation krankheitsbedingt sei, findet weder im beweiswertigen psychiatrischen Gutachten noch in den übrigen medizinischen Unterlagen eine Stütze. Dr. med. C.________ führte vielmehr aus, die Prognose der ADHS und der Agoraphobie sei unter den von ihm beschriebenen Modifikationen der Behandlung als günstig einzuschätzen. Nach weitgehender Überwindung der Agoraphobie sei damit zu rechnen, dass der Versicherte in seiner angestammten Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig werde. Indem die Vorinstanz diesbezüglich vom beweiswertigen psychiatrischen Gutachten abwich, ohne sich auf eine überzeugendere Expertise abstützen zu können, welche den beweisrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. E. 6.1 hievor), hat sie Bundesrecht verletzt.
8.5. Ob mit Blick auf BGE 143 V 409 E. 4.2 S. 412 f. daran festzuhalten ist, dass bei Fehlen einer therapieresistenten invalidisierenden psychischen Störung kein Mahn- und Bedenkzeitverfahren im Sinne von Art. 7b Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 4 Satz 2 ATSG erforderlich ist (vgl. dazu Urteil 8C_5/2017 vom 11. April 2017 E. 5.4 mit Hinweisen), kann hier offenbleiben. Denn die IV-Stelle hat gegenüber dem Versicherten seit 2011 mehrfach das Mahn- und Bedenkzeitverfahren eingeleitet. Er wusste seit Mitte März 2017, dass er ihr bis zum 10. April 2017 den Beginn der auferlegten Therapie würde melden müssen. Auch wenn er angesichts seiner Erfahrungen aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit nicht sicher sein konnte, ob sie nicht doch auf die am 8. März 2017 ausgesprochene Auflage zurückkommen würde, musste er spätestens seit Empfang des Vorbescheides vom 3. Mai 2017 damit rechnen, dass die IV-Stelle bei anhaltender Nichterfüllung der Schadenminderungspflicht - wie angedroht - die Leistungen gestützt auf Art. 21 Abs. 4 ATSG verweigern würde.
8.6. Soweit sich der Beschwerdegegner der insbesondere indizierten und zumutbaren stationären Behandlung gemäss psychiatrischem Gutachten bisher ebenso verweigert hat wie der mit Schreiben vom 3. April 2017 angemahnten tagesklinischen Behandlung in der LUPS, hat er die ihm obliegende Schadenminderungspflicht - entgegen der Vorinstanz - schuldhaft verletzt. Die IV-Stelle war folglich gestützt auf Art. 21 Abs. 4 ATSG berechtigt, mit Verfügung vom 28. Juni 2017 die (weiteren) Leistungen zu verweigern (vgl. demgegenüber betreffend den zurückliegenden Zeitraum E. 7 hievor).
8.7. Der angefochtene Entscheid, mit welchem das kantonale Gericht dem Versicherten ab 1. Februar 2010 unbefristet eine ganze Invalidenrente zugesprochen hat, ist demzufolge insoweit aufzuheben, als der Beschwerdegegner die ihm obliegende Schadenminderungspflicht spätestens ab Ende Juni 2017 anhaltend schuldhaft verletzte.
9.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zudem hat die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 20. September 2018 wird aufgehoben, soweit es dem Versicherten über den 30. Juni 2017 hinaus eine Invalidenrente zugesprochen hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- der Beschwerdeführerin und zu Fr. 400.- dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Gemeinde Buchrain Soziales schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. Mai 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Hochuli