Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_51/2019
Urteil vom 11. Juni 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Rufener,
Beschwerdeführer,
gegen
AXA Versicherungen AG,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 21. August 2018 (O3V 17 16).
Sachverhalt:
A.
A.a. Der 1966 geborene A.________ war seit dem 23. Juni 1997 als Sous-Chef beim Landgasthof B.________ angestellt und somit bei der AXA Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft (nachfolgend AXA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 26. Juli 1997 kollidierte er als Motorradfahrer mit einem Fahrzeug. Dabei prallte die Front des Personenwagens gegen die linke Seite des Motorrades. Durch die Wucht des Aufpralls hob es A.________ aus dem Sattel, so dass er in Fahrrichtung weggeschleudert wurde. Nach ca. 20 m kam er am rechten Fahrbahnrand auf dem Bauch zur Endlage. Dadurch erlitt er ein Polytrauma mit Commotio cerebri, Commotio spinalis und Acetabulum-Fraktur rechts. Die AXA erbrachte die gesetzlichen Versicherungsleistungen (Taggelder; Heilkosten). Aufgrund von postkomotionellen Störungen (Sensibilitätsausfall, Hyposensibilität) an beiden Beinen wurde der Versicherte vom 26. Juli bis 1. August 1997 im Spital C.________ hospitalisiert, wo morphologische Ursachen ausgeschlossen werden konnten. Vom 29. Oktober bis 26. November 1997 fand ein weiterer Aufenthalt in der Klinik D.________ statt.
A.b. Am 6. Juli 1998 unterzog sich der Versicherte einer arthroskopischen Teilmeniskektomie links. Es folgten drei weitere operative Eingriffe am linken Knie. In einem medizinischen Bericht vom 3. September 2007 wurde erstmals über Beschwerden am rechten Kniegelenk berichtet. Am 19. Juni 2008 nahm der Vertrauensarzt der AXA zur Frage des Kausalzusammenhangs zwischen den Kniebeschwerden rechts und dem Unfallereignis Stellung und verneinte diesen.
A.c. Am 31. Januar 2007 beauftragte die AXA die Klinik E.________, eine konsiliarische Untersuchung der versicherten Person in Bezug auf die Kniebeschwerden links durchzuführen. Sodann erstattete die MEDAS Ostschweiz (nachfolgend: MEDAS-Gutachten) im Auftrag der AXA am 4. Februar 2010 ein polydisziplinäres Gutachten in den Fachrichtungen Orthopädie, Neuropsychologie, Neurologie und Psychiatrie. Die AXA verfügte darauf gestützt am 10. Juli 2012 für die Unfallfolgen am linken Knie eine Integritätsentschädigung von 10%. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Sodann erliess sie am 24. Mai 2016 eine weitere Verfügung, mit der sie u.a. die Leistungspflicht für die Beschwerden am rechten Knie verneinte und eine Invalidenrente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 20% für die Unfallfolgen am linken Knie zusprach. Nachdem der Versicherte am 21. Juni 2016 hiergegen Einsprache erhoben hatte, kündigte ihm die AXA am 20. März 2017 eine reformatio in peius an, indem sie sinngemäss in Ermangelung eines Kausalzusammenhangs die Aufhebung der Invalidenrente für die Beschwerden am linken Knie in Aussicht stellte. Der Versicherte hielt an seiner Einsprache fest. In der Folge wies die AXA die Einsprache ab, hob die Verfügung vom 24. Mai 2016 auf und stellte im Übrigen fest, dass ab dem 1. Juli 2017 kein Anspruch auf Versicherungsleistungen bestehe (Einspracheentscheid vom 23. Mai 2017).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 21. August 2018 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter seien die gesetzlichen Versicherungsleistungen auszurichten.
Die AXA beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit liessen sich nicht vernehmen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG ).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie in Bestätigung des Einspracheentscheids vom 23. Mai 2017 einen über den 1. Juli 2017 hinausgehenden Anspruch auf Versicherungsleistungen verneinte.
3.
3.1. Im angefochtenen Entscheid sind die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungsvoraussetzung des natürlichen Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 353 E. 5b S. 360). Darauf wird verwiesen.
3.2. Zu ergänzen ist, dass es zur Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche verlässlicher medizinischer Entscheidsgrundlagen bedarf. Wie die einzelnen Beweismittel zu würdigen sind, ergibt sich aus BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes bleibt demnach entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten, welche aufgrund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen, kommt volle Beweiskraft zu, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 469; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353).
3.3. Ferner ist zu betonen, dass die Parteien im Sozialversicherungsprozess in der Regel eine Beweislast nur insofern tragen, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 144 V 427 E. 3.2 S. 429 f.; 138 V 218 E. 6 S. 221).
4.
4.1. Die AXA und Vorinstanz gelangten nach Würdigung der umfangreichen Aktenlage zur Auffassung, hinsichtlich der Beschwerden am rechten Knie hätte der Beschwerdeführer den Nachweis eines Kausalzusammenhangs mit dem Unfall vom 26. Juli 1997 nicht erbracht, weshalb kein Anspruch auf Versicherungsleistungen bestehe. Bezüglich der Beschwerden am linken Knie fehle es bei genauerer Betrachtung ebenfalls an einem Kausalzusammenhang, weshalb kein über den 1. Juli 2017 hinaus gehender Anspruch, insbesondere kein Rentenanspruch bestehe, obschon für die gleichen Beschwerden eine Integritätsentschädigung zugesprochen worden sei.
4.2. Hiergegen lässt der Beschwerdeführer einwenden, die AXA habe ihre Leistungspflicht bis zur Verfügung vom 10. Juli 2012 für das linke und das rechte Knie anerkannt. Insbesondere habe sie für Ersteres gestützt auf das MEDAS-Gutachten eine Integritätsentschädigung von 10% zugesprochen. Mit dieser Verfügung habe sie einen natürlichen Kausalzusammenhang bejaht und sei nun auch im Hinblick auf die Rentenleistung daran gebunden. Jedenfalls seien die Voraussetzungen einer Wiedererwägung bzw. einer Revision gemäss Art. 53 ATSG nicht erfüllt. Zudem verhalte sich die Beschwerdegegnerin treuwidrig, indem sie sich erst 20 Jahre später, nämlich im Einspracheentscheid vom 23. Mai 2017, darauf berufe, es fehle an einem natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den beidseitigen Kniebeschwerden und dem Unfallereignis vom 26. Juli 1997.
4.3. Rechtsseitige Kniebeschwerden erwähnte erstmals ein Bericht des Dr. med. F.________, Facharzt der Orthopädie, vom 3. September 2007, bei dem der Beschwerdeführer für seine Beschwerden am linken Knie in Behandlung stand. Am 27. Februar 2008 führte dieser aus, dass nach Angaben des Patienten die Schmerzen in letzter Zeit nun auch im rechten Knie aufgetreten seien, mit Hauptlokalisation an der Knieaussenseite, dies vor allem beim Stehen und ebenfalls beim Treppensteigen. Nachdem am 10. März 2008 ein MRI des rechten Knies veranlasst worden war, erstattete der Vertrauensarzt der AXA einen Bericht zur Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs und verneinte diesen. Im Rahmen des MEDAS-Gutachtens kamen die Gutachter sodann zum Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung des rechten Kniegelenks im Sinne einer vorübergehenden Überlastung (und somit als indirekte Folge des Unfalls, vgl. dazu Urteil 8C_720/2010 vom 21. Dezember 2010 E. 4) nur im Bereich des Möglichen liege. Sind die Kniebeschwerden rechts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weder eine direkte noch eine indirekte Folge des Unfalls vom 26. Juli 1997, hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie einen diesbezüglichen Kausalzusammenhang verneinte. Der Beschwerdeführer erhebt zu Recht keine Einwände gegen das MEDAS-Gutachten oder dessen volle Beweiskraft. Aus dem Umstand, dass die Versicherungsträgerin über knapp zwei Jahrzehnte Leistungen im Zusammenhang mit dem Unfall erbracht hat, vermag er auch nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Denn gemäss Rechtsprechung hat der Unfallversicherer die Möglichkeit, die durch Ausrichtung von Heilbehandlung und Taggeld anerkannte Leistungspflicht mit Wirkung ex nunc et pro futuro ohne Berufung auf die Rückkommenstitel der Wiedererwägung oder der prozessualen Revision einzustellen (BGE 130 V 380 E. 2.3.1 S. 384).
4.4. Zu den linksseitigen Kniebeschwerden führten die MEDAS-Gutachter am 4. Februar 2010 aus, der Unfall vom 26. Juli 1997 sei als entscheidende Teilursache bzw. alleinige Ursache anzusehen. Wie die Vorinstanz zu Recht erkannte, verzichteten die Gutachter auf eine Begründung der Kausalitätsbeurteilung. Dieser Umstand genügt indessen nicht, um die Beweiskraft des Gutachtens zu schmälern. Die Fachärzte wiesen explizit darauf hin, dass die Beschwerden am linken Knie vom Versicherungsträger bereits als Unfallfolge anerkannt worden seien. Insofern bestand auch kein Anlass, die Kausalität - im Gegensatz zu jener bezüglich der Kniebeschwerden rechts - weiter zu begründen. Bereits früher hatte nämlich die AXA medizinische Abklärungen in Bezug auf das linke Knie getätigt und die Klinik E.________ mit einer konsiliarischen Untersuchung des Versicherten beauftragt. Am 31. Januar 2007 hielten die orthopädischen Fachärzte zur Frage der Kausalität nach eingehender Anamnese fest, dass die erhobenen Befunde (beginnende mediale Gonarthrose, mediale Seitenbandinstabilität Knie links Grad I) vorwiegend wahrscheinlich in einem natürlich kausalen Zusammenhang zum Unfall vom 26. Juli 1997 stünden. Dabei spielt die spezifische Wortwahl der begutachtenden Ärzte ("vorwiegend wahrscheinlich" statt überwiegend wahrscheinlich") keine Rolle, geht doch aus der Beantwortung der Frage klar hervor, dass eine Kausalität bejaht wird. Indem die Vorinstanz zum Schluss kam, es fehle an einem Nachweis des Kausalzusammenhangs für die Kniebeschwerden links, verletzte sie die Grundsätze der Beweiswürdigung und somit Bundesrecht. Der Umstand, dass die jeweiligen Gutachten 13 bzw. 91 /2 Jahre nach dem Unfallereignis erstattet wurden, bildet auch kein konkretes Indiz, das gegen die Zuverlässigkeit der Expertise spricht (vgl. zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung hiervor E. 3.2). Ansonsten erwiesen sich medizinische Gutachten, die erst mehrere Jahre nach Auftreten der gesundheitlichen Beschwerden erstattet werden, als zwecklos. Gerade in komplexen versicherungsrechtlichen Angelegenheiten, die zur Klärung von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen ein medizinisches Gutachten erfordern, werden diese regelmässig erst im späteren Verlauf des Verfahrens von den Versicherungsträgern in Auftrag gegeben. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass die Kniebeschwerden links erst im Juni 1998 - und somit knapp ein Jahr nach dem Unfallereignis - erstmals behandelt wurden, nichts an der Beweislage. In diesem Zusammenhang gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass der Versicherte im Anschluss an den Unfall an funktionellen Sensibilitäts- und Ausfallstörungen an beiden Beinen litt, die u.a. zwei stationäre Aufenthalte in Kliniken nach sich zogen. Steht aufgrund der Beweiswürdigung fest, dass die linksseitigen Kniebeschwerden in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 26. Juli 1997 stehen, erübrigt sich die Frage nach der Beweislastverteilung (vgl. hiervor E. 3.3).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Kniebeschwerden links unfallbedingt sind. In Gutheissung der Beschwerde ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers neu befinde.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 21. August 2018 und der Einspracheentscheid der AXA Versicherungen AG vom 23. Mai 2017 werden aufgehoben. Die Sache wird an die AXA Versicherungen AG zurückgewiesen, damit sie über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers neu verfüge.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden zurückgewiesen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Juni 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu