BGer 1B_236/2019
 
BGer 1B_236/2019 vom 09.07.2019
 
1B_236/2019
 
Urteil vom 9. Juli 2019
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Dambeck.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. Roger Ryser, Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, Abteilung Wirtschaftsdelikte, Binningerstrasse 21, 4001 Basel,
2. Karl Aschmann, Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Erster Staatsanwalt, vom 22. März 2019 (VT.2018.27411).
 
Sachverhalt:
 
A.
B.________ reichte am 22. Oktober 2013 Strafanzeige gegen A.________ ein, namentlich wegen Verdachts auf unlauteren Wettbewerb. In der Folge erhob A.________ am 6. Dezember 2013 Gegenanzeige gegen B.________ wegen falscher Anschuldigung, Ehrverletzung und Hausfriedensbruchs. Am 19. September 2018 wurde A.________ durch das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wegen unlauteren Wettbewerbs verurteilt, während das Verfahren gegen B.________ am 9. November 2018 eingestellt wurde. Darauf erhob A.________ am 21. November 2018 Strafanzeige gegen Kriminalkommissär Roger Ryser und Staatsanwalt Karl Aschmann wegen Begünstigung und Rechtsverzögerung.
Am 17. bzw. 18. Januar 2019 wurde A.________ seitens der Abteilung Wirtschaftsdelikte der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt darüber informiert, dass B.________ am 29. Oktober 2018 eine Strafanzeige gegen sie eingereicht hatte wegen falscher Anschuldigung und Verleumdung, mutmasslich begangen am 6. Dezember 2013.
Darauf stellte A.________ am 29. Januar 2019 ein Ausstandsgesuch gegen den sachbearbeitenden Ermittler, Kriminalkommissär Roger Ryser, und gegen Staatsanwalt Karl Aschmann. Mit Entscheid vom 22. März 2019 wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt das Ausstandsgesuch gegen Kriminalkommissär Roger Ryser ab und trat auf das Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Karl Aschmann nicht ein.
 
B.
Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gelangt A.________ mit Beschwerde in Strafsachen vom 1. Mai 2019 an das Bundesgericht und beantragt im Wesentlichen die Aufhebung und Änderung dieses Entscheids.
Roger Ryser (Beschwerdegegner 1) verzichtete auf eine Vernehmlassung, während Karl Aschmann (Beschwerdegegner 2) beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, soweit er betroffen sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit sie den Beschwerdegegner 1 betreffe, und das Nichteintreten auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdegegner 2 betroffen sei.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über Ausstandsbegehren in einer Strafsache, wogegen die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht offensteht (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
1.2. Zur Begründung ihrer beiden Ausstandsbegehren führte die Beschwerdeführerin Art. 56 lit. a und lit. f StPO an, wobei sich das eine Gesuch gegen einen Kriminalkommissär bzw. einen Polizeibeamten und das andere gegen einen Staatsanwalt richtete. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt behandelte beide Ausstandsbegehren in einem Entscheid, wobei sie das Gesuch gegen den Beschwerdegegner 1 abwies und auf das Gesuch gegen den Beschwerdegegner 2 nicht eintrat.
Werden solche Ausstandsgründe geltend gemacht, so entscheidet gemäss Art. 59 Abs. 1 StPO ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Staatsanwaltschaft, wenn die Polizei betroffen ist (lit. a), und die Beschwerdeinstanz, wenn die Staatsanwaltschaft, die Übertretungsstrafbehörden oder die erstinstanzlichen Gerichte betroffen sind (lit. b).
Während die Abweisung des Ausstandsbegehrens gegen den Beschwerdegegner 1 durch die Staatsanwaltschaft mit Blick auf Art. 59 Art. 1 lit. a StPO zu keinen Bemerkungen Anlass gibt, ist nachfolgend zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht auch über das gegen den Beschwerdegegner 2 erhobene Ausstandsbegehren befunden hat bzw. nicht darauf eingetreten ist.
1.3. Die Vorinstanz begründet ihren Nichteintretensentscheid damit, dass der Beschwerdegegner 2 bei der Bearbeitung der Strafanzeige gegen die Beschwerdeführerin in keiner Weise involviert sei; das Vorverfahren befinde sich in der ersten Phase der polizeilichen Ermittlung.
Die Beschwerdeführerin bringt in Bezug auf ihr Ausstandsbegehren gegen den Beschwerdegegner 2 vor, dass sie auch ihn angezeigt habe und er der direkte Vorgesetzte des Beschwerdegegners 1 sei. Der Beschwerdegegner 1, welcher die gegen sie erhobene Anzeige behandle, könne nur unter Aufsicht seines Vorgesetzten ermitteln, weshalb auch der Beschwerdegegner 2 in den Ausstand zu treten habe.
1.4. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Behörde selber über ein missbräuchliches oder untaugliches Ausstandsgesuch befinden und auf dieses nicht eintreten, auch wenn gemäss dem anwendbaren Verfahrensrecht eine andere Instanz darüber zu entscheiden hätte (BGE 111 Ia 148 E. 4 S. 149 f. mit Hinweisen; 105 Ib 301 E. 1c S. 304). Die Missbräuchlichkeit bzw. Untauglichkeit eines Ausstandsgesuchs darf jedoch nicht leichthin angenommen werden, denn es handelt sich dabei um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass das zuständige Gericht über den Ausstand eines Richters in dessen Abwesenheit zu befinden hat (BGE 129 III 445 E. 4.2.2 S. 464 ff.; zum Ganzen: Urteil 1C_483/2017 vom 12. Januar 2018 E. 2.3; je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass der Beschwerdegegner 2 in das gegen sie erhobene Strafverfahren nicht involviert ist. Darüber hinaus bestätigt der Beschwerdegegner 2 die Ausführungen der Vorinstanz in seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht, indem er ausführt, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart als Verfahrensleiter in das Strafverfahren involviert (gewesen) zu sein und dieses gegebenenfalls auch in Zukunft nicht zu übernehmen. Eine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ist damit weder geltend gemacht noch ersichtlich, womit sie für das Bundesgericht verbindlich ist (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG).
Demnach richtet sich das gegen den Beschwerdegegner 2 erhobene Ausstandsbegehren gegen eine Person, welche mit dem Strafverfahren betreffend die Beschwerdeführerin gar nicht befasst ist. Dieses Ausstandsbegehren erweist sich daher als untauglich, weshalb nicht zu bemängeln ist, dass die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt selber darüber befunden hat und darauf nicht eingetreten ist. Die gegen den Beschwerdegegner 2 geltend gemachten Vorbringen der Beschwerdeführerin zielen vor diesem Hintergrund von vornherein ins Leere, weshalb im Folgenden nicht weiter darauf einzugehen ist.
1.5. Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz gemäss Art. 59 Abs. 1 i.V.m. Art. 380 StPO als letzte und einzige kantonale Instanz über beide Ausstandsbegehren der Beschwerdeführerin entschieden hat. Die Beschwerde erweist sich damit als nach Art. 80 Abs. 2 BGG zulässig. Da die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass geben, ist auf die Beschwerde somit einzutreten.
 
2.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 6 EMRK, Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 56 lit. a und lit. f StPO und macht geltend, dass aufgrund ihrer Strafanzeige gegen den Beschwerdegegner 1 wegen Begünstigung dieser nach objektiver Betrachtung zumindest dem Anschein nach in der Sache voreingenommen sein könnte.
2.1. Gemäss Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO haben die Parteien Anspruch auf ein gerechtes Verfahren. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter entschieden wird.
Für den Strafprozess konkretisiert Art. 56 StPO sowohl die Verfassungsbestimmung von Art. 29 Abs. 1 BV (für nicht richterliche Behörden) als auch von Art. 30 Abs. 1 BV (für richterliche Behörden) und von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Art. 56 StPO erfasst jede in einer Strafbehörde tätige Person, also auch einen Polizeibeamten (Art. 12 lit. a StPO; BGE 138 IV 222). Als Strafverfolgungsbehörde beurteilt sich die Ausstandspflicht bei der Polizei nach Art. 29 Abs. 1 BV. Der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV darf dabei nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden. Dem funktionellen Unterschied zwischen einem Gericht (Art. 13 StPO) und einer Strafverfolgungsbehörde (Art. 12 StPO) ist Rechnung zu tragen. Die Anforderungen an die Unparteilichkeit sind bei einem Polizeibeamten aufgrund der Natur seiner Funktion weniger hoch als bei einem Staatsanwalt und erst recht einem Richter (zum Ganzen: Urteile 1B_139/2018 vom 26. November 2018 E. 4.1; 6B_719/2017 vom 10. September 2018 E. 2.1; je mit Hinweisen).
Gemäss Art. 56 StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse hat (lit. a) oder wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (lit. f). Verbale Anfeindungen, Unterstellungen oder auch das Erheben einer Strafanzeige durch eine Partei vermögen für sich allein allerdings nicht den Anschein von Befangenheit beim Adressaten zu begründen; andernfalls hätte es eine Verfahrenspartei in der Hand, eine Amtsperson in den Ausstand zu versetzen und so die Zusammensetzung des Gerichts bzw. der Behörde zu beeinflussen. Massgeblich ist in derartigen Fällen die Reaktion des Betroffenen. Antwortet dieser beispielsweise mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung und Zivilforderungen, so erhält der Konflikt dadurch eine persönliche Dimension, welche seine Unbefangenheit tangiert (zum Ganzen: BGE 134 I 20 E. 4.3.2 S. 22; Urteil 5A_715/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 3.4 mit Hinweisen).
2.2. Was die Reaktion des Beschwerdegegners 1 auf die Strafanzeige der Beschwerdeführerin betrifft, geht aus der für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) Folgendes hervor: Der Beschwerdegegner 1 hat am 17. Januar 2019 telefonisch Kontakt mit der Beschwerdeführerin aufgenommen und ihr mitgeteilt, B.________ habe am 29. Oktober 2018 eine Strafanzeige gegen sie erhoben, weshalb die Durchführung einer Befragung notwendig sei. Auf schriftliche Anfrage hin hat der Beschwerdegegner 1 das Vorliegen der Strafanzeige am 18. Januar 2019 bestätigt und die Beschwerdeführerin nach möglichen Zeitfenstern für die Durchführung einer Einvernahme angefragt. Anderweitige Reaktionen des Beschwerdegegners 1 im Nachgang zur gegen ihn erhobenen Strafanzeige gehen auch aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht hervor.
Diese Handlungen des Beschwerdegegners 1 infolge der gegen ihn erhobenen Strafanzeige lassen keinen Schluss auf eine persönliche Dimension des Konflikts oder eine Befangenheit des Beschwerdegegners 1 i.S.v. Art. 56 lit. f StPO zu. Vielmehr handelt es sich dabei um im Rahmen eines Strafverfahrens gewöhnliche Ermittlungshandlungen. Die Beschwerdeführerin hält denn auch selber fest, sie bestreite nicht, dass sie befragt werden müsse, jedoch solle dies durch eine andere Person als den Beschwerdegegner 1 erfolgen. Mithin ist ein objektiv begründbarer Anschein von Befangenheit beim Beschwerdegegner 1 aufgrund der Strafanzeige der Beschwerdeführerin vorliegend zu verneinen. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin die Strafanzeige gegen den Beschwerdegegner 1 wegen Begünstigung zu Gunsten von B.________ eingereicht und der Beschwerdegegner 1 nun gestützt auf eine Anzeige von B.________ gegen sie ermittelt.
Was den Ausstandsgrund gemäss Art. 56 lit. a StPO betrifft, macht die Beschwerdeführerin weder geltend, dass und inwieweit der Beschwerdegegner 1 in der Sache ein persönliches Interesse haben sollte noch ist ein solches ersichtlich. Mithin ist vorliegend auch dieser Ausstandsgrund nicht gegeben.
 
3.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien und der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Erster Staatsanwalt, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Juli 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck