BGer 1C_538/2018
 
BGer 1C_538/2018 vom 12.07.2019
 
1C_538/2018
 
Urteil vom 12. Juli 2019
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Baur.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roman Baumann Lorant,
Beschwerdeführer,
gegen
Einwohnergemeinde Büren, Baukommission, 4413 Büren SO,
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn.
Gegenstand
Nachträgliche Baubewilligung (Rückbau),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 17. September 2018 (VWBES.2018.101).
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 5. Juni 2017 reichte A.________ bei der Baukommission der Einwohnergemeinde Büren in Bezug auf seine Parzelle Nr. 2365 (Grundbuch Büren) ein Baugesuch für die Errichtung eines Autounterstands und die Neugestaltung des Vorplatzes ein. Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 wies die Baukommission sein Gesuch zur Überarbeitung zurück, weil das Bauvorhaben den notwendigen Abstand zur öffentlichen Strasse gemäss Baulinie nicht einhalte. In der Folge realisierte A.________ das Bauprojekt ohne Bewilligung. Am 18. Oktober 2017 ordnete die Baukommission den Rückbau des nicht bewilligten Unterstands bis Ende November 2017 an. Gegen diesen Entscheid gelangte A.________ an das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn. Mit Verfügung vom 27. Februar 2018 wies dieses seine Beschwerde ab und setzte eine Frist bis zum 30. April 2018 für den Rückbau des Autounterstands an.
 
B.
Diesen Entscheid zog A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn weiter. Am 17. September 2018 wies das Gericht sein Rechtsmittel ab und ordnete die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands innert dreier Monate ab Rechtskraft seines Entscheids an.
 
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Oktober 2018 an das Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die Verfügungen des Bau- und Justizdepartements und der Baukommission aufzuheben und auf die Rückbauverpflichtung zu verzichten. Eventuell sei die Sache an die Baukommission zurückzuweisen mit der Anweisung, ihm eine angemessene Frist zur Einreichung eines nachträglichen Ausnahmebewilligungsgesuchs anzusetzen.
Die Baukommission und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bau- und Justizdepartement hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. A.________ hat am 7. Dezember 2018 eine weitere Stellungnahme eingereicht.
 
D.
Mit Verfügung vom 6. November 2018 erteilte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über den Rückbau einer nicht bewilligten Baute. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer nahm am vorinstanzlichen Verfahren teil, ist durch den angefochtenen Entscheid auch materiell beschwert und damit nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Auch sonst steht einem Sachurteil grundsätzlich nichts entgegen.
1.2. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Entscheide der Vorinstanzen des Verwaltungsgerichts richtet. Diese sind durch dessen Urteil ersetzt worden (Devolutiveffekt des Rechtsmittels) und gelten inhaltlich als mitangefochten (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144).
 
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet dieses von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die die beschwerdeführende Person vorbringt und begründet (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Anwendung von kantonalem Recht überprüft das Bundesgericht grundsätzlich nur auf Willkür und bloss insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzis vorgebracht und begründet wird (Art. 95 BGG i.V.m. Art. 9 BV und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es legt seinem Urteil weiter den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer stellte sich vor den kantonalen Rechtsmittelinstanzen im Wesentlichen auf den Standpunkt, der ohne Bewilligung erstellte Autounterstand dürfe auf jeden Fall stehen bleiben. Entweder sei trotz der fehlenden Bewilligung von einem Rückbau abzusehen oder aber die Baukommission habe nachträglich eine Ausnahmebewilligung zu erteilen. Mit den Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss dem Recht des Kantons Solothurn (vgl. § 52 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 der Kantonalen Bauverordnung vom 3. Juli 1978 [KBV/SO; BGS 711.61]), namentlich den Erfordernissen der "ausserordentlichen Verhältnisse" und der "unverhältnismässigen Härte" der Einhaltung der fraglichen (Abstands-) Vorschriften, setzte er sich allerdings nicht näher auseinander. Vielmehr leitete er die Möglichkeit einer Ausnahme letztlich aus den Umständen ab, die seiner Ansicht nach einen Verzicht auf die Rückbauanordnung rechtfertigen sollen. Auch vor der Baukommission brachte er nicht vor, die Voraussetzungen gemäss § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 KBV seien erfüllt. Ebenso wenig nannte er Gründe, wieso dem so sein sollte. Er reichte der Kommission auch kein Gesuch um Gewährung einer entsprechenden Ausnahmebewilligung ein.
3.2. Unter diesen Umständen brauchte die Vorinstanz trotz des vom Beschwerdeführer bei ihr gestellten Eventualantrags auf Rückweisung der Sache an die Baukommission zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht auf die Frage einzugehen, ob für den Autounterstand nachträglich eine Ausnahmebewilligung nach den Voraussetzungen der § 52 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 KBV erteilt werden kann. Wäre es dem Beschwerdeführer tatsächlich um die Erteilung einer Bewilligung gemäss diesen Voraussetzungen gegangen, hätte es an ihm gelegen, dies vor den kantonalen Beschwerdeinstanzen begründet darzutun und bei der Baukommission ein entsprechendes Gesuch einzureichen. Dies gilt umso mehr, als ihm die einschlägigen kantonalrechtlichen Bestimmungen offensichtlich bekannt waren, auch wenn ihn die Baukommission im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens und vor Erlass der Rückbauverfügung offenbar nicht darauf hingewiesen hat. Da der Beschwerdeführer ein entsprechendes Gesuch hätte einreichen können, durfte die Vorinstanz auch über die Verhältnismässigkeit der Rückbauanordnung befinden, ohne die erwähnte Frage zu prüfen.
3.3. Indem die Vorinstanz offen liess, ob für den Autounterstand nachträglich eine Ausnahmebewilligung nach den Voraussetzungen von § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 KBV erteilt werden kann, verletzte sie demnach den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV) nicht. Ebenso wenig verfiel sie der Willkür (Art. 9 BV) oder handelte sonst bundesrechtswidrig. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausserdem eine Verletzung der erwähnten kantonalrechtlichen Bestimmungen rügt, ohne deren willkürliche Anwendung geltend zu machen, ist dies im Weiteren unzulässig (vgl. vorne E. 2). Damit ist der Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Rückweisung der Sache an die Baukommission zur Ansetzung einer Frist für die Einreichung eines Ausnahmebewilligungsgesuchs abzuweisen. Nachfolgend zu prüfen bleibt, ob auf einen Rückbau des Unterstands, der nach dem kantonalen Recht unbestrittenermassen grundsätzlich nicht bewilligt werden kann, zu verzichten ist, mithin von der Durchsetzung der massgeblichen Abstandsvorschriften abzusehen ist.
 
4.
4.1. Die Befugnis der Behörden, im Fall einer rechtswidrig errichteten bzw. genutzten Baute die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands anzuordnen, ist im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich auf 30 Jahre beschränkt (vgl. BGE 132 II 21 E. 6.3 S. 35; mit gewissen Vorbehalten BGE 136 II 359 E. 8 S. 367). Auch vorher ist die Anordnung der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands im Einzelfall unzulässig, wenn ihr allgemeine Prinzipien des Verfassungs- und Verwaltungsrechts entgegenstehen. Dazu gehören namentlich die in Art. 5 Abs. 2 und 3 sowie Art. 9 BV festgehaltenen Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens (vgl. BGE 136 II 359 E. 6 S. 364 f.). So kann die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder die Wiederherstellung nicht im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 132 II 21 E. 6 S. 35). Auf die Verhältnismässigkeit berufen kann sich auch ein Bauherr, der nicht gutgläubig gehandelt hat. Er muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, namentlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baulichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen und die dem Bauherrn allenfalls erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Mass berücksichtigen (vgl. BGE 132 II 21 E. 6.4 S. 39 f.).
4.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Rückbauanordnung sei unverhältnismässig. Die Vorinstanz habe in willkürlicher Weise seine überwiegenden privaten Interessen nicht berücksichtigt und nicht dargelegt, weshalb das öffentliche Interesse an der Einhaltung der rechtlichen Normen diesen vorgehen solle. Ihre Begründung erwecke den Eindruck, sie handle schematisch und verlange unabhängig vom konkreten Einzelfall stets den Rückbau, sobald rechtliche Normen nicht beachtet würden. Für den Verzicht auf den Rückbau sprächen der nicht unbeträchtliche Rückbau- und Amortisationsaufwand sowie das Fehlen von baulichen Alternativen, um den Autounterstand ohne Eingriff in die Substanz des Einfamilienhauses zu erstellen. Zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei ausserdem, dass die Verkehrssicherheit und die öffentliche Ordnung wie auch die privaten Interessen der Nachbarn durch den strittigen Unterstand nicht gefährdet würden, kein grundlegendes Prinzip des Bau- und Planungsrechts verletzt werde und die Abweichung vom Erlaubten nicht schwerwiegend sei. Vielmehr gewährleiste nur der Unterstand - und keine andere Konstruktion - eine verkehrssichere Ein- und Ausfahrt mit einem Anhänger. Auch wenn er nicht restlos gutgläubig gewesen sei, lasse sich sein Vorgehen zudem erklären.
4.3. Diese Einwände überzeugen nicht. Der Beschwerdeführer wusste sowohl aufgrund des Schreibens der Baukommission vom 13. Juni 2017, mit dem sein Baugesuch zur Überarbeitung zurückgewiesen wurde, als auch durch die von ihm selbst zitierte E-Mail des Kommissionspräsidenten vom 8. Dezember 2016, dass sein Bauprojekt die wegen der bestehenden Baulinie geltenden Abstandsvorgaben nicht einhielt. Er erstellte den grundsätzlich nicht bewilligungsfähigen Autounterstand somit klar bösgläubig. Dass sein Verhalten durch eine "leidige Vorgeschichte" mit der Baukommission oder deren Präsidenten zu erklären oder deren Verhalten gar zu seinen Gunsten zu werten wäre - wie er vorbringt -, ist nicht ersichtlich, zumal seine Darstellung nahe legt, er habe von der Kommission bzw. dessen Präsidenten letztlich einen Vorschlag erwartet, wie er sein Bauprojekt ungeachtet der rechtlichen Hindernisse gleichwohl realisieren könne. Inwiefern die von ihm erwähnte Entwicklung zum verdichteten Bauen den bösgläubigen Bau des Autounterstands erklären sollte, ist überdies nicht einsichtig.
Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz aus grundsätzlichen Erwägungen dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen und die dem Beschwerdeführer allenfalls erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Mass berücksichtigen (vgl. vorne E. 4.1). Dass sie auf seine Bösgläubigkeit hingewiesen und das öffentliche Interesse an der rechtsgleichen Anwendung der fraglichen Abstandsvorschriften und der Einhaltung der baulichen Ordnung als massgeblich beurteilt hat, ist demnach bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn sie nicht näher auf die privaten Interessen des Beschwerdeführers eingegangen ist, hat sie diese im Weiteren nicht gänzlich unbeachtet gelassen, sondern festgehalten, der angeordnete Rückbau sei mit Blick auf die Grösse des Unterstands ohne Weiteres zumutbar. Diese Beurteilung erscheint zutreffend. Dass die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands übermässige Kosten verursachen wird, ist nicht zu erwarten und wird vom Beschwerdeführer mit seinem vagen Hinweis auf den "verhältnismässig nicht unbeträchtlichen Rückbau- und Amortisationsaufwand" denn auch nicht geltend gemacht. Aus den weiteren von ihm angeführten Umständen ergibt sich nichts, was den Rückbau des bösgläubig erstellten Autounterstands als unzumutbar erscheinen liesse, zumal das angebliche Fehlen baulicher Alternativen nicht diese Frage betrifft, sondern allenfalls im Zusammenhang mit einem Gesuch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach den Voraussetzungen von § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 KBV vorzubringen wäre. Die Vorinstanz brauchte auf diese Vorbringen daher auch nicht einzugehen.
4.4. Die Anordnung, den grundsätzlich nicht bewilligungsfähigen Autounterstand zurückzubauen bzw. den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen, beruht demnach weder auf einer willkürlichen Interessenabwägung noch ist sie unzumutbar. Dass sie geeignet ist, den fraglichen Abstandsvorgaben bzw. der Baulinie Nachachtung zu verschaffen, und dafür erforderlich, stellt der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Abrede. Die Vorinstanz durfte die strittige Anordnung somit als verhältnismässig beurteilen. Auch sonst verletzt ihr Entscheid nicht Bundesrecht.
 
5.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Büren, Baukommission, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Juli 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Baur