Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
2C_167/2019
Urteil vom 15. Juli 2019
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
Gerichtsschreiber Businger.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
4. D.A.________,
5. E.A.________,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Sandor Horvath,
gegen
Schulrat der Gemeinde F.________,
Regierungsrat des Kantons Schwyz.
Gegenstand
Schulrecht (Schulweg; Schultransport),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer III, vom 18. Dezember 2018 (III 2018 143).
Sachverhalt:
A.
Am 10. November 2017 verfügte der Gemeinderat F.________ die Schliessung der Gesamtschule G.________ ab Schuljahr 2018/2019. In der Folge wurden die Kinder C.A.________, D.A.________ und E.A.________ ins Schulhaus H.________ umgeteilt. Nachdem die Eltern die Zumutbarkeit des Schulwegs angezweifelt hatten, verfügte der Schulrat der Gemeinde F.________ am 29. Juni 2018, dass die Kinder die öffentliche Buslinie zum Schulhaus zu benutzen hätten und den Eltern für den Transport ihrer Kinder bis zur Bushaltestelle "I.________" maximal viermal täglich (inkl. Mittag) eine Kilometerentschädigung inkl. Busabonnement vergütet werde. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen der Landammann des Kantons Schwyz am 17. August 2018 (genehmigt vom Regierungsrat des Kantons Schwyz am 28. August 2018) und das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz am 18. Dezember 2018 ab.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 13. Februar 2019 beantragen A.A.________ und B.A.________ in ihrem Namen und im Namen ihrer Kinder, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zu verpflichten, die Zumutbarkeit des Schulwegs durch geeignete Massnahmen sicherzustellen, namentlich durch die Einrichtung eines Schulbusses oder eventualiter durch die Einrichtung eines unentgeltlichen Mittagstisches. Der Schulrat der Gemeinde F.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz und das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz verzichten auf Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 9. April 2019 halten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist der verfahrensabschliessende Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG ).
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 II 369 E. 2.1 S. 372).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht prüft indessen nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung tritt es nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
2.
2.1. Art. 19 i.V.m. Art. 62 Abs. 2 BV gewährleistet als Grundrecht einen Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht (BGE 144 I 1 E. 2.1 S. 3 f.; 140 I 153 E. 2.3.1 S. 156). Der Unterricht muss grundsätzlich am Wohnort der Schülerinnen und Schüler erteilt werden; die räumliche Distanz zwischen Wohn- und Schulort darf den Zweck der ausreichenden Grundschulausbildung nicht gefährden (BGE 140 I 153 E. 2.3.3 S. 157). Aus der in Art. 19 BV garantierten Unentgeltlichkeit ergibt sich daher auch ein Anspruch auf Übernahme der Transportkosten, wenn der Schulweg wegen übermässiger Länge oder Gefährlichkeit dem Kind nicht zugemutet werden kann (BGE 133 I 156 E. 3.1 S. 158 f. mit Hinweisen). Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen werden im Volksschulgesetz (des Kantons Schwyz) vom 19. Oktober 2005 (VSG/SZ; SRSZ 611.210) näher konkretisiert. Gemäss § 8 Abs. 1 VSG/SZ ist der Unterricht an der öffentlichen Volksschule unentgeltlich, wobei diese Bestimmung auch den Kindergarten umfasst, der nach § 11 Abs. 1 VSG/SZ die erste Stufe der Volksschule ist (vgl. auch Urteil 2C_433/2011 vom 1. Juni 2012 E. 3.3). Wo den Schülerinnen und Schülern der Schulweg nicht zugemutet werden kann, sorgen die Schulträger auf eigene Kosten für eine angemessene Fahrgelegenheit (§ 8 Abs. 3 VSG/SZ).
2.2. Das Bundesgericht hat die Auffassung der kantonalen Behörden, wonach aus § 8 Abs. 3 VSG/SZ (bzw. der altrechtlichen gleichlautenden Regelung) lediglich ein Anspruch auf Übernahme der Transportkosten, nicht jedoch auf Einrichtung eines Schülertransports durch das Gemeinwesen abgeleitet werden könne, als nicht willkürlich bezeichnet. Wohl nimmt die Bestimmung nicht die Eltern, sondern den Schulträger in die Pflicht, bei Unzumutbarkeit des Schulwegs eine entsprechende Lösung für den Transport der Kinder zur Schule vorzusehen. Der Hauptakzent der Norm kann aber ohne Not in der Vorgabe erblickt werden, wonach dieser Transport "auf eigene Kosten" des Schulträgers, d.h. zulasten des Gemeinwesens und damit für die Eltern grundsätzlich kostenneutral zu erfolgen hat. Darüber hinaus verlangt § 8 Abs. 3 VSG/SZ lediglich eine "angemessene Fahrgelegenheit"; wer diese zu erbringen hat (Gemeinde, Eltern/Angehörige oder beauftragte Dritte) und in welcher Form der Transport durchzuführen ist (Schulbus, öffentliches Verkehrsmittel, private Fahrzeuge, Fahrgemeinschaften etc.), lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen. Es liegt damit grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des verantwortlichen Schulträgers, sich für eine zweckmässige Lösung zu entscheiden. Dabei dürfen die jeweiligen konkreten Umstände in Betracht gezogen werden, wie u.a. Zahl und Wohnort der zu transportierenden Kinder, bestehende Transportmöglichkeiten und -bereitschaft seitens der Eltern oder privater Dritter, Vorhandensein von gemeindeeigenen Fahrzeugen oder lokalen Taxi- oder Transportbetrieben. Um vor der Mindestgarantie von Art. 19 BV standzuhalten, muss die gewählte Lösung aber in jedem Fall Gewähr dafür bieten, dass die Kinder sicher, zuverlässig und zeitgerecht zur Schule und zurück befördert werden, damit sie am Grundschulunterricht teilnehmen können. Es fällt dabei nicht zum Vornherein ausser Betracht, die Eltern selber (oder von diesen beizuziehende Angehörige, Nachbarn oder Dritte) unter Schadloshaltung für den damit verbundenen Aufwand mit dem Schultransport zu betrauen, soweit dies für sie möglich und zumutbar ist. Einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedarf es dazu nicht. Eine Mitwirkungspflicht der Eltern in schulischen Belangen geht bereits mit der ihnen obliegenden Verantwortung für die Erfüllung der Schulpflicht ihrer Kinder einher, welche sich letztlich als notwendige Vorbedingung aus dem verfassungsrechtlichen Obligatorium des Grundschulunterrichts (Art. 62 Abs. 2 BV) ergibt. Allein der Umstand, dass die betroffenen Eltern es aus Bequemlichkeit vorziehen würden, den Transportdienst dem Gemeinwesen zu überlassen, rechtfertigt jedenfalls noch nicht, diesem die Einrichtung eines Schülertransportes abzuverlangen. Dies gilt umso mehr dann, wenn eine solche Lösung die öffentliche Hand teurer zu stehen käme als die Vergütung eines den Eltern mit einem privaten Transport entstehenden zumutbaren Aufwandes. Als mögliche Alternative zu einem mittäglichen Hin- und Rücktransport bei langen Schulwegen und im Verhältnis kurzen Mittagspausen kommt im Übrigen (bei Schülern der unteren Schulstufen) der Besuch eines schulseitig organisierten Mittagstisches mit dem Angebot einer angemessenen Mittagsverpflegung und entsprechender Beaufsichtigung der Schüler in Frage. Die Teilnahme an einem solchen gilt als zumutbar und entbindet den Schulträger davon, für einen Schultransport (auch) am Mittag besorgt zu sein (vgl. zum Ganzen Urteil 2C_433/2011 vom 1. Juni 2012 E. 4.3 mit Hinweisen).
3.
3.1. Es ist unbestritten, dass die Kinder weder den Weg von ihrem Wohnort zur Schule noch den Weg vom Wohnort zur Bushaltestelle selber bewältigen können. Das angefochtene Schulwegkonzept sieht vor, dass die Eltern die Kinder jeweils mit dem Auto zur Bushaltestelle "I.________" bringen bzw. dort abholen und die Kinder den öffentlichen Bus zur Schule nehmen. Dabei anerkennt die Vorinstanz, dass ein Transport der Kinder mit den dem Bauunternehmen des Vaters gehörenden Lieferwagen nicht infrage kommt. Entscheidend für die Zumutbarkeit des Schulwegkonzepts ist somit die Verfügbarkeit des Personenwagens (VW Sharan).
3.2. Die Beschwerdeführer bringen vor, der Personenwagen stehe für den Transport der Kinder zur Bushaltestelle nicht zur Verfügung. Dieser werde vom Vater für die Arbeit auf der jeweiligen Baustelle, für Baustellen- und Kundenbesuche und für den Pikettdienst bei der Swisscom benötigt. Er sei deshalb als Geschäftsfahrzeug eingetragen. Der Vater gehe von Montag bis Freitag von 7.00 bis 12.00 Uhr und 13.00 bis 18.00 Uhr seiner beruflichen Tätigkeit nach. Der Mutter stehe tagsüber kein Fahrzeug zur Verfügung. Es sei dem Vater nicht möglich, seine Arbeit zu unterbrechen, um die Kinder vom Wohnort zur Bushaltestelle und zurück zu befördern. Er esse mittags zudem auswärts, wenn er auf einer abgelegenen Baustelle arbeite.
3.3. Das Verwaltungsgericht hat - wie bereits der Schulrat und der Landammann - bezüglich der Verfügbarkeit des Personenwagens keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Es hat nicht ermittelt, wie häufig der Personenwagen effektiv geschäftlich genutzt wird, sondern ist davon ausgegangen, dass das Auto der Mutter "in der Regel" für den Transport der Kinder zur Verfügung stehe. Weiter hat die Vorinstanz die Annahme getroffen, dass - sollte der Personenwagen geschäftlich genutzt werden - es dem Vater aufgrund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit möglich sei, den Arbeitseinsatz so zu planen, damit er die Kinder zur Bushaltestelle fahren könne. Auf welcher Grundlage das Verwaltungsgericht diese Annahme trifft, ist nicht ersichtlich. Auch wenn der Vater einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, ist er - gerade im Baugewerbe - nicht völlig frei in der Einteilung seiner Arbeit. Es ist notorisch, dass auf Baustellen zumindest im Sommer grundsätzlich ab 7 Uhr morgens gearbeitet wird und es einem Bauunternehmer nicht ohne Weiteres zumutbar ist, die Arbeitszeiten an die Schulzeiten der Kinder anzupassen. Ebenso hat der Vater glaubhaft dargelegt, dass er auch auf weiter entfernten Baustellen tätig ist und es ihm an diesen Tagen von vornherein nicht möglich ist, den Transport seiner Kinder durchzuführen. Dass er in solchen Fällen das Mittagessen auswärts einnimmt, ist nachvollziehbar und steht entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen nicht im Widerspruch zum Anliegen der Eltern, die Kinder sollen das Mittagessen zuhause im Familienkreis einnehmen können. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Verfügbarkeit des Personenwagens an jedem Schultag gewährleistet sein muss und das Schulwegkonzept selbst dann unzumutbar wäre, wenn die Eltern ihre Kinder lediglich "regelmässig" zur Bushaltestelle fahren bzw. dort abholen können.
3.4. Zusammenfassend haben es die kantonalen Instanzen in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 18 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes [des Kantons Schwyz] vom 6. Juni 1974 [VRP/SZ; SRSZ 234.110]) unterlassen, den Sachverhalt betreffend die Verfügbarkeit des Personenwagens näher abzuklären, und sich stattdessen auf entsprechende Vermutungen beschränkt. Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Sache zum Neuentscheid an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Dieses hat - unter Mitwirkung der Beschwerdeführer (§ 19 VRP/SZ) - die notwendigen Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen und, sollte der Personenwagen nicht zur Verfügung stehen, alternative Lösungen zu prüfen (Schulbus, Fahrgemeinschaft; Mittagstisch etc.), die jeden Schultag abdecken. Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführer einzugehen.
4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die unterliegende Gemeinde hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG), wobei die eingereichte Kostennote zu keinen Bemerkungen Anlass gibt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 18. Dezember 2018aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die Gemeinde F.________ hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 3'117.15 zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: Businger