Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_175/2019
Urteil vom 30. Juli 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Jancar.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Neuanmeldung; Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. Januar 2019 (IV.2017.00922).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die 1967 geborene A.________ war ab 19. November 2007 bis 31. Oktober 2010 als Kassiererin bei der B.________ angestellt. Am 21. Juli 2010 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug an. Diese holte ein polydisziplinäres Gutachten der asim (Academy of Swiss Insurance Medicine), Universitätsspital Basel, Basel, vom 31. Oktober 2011 sowie einen Abklärungsbericht Beruf und Haushalt vom 8. Februar 2012 ein. In der Folge veranlasste die IV-Stelle eine ergänzende psychiatrische Stellungnahme der asim vom 18. Juli 2012 und ein Gutachten der PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Zürich, vom 18. September 2014. Mit Verfügung vom 7. September 2015 sprach sie der Versicherten ab 1. Februar 2011 bis 31. August 2011 eine Viertelsrente zu. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 29. November 2016). Mit Urteil 8C_71/2017 vom 20. April 2017 wies das Bundesgericht die Beschwerde der Versicherten ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat.
A.b. Am 27. Juli 2016 meldete sich die Versicherte bei der IV-Stelle unter Hinweis auf einen verschlechterten Gesundheitszustand erneut zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 21. Juli 2017 trat diese auf die Neuanmeldung nicht ein.
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Januar 2019 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, auf ihre Neuanmeldung einzutreten und ihr, allenfalls nach Vornahme der notwendigen Abklärungen, die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine Invalidenrente (allenfalls Eingliederungsmassnahmen), zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es das Nichteintreten der IV-Stelle gemäss Verfügung vom 21. Juli 2017 auf die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin vom 27. Juli 2016 bestätigte.
1.1. Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass die Neuanmeldung nur materiell geprüft wird, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten, rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 2 f. IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. BGE 117 V 198 E. 4b S. 200). Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss also nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen. Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn angenommen werden kann, der Anspruch auf eine Invalidenrente (oder deren Erhöhung) sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände als richtig erweisen sollten (Urteil 9C_594/2018 vom 6. Mai 2019 E. 2.1). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass der Untersuchungsgrundsatz, wonach das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen hat, insoweit nicht spielt. Es legt der beschwerdeweisen Überprüfung vielmehr den Sachverhalt bzw. die Aktenlage zu Grunde, wie sie sich der Verwaltung bei Erlass der Nichteintretensverfügung boten (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 8C_65/2018 vom 14. Februar 2018 E. 4.1).
1.2. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 2 f. IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine Tatfrage. Die diesbezügliche vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Frei zu beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 9C_594/2018 vom 6. Mai 2019 E. 2.2).
2.
2.1. Zum Gesundheitszustand, wie er sich im Zeitpunkt der die Rente per 31. August 2011 aufhebenden Verfügung vom 7. September 2015 darbot, hält der angefochtene Entscheid fest, im PMEDA-Gutachten vom 18. September 2014 seien psychischerseits eine residuelle depressive Episode mit leichtgradiger Ausprägung (ICD-10 F33.0) bei rezidivierender depressiver Störung, bei möglicher posttraumatischer Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) diagnostiziert worden. Die Arbeitsfähigkeit der Versicherten habe in der letzten und in jeder körperlich leichten bis mittelschweren, wechselbelastenden oder überwiegend sitzenden Tätigkeit per sofort 100 % betragen.
2.2. Die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin vom 27. Juli 2016 basiert auf den Austrittsberichten der Klinik C.________, vom 5. April 2016 und der Klinik D.________, vom 9. Mai 2016. Das kantonale Gericht erwog im Wesentlichen, gemäss diesen Berichten habe sie an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, ohne psychotische Symptome (ICD-10 F33.2), an kombinierten Persönlichkeitsstörungen mit impulsiven und histrionischen Anteilen (ICD-10 F61) sowie an einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45) gelitten. Eine neu hinzugetretene oder unterschiedliche Diagnose bewirke nicht unbesehen eine höhere Arbeitsunfähigkeit. Die diesen Berichten zu entnehmenden Befunde entsprächen im wesentlichen denjenigen, die bereits in den Berichten der Klinik C.________ vom 29. Juni 2012 und 5. Juni 2013 sowie im PMEDA-Gutachten vom 18. September 2014 festgestellt worden seien. Eine wesentliche Veränderung des Psychostatus seit der PMEDA-Begutachtung sei in quantitativer Hinsicht nicht ersichtlich. Nicht glaubhaft sei, dass neu eine schwere depressive Episode vorliege, da die erhobenen Befunde nicht auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes schliessen liessen. Die Psychiaterin Dr. med. E.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), habe in der Stellungnahme vom 23. Mai 2017 ausgeführt, die relativ niedrig dosierte antidepressive Medikation spreche gegen eine schwere depressive Symptomatik. Hinsichtlich der von der Klinik C.________ festgestellten Persönlichkeitsstörung sei im PMEDA-Gutachten überzeugend dargelegt worden, dass eine solche Diagnose unhaltbar sei, da sich die Symptomatik nicht bis in die Kindheit und Jugend der Versicherten zurückverfolgen lasse. Auch eine Somatisierungsstörung werde durch die PMEDA-Gutachter nicht bestätigt. Inwiefern sich daran etwas geändert hätte, werde von der Klinik C.________ nicht ausgeführt und sei auch nicht ersichtlich. Da die Beschwerdeführerin eine Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht glaubhaft gemacht habe, sei die IV-Stelle auf ihre Neuanmeldung zu Recht nicht eingetreten.
3.
3.1. Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, es sei nicht nur glaubhaft, sondern offensichtlich ausgewiesen, dass bei ihrer Neuanmeldung vom 27. Juli 2016 weitaus gravierendere Befunde bestanden hätten als nur eine objektivierbare leichte depressive Verstimmung, womit sich ihr Zustand relevant verschlechtert habe. Im Einzelnen zählt sie diverse Befunde auf, die im Frühling 2016, nicht aber im Zeitpunkt der Verfügung vom 7. September 2015 vorgelegen hätten. In den Berichten der Kliniken C.________ und D.________ vom 29. Juni 2012 und 5. Juni 2013, auf welche die Vorinstanz Bezug nehme, sei eine psychisch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit attestiert worden. Die PMEDA-Gutachter hätten dies anerkannt, aber eine seitherige Verbesserung des Zustandes festgestellt. Wenn die Klinik C.________ in den Berichten vom 5. April und 9. Mai 2016 gemäss vorinstanzlicher Feststellung die gleichen Diagnosen und Befunde wie am 29. Juni 2012 und 5. Juni 2013 bestätige, weise dies klar darauf hin, dass wiederum ein invalidisierender Gesundheitsschaden und ein Rentenanspruch bestehe. Diese Ausführungen der Vorinstanz seien somit widersprüchlich und willkürlich. Dies gelte auch für ihren Hinweis, bereits im PMEDA-Gutachten vom 18. September 2014 sei erwähnt worden, ihr Denken sei "sprunghaft und phasenweise drängend und fordernd". Denn dieser Befund sei bei der damaligen Beurteilung des Rentenanspruchs nicht berücksichtigt worden, weshalb es nicht angehe, ihn bei der Prüfung der Verschlechterung des Gesundheitszustandes doch einzubeziehen. Unabhängig davon, ob ihre Depression als mittelgradig oder schwer einzustufen sei, sei eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes klar ausgewiesen.
3.2.
3.2.1. Die vorinstanzliche Feststellung, dass aufgrund des PMEDA-Gutachtens vom 18. September 2014 entgegen den Berichten der Kliniken C.________ und D.________ vom 5. April und 9. Mai 2016 keine Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung bestünden, wurde von der Psychiaterin Dr. med. E.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), in der Stellungnahme vom 23. Mai 2017 bestätigt. Richtig ist auch, dass sie ausführte, die relativ niedrig dosierte antidepressive Medikation spreche gegen eine schwere depressive Symptomatik (zur Aufgabe des RAD, den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit der versicherten Person zu beurteilen vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2
bis IVG; Art. 49 IVV; BGE 137 V 210 E. 1.2.1 S. 219, 135 V 254 E. 3.3.2 S. 257; SVR 2011 IV Nr. 2 S. 7, 9C_904/2009 E. 2.2). Diese vorinstanzlichen Feststellungen beruhen weder auf einer qualifiziert falschen Sachverhaltsfeststellung noch sind sie anderweitig bundesrechtswidrig (vgl. E. 1 hiervor). Die Beschwerdeführerin bringt diesbezüglich denn auch keine substanziierten Einwände vor.
3.2.2. Hiervon abgesehen ist der Vorinstanz beizupflichten, dass eine neu gestellte Diagnose - insbesondere psychiatrischer Art - für sich alleine nicht genügt, um eine erhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen. Denn damit wird über das quantitative Element einer relevanten, die Arbeitsfähigkeit schmälernden Veränderung des Gesundheitszustandes nicht zwingend etwas ausgesagt (vgl. Urteil 8C_244/2016 vom 21. Juni 2016 E. 3.5).
Aus den Austrittsberichten der Kliniken C.________ und D.________ vom 5. April und 9. Mai 2016 - deren Einschätzung mit Blick auf die beweisrechtlich bedeutsame Verschiedenheit von Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und Begutachtungsauftrag andererseits besonders sorgfältig zu würdigen ist (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353) - ergeben sich keine Hinweise, die glaubhaft machen würden, dass sich die psychische Situation der Beschwerdeführerin in anspruchsrelevantem Ausmass verschlechtert hätte. In diesen Berichten wird nämlich nicht annähernd substanziiert dargelegt, inwiefern die geschilderte psychische Problematik ihre gemäss dem PMEDA-Gutachten vom 18. September 2014 bestehende 100%ige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit beeinflussen würde (vgl. E. 2.1 hiervor; siehe auch Urteil 8C_244/2016 vom 21. Juni 2016 E. 3.5). Vielmehr enthalten die Berichte der Kliniken C.________ und D.________ vom 5. April und 9. Mai 2016 keine Angaben zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Allein aus dem Umstand, dass die Klinik C.________ in diesen Berichten praktisch die gleichen Diagnosen und Befunde erhob wie in denjenigen vom 29. Juni 2012 und 5. Juni 2013, kann entgegen der Versicherten nicht geschlossen werden, ihre Arbeitsfähigkeit habe sich seit der PMEDA-Begutachtung glaubhaft verschlechtert. Sämtliche ihre Einwände vermögen hieran nichts zu ändern. Nicht stichhaltig ist insbesondere, was die Beschwerdeführerin bezüglich des Befunds ihres sprunghaften und phasenweise drängenden und fordernden Denkens vorbringt. Denn es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern dieser Einwand den angefochtenen Entscheid im Ergebnis - worauf es einzig ankommt - als unhaltbar erschienen liesse (vgl. BGE 142 II 369 E. 4.3 S. 380; Urteil 8C_280/2018 vom 22. Januar 2019 E. 2.3).
3.3. Zusammenfassend liegt weder eine bundesrechtlich zu korrigierende aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz vor, noch ist eine entscheidrelevante Verletzung von massgebenden Beweisregeln oder sonstigem Bundesrecht erkennbar. Da die Berichte der Kliniken C.________ und D.________ vom 5. April 2016 und 9. Mai 2016 nicht ausreichen, um eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse in anspruchsrelevantem Ausmass glaubhaft zu machen, wurde die Nichteintretensverfügung der Beschwerdegegnerin zu Recht bestätigt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
4.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1; Art. 68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr gewährt werden (Art. 64 BGG). Sie hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Rechtsanwalt Kaspar Gehring wird als unentgeltlicher Anwalt der Beschwerdeführerin bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. Juli 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Jancar