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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_353/2019
Urteil vom 2. September 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Reger-Wyttenbach,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Prozessvoraussetzung; Verwaltungsverfahren; unentgeltliche Prozessführung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2016 (IV.2016.01003).
Sachverhalt:
A.
Der 1986 geborene A.________ meldete sich am 6. Oktober 2014 mit dem Hinweis auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch eine schwere Depression und Suizidversuche bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Schreiben vom 9. Februar 2016 ersuchte er insbesondere um ein Arbeitsbelastungstraining oder andere berufliche Massnahmen. Mit Vorbescheid vom 7. März 2016 legte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, dar, aufgrund ihrer Abklärungen könnten ihm wegen seines Gesundheitszustandes aktuell keine beruflichen Massnahmen gewährt werden, da die medizinische Behandlung im Vordergrund stehe. Er solle sich eine Arbeitsstelle im geschützten Rahmen suchen. In der Folge liess A.________ - neben Integrationsmassnahmen - um die unentgeltliche Rechtsvertretung im Verwaltungsverfahren ersuchen. Mit Verfügung vom 27. Juli 2016 wies die IV-Stelle das Gesuch um unentgeltlichen Rechtsbeistand mangels Notwendigkeit ab.
B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. November 2016 gut und stellte fest, dass A.________ Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Einwandverfahren habe.
Auf eine am 6. Januar 2017 von der IV-Stelle gegen den Entscheid vom 14. November 2016 erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten trat das Bundesgericht mit Urteil vom 16. Januar 2017 nicht ein (Verfahren 8C_15/2017).
Mit Verfügung vom 17. April 2019 sprach die Invalidenversicherung A.________ ab dem 1. März 2018 eine ganze Invalidenrente zu.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, in Aufhebung des Entscheides vom 14. November 2016 sei ihre Verfügung vom 27. Juli 2016 zu bestätigen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Er ersucht zudem um die unentgeltliche Rechtspflege im letztinstanzlichen Verfahren. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Der vorinstanzliche Entscheid umfasst insgesamt fünf Seiten und ist in einem einzigen Satz als sogenannter "Dass-Entscheid" verfasst worden. Dies erschwert die Les- und Nachvollziehbarkeit erheblich. Auf diese Problematik und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Entscheideröffnung gemäss Art. 112 BGG wurde das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich schon wiederholt hingewiesen, zuletzt im Urteil 9C_105/2017 vom 4. September 2017 (mit Hinweis). Im vorliegenden Fall kann von einer Rückweisung im Sinne von Art. 112 Abs. 3 BGG abgesehen werden, da der vorinstanzliche Entscheid trotz "Dass-Form" gerade noch hinreichend verständlich ist.
2.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 V 318 E. 6 S. 320; 135 III 1 E. 1.1 S. 3 mit Hinweisen; 141 II 113 E. 1 S. 116). Gleiches gilt in Bezug auf das vorinstanzliche Verfahren (BGE 140 V 22 E. 4 S. 26; 136 V 7 E. 2 S. 9). Der Entscheid, mit dem ein kantonales Versicherungsgericht einzig über den Anspruch der versicherten Person auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren eines Sozialversicherungsträgers (Art. 37 Abs. 4 ATSG) befindet, ist kein End-, sondern ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 139 V 600 E. 2 S. 601, 604 E. 2.2 S. 606; SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53 E. 2.1 [8C_557/2014]; vgl. auch Urteil 8C_15/2017 vom 16. Januar 2017 in vorliegender Angelegenheit). Der kantonale Zwischenentscheid vom 14. November 2016, worin dem Versicherten die unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren bewilligt wurde, bewirkte für die IV-Stelle praxisgemäss keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; der alternative Eintretensgrund des Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG entfiel offensichtlich. Die IV-Stelle konnte diesen Entscheid somit erst nach Zustellung ihrer Rentenverfügung vom 17. April 2019 anfechten (vgl. zum Ganzen BGE 139 V 604 E. 3.3 S. 607; SVR 2014 IV Nr. 9 S. 36 E. 3 [8C_328/2013]; Urteil 8C_931/2015 vom 23. Februar 2016 E. 1 und zu der dabei einzuhaltenden Frist BGE 142 II 363 und insbesondere 142 V 551). Demnach hat sie die Beschwerdefrist mit der Beschwerde vom 27. Mai 2019 eingehalten, weshalb darauf einzutreten ist.
3.
Einer Gesuch stellenden Person wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt, wo die Verhältnisse es für das Verwaltungsverfahren erfordern (Art. 37 Abs. 4 ATSG) resp. für das kantonale Beschwerdeverfahren rechtfertigen (Art. 61 lit. f ATSG; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV).
3.1. Kumulative Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung im Rahmen von Art. 37 Abs. 4 ATSG sind Bedürftigkeit, Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren sowie sachliche Gebotenheit der Vertretung (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.). Die hier von der Verwaltung bestrittene Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung als Voraussetzung des Anspruches auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.; SVR 2009 IV Nr. 3 S. 4) ist nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Denn aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 ATSG) haben Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen den rechtserheblichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Objektivität, Neutralität und Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln. Es müssen sich schwierige Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu berücksichtigen sind die konkreten Umstände des Einzelfalles, Eigenheiten der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie weitere Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens. Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch in der Person des oder der Versicherten liegende Gründe in Betracht, etwa die Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden. Schliesslich muss eine gehörige Interessenwahrung durch Dritte (Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen) ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 35; SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53, Urteil mit weiteren Hinweisen).
3.2. Die Frage nach der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung im Administrativverfahren ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (Urteile 9C_29/2017 vom 6. April 2017 E. 1 und 8C_246/2015 vom 6. Januar 2016 E. 2.2, je mit Hinweisen).
4.
4.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die von der IV-Stelle im Vorbescheid vom 7. März 2016 angeführte Begründung für die Abweisung des Gesuchs um Integrationsmassnahmen - es sei dafür vorausgesetzt, dass der Versicherte über eine Arbeitsstelle im geschützten Rahmen verfüge und während mindestens sechs Monaten eine Tätigkeit in regelmässiger Präsenz ausübe - sei auch im Lichte der gesetzlichen Grundlagen schlicht unverständlich. Entsprechend sei der Versicherte gezwungen gewesen, dagegen Einwände vorzubringen. Mit Blick auf den Inhalt des Vorbescheids habe vom Versicherten nicht erwartet werden können, dass er sich ohne Mitwirkung einer rechtskundigen Vertretung dagegen zur Wehr setzen könne. Angesichts der konkreten Umstände habe nicht mehr von einem einfachen Sachverhalt gesprochen werden können. Schliesslich habe die Intervention der Rechtsvertreterin Einfluss auf den Gang des Verfahrens gehabt und allein die IV-Stelle habe mit der Begründung im Vorbescheid Anlass zur Erhebung eines Einwandes geboten.
4.2. Die Beschwerde führende IV-Stelle wendet ein, im Zeitpunkt des Erlasses des Vorbescheides sei einzig strittig gewesen, ob aus medizinischer Sicht berufliche Massnahmen angezeigt gewesen seien. Die rechtlichen Voraussetzungen seien nicht strittig gewesen. So habe der Einwand der Rechtsvertreterin auch lediglich darin bestanden, auf die Angaben der behandelnden Ärztin zu verweisen. Entsprechend liege kein Ausnahmefall mit schwierigen rechtlichen oder tatsächlichen Fragen vor.
5.
Aus der Formulierung des Vorbescheides vom 7. März 2016 geht klar hervor, dass berufliche Massnahmen wegen des aktuellen Gesundheitszustandes des Versicherten abgelehnt wurden. Damit steht fest, dass gerade keine schwierigen rechtlichen oder tatsächlichen Fragen zu beantworten waren. Die Beschwerdeführerin weist auch zu Recht darauf hin, dass ein ausnahmsweiser Anspruch auf anwaltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren unter anderem nur dann besteht, wenn eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere Fach- oder Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt (E. 2.1 hievor; Urteil 9C_757/2017 vom 5. Oktober 2018 E. 5.2.2). Das kantonale Gericht legte nicht dar, inwiefern es dem Versicherten vorliegend nicht möglich gewesen sein sollte, entsprechende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es bringt lediglich vor, dass es nicht Aufgabe der behandelnden Psychiaterin gewesen sei, Einwände für den Beschwerdegegner zu verfassen. Hingegen wäre dies gar nicht notwendig gewesen. Sie hätte einzig einen medizinischen Bericht mit dem Inhalt verfassen müssen, der von ihr festgestellte Gesundheitszustand stehe einer beruflichen Eingliederung nicht entgegen. Das hat sie mit Schreiben vom 20. April 2016 denn auch tatsächlich getan.
Das kantonale Gericht argumentiert, vom Versicherten habe nicht erwartet werden können, dass er sich ohne Mitwirkung einer rechtskundigen Vertretung gegen den Vorbescheid zur Wehr setzen könne. Zudem habe "nicht mehr von einem einfachen Sachverhalt" gesprochen werden können. Zu Recht bringt die Beschwerdeführerin vor, diese Feststellungen würden im angefochtenen Entscheid nicht näher ausgeführt und nicht begründet. Selbst wenn in einem Verwaltungsverfahren die rechtliche Relevanz ärztlicher Berichte zu beurteilen ist, wofür in der Regel medizinische Kenntnisse und juristischer Sachverstand erforderlich sind, kann gemäss ständiger Rechtsprechung (BGE 132 V 200 E. 5.1.3 S. 204) trotzdem nicht von einer komplexen Fragestellung gesprochen werden, welche eine anwaltliche Vertretung erforderlich machen würde. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in praktisch allen Verwaltungsverfahren bejaht werden müsste, in denen medizinische Unterlagen zur Diskussion stehen, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widerspräche. Es bedarf mithin weiterer Umstände, welche die Sache als nicht (mehr) einfach und eine anwaltliche Vertretung als notwendig bzw. sachlich geboten erscheinen lassen (vgl. Urteil 9C_676/2012 vom 21. April 2013 E. 3). Solche Umstände lassen sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen und sind auch sonstwie nicht ersichtlich. Auch die Vorbringen des Versicherten, es liege eine - nicht näher ausgeführte - besondere Sachlage vor und er sei durch den negativen Vorbescheid stark verunsichert worden, lassen eine anwaltliche Vertretung nicht als begründet erscheinen. Entsprechend besteht kein Anlass, den strengen Massstab in Bezug auf deren Erforderlichkeit für das vorliegende Vorbescheidverfahren aufzuweichen. Der kantonale Entscheid ist deshalb aufzuheben.
6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2016 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 27. Juli 2016 bestätigt.
2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Ursula Reger-Wyttenbach wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. September 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer