BGer 1B_190/2019
 
BGer 1B_190/2019 vom 10.09.2019
 
1B_190/2019
 
Urteil vom 10. September 2019
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Muschietti,
Gerichtsschreiber Mattle.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Alain Joset bzw.
Advokat Markus Husmann,
gegen
Christoph Spindler, c/o Strafgericht Basel-Landschaft,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung BM/OK.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht,
vom 4. März 2019 (490 19 8).
 
Sachverhalt:
Vor dem Strafgericht Basel-Landschaft wurde gegen A.________ ein gerichtliches Nachverfahren betreffend Überprüfung der Anordnung einer Verwahrung geführt. Die Hauptverhandlung wurde auf den 9. Januar 2019 angesetzt. Gegen die Ansetzung des Termins reichte A.________ am 17. Dezember 2018 eine Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft ein, worauf die Hauptverhandlung auf den 10. Januar 2019 verschoben und die Beschwerde gegen die Terminfestsetzung am 26. Februar 2019 zufolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben wurde. Am 7. Januar 2019 reichte A.________ ein Ausstandsgesuch gegen den verfahrensleitenden Strafgerichtspräsidenten Christoph Spindler ein. Dieser überwies das Ausstandsbegehren an das Kantonsgericht Basel-Landschaft. Mit Beschluss vom 4. März 2019 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft das Ausstandsbegehren ab.
A.________ führt mit Eingabe vom 23. April 2019 (Datum der Post-aufgabe) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 4. März 2019 sei vollumfänglich aufzuheben und das Ausstandsgesuch im gerichtlichen Nachverfahren gegen Strafgerichtspräsident Christoph Spindler gutzuheissen. Sämtliche bisherigen Verfahrenshandlungen im gerichtlichen Nachverfahren, an denen Christoph Spindler mitgewirkt habe, seien aufzuheben und zu wiederholen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Auch die Vorinstanz beantragt sinngemäss Beschwerdeabweisung. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie vollumfänglich abzuweisen. Mit Eingabe vom 24. Juni 2019 hat der Beschwerdeführer an seiner Beschwerde festgehalten.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen selbständig eröffneten, beim Bundesgericht anfechtbaren Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und 92 Abs. 1 BGG). Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hat als letzte und einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO).
1.2. Als beschuldigte Person ist der Beschwerdeführer gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Mit Blick auf das gegen den Beschwerdeführer geführte gerichtliche Nachverfahren scheint auch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse gegeben.
Die Staatsanwaltschaft bringt vor, Advokat Markus Husmann sei nicht dazu befugt gewesen, die Beschwerde in Strafsachen für den Beschwerdeführer einzureichen. Er sei nicht dessen amtlicher Verteidiger und es liege keine Zustimmung der Verfahrensleitung für eine Substitution der amtlichen Verteidigung vor. Vor dem Bundesgericht können jedoch grundsätzlich alle Anwälte und Anwältinnen im Sinne von Art. 40 Abs. 1 BGG Parteien in Strafsachen vertreten und gelten die allgemeinen Substitutionsregeln und die Vorschriften von Art. 64 BGG betreffend die unentgeltliche Rechtspflege (vgl. WOLFGANG WOHLERS, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 1 StPO). Dass Advokat Markus Husmann, welcher vom Beschwerdeführer ordnungsgemäss bevollmächtigt wurde, die Beschwerde in Strafsachen in Substitution für Advokat Alain Joset eingereicht hat, ist somit nicht zu beanstanden.
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen für die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die Vorinstanz habe sich im angefochtenen Urteil nicht substanziell bzw. jedenfalls nicht hinreichend mit seinen Vorbringen auseinandergesetzt. Sie habe pauschal auf den Abschreibungsentscheid des Kantonsgerichts vom 26. Februar 2019 verwiesen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt.
2.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich hört, ernsthaft prüft und bei der Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; 134 I 83 E. 4.1 S. 88). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 142 II 49 E. 9.2 S. 65 mit Hinweisen).
2.3. Aus der Begründung des angefochtenen Entscheids geht hervor, welche Überlegungen die Vorinstanz leiteten und worauf sie ihren Entscheid stützte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids nicht möglich war. Eine Verletzung der Begründungspflicht ist daher zu verneinen.
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer trägt vor, der Beschwerdegegner habe zum einen den Termin zur Hauptverhandlung vom 9. Januar 2019 ohne jede Rücksprache und ohne Rücksichtnahme auf die Verfügbarkeit der notwendigen Verteidigung festgelegt. Zum anderen habe der Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren betreffend Ansetzung der Hauptverhandlung vor dem Kantonsgericht beantragt, es seien dem Verteidiger des Beschwerdeführers die Verfahrenskosten persönlich aufzuerlegen. Indem die Vorinstanz das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers bei dieser Sachlage abgewiesen habe, habe sie Art. 56 lit. f StPO sowie Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK falsch angewendet und damit Bundesrecht verletzt.
3.2. Nach Art. 56 lit. f StPO hat ein Richter in den Ausstand zu treten, wenn Tatsachen vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, denen in dieser Hinsicht dieselbe Tragweite zukommt, hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt (BGE 135 I 14 E. 2 S. 15; 133 I 1 E. 6.2 S. 6). Solche Gegebenheiten können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein (BGE 142 III 732 E. 4.2.2 S. 737; 140 I 240 E. 2.2 S. 242; je mit Hinweisen). Trifft der Richter fehlerhafte Verfahrenshandlungen, so begründet dies für sich allein keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich, wenn die begangenen Rechtsfehler bei objektiver Betrachtung besonders krass sind oder wiederholt auftreten, so dass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74 f.; BGE 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180; Urteil 1B_535/2018 vom 16. April 2019 E. 3; je mit Hinweisen). Ansonsten sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen beanstandete Verfahrenshandlungen auszuschöpfen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 75; 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158 f.; je mit Hinweisen).
3.3. Gemäss Art. 331 Abs. 4 StPO setzt die Verfahrensleitung Datum, Zeit und Ort der Hauptverhandlung fest und lädt die Parteien sowie die Zeuginnen und Zeugen, Auskunftspersonen und Sachverständigen vor, die einvernommen werden sollen. Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Vorladung ist auf die Abkömmlichkeit der vorzuladenden Personen angemessen Rücksicht zu nehmen (Art. 202 Abs. 3 StPO), aber auch das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 StPO zu beachten (vgl. Stephenson/Zalunardo-Walser, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 331 StPO). Die Verfahrensleitung entscheidet endgültig über Verschiebungsgesuche, die vor Beginn der Hauptverhandlung eingehen (Art. 331 Abs. 5 StPO). Die amtliche und die notwendige Verteidigung haben an der Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen (Art. 336 Abs. 2 StPO). Bleibt die amtliche oder die notwendige Verteidigung aus, so wird die Verhandlung verschoben (Art. 336 Abs. 5 StPO).
Es mag zur Vermeidung von Verzögerungen sinnvoll und mit Blick auf Art. 202 Abs. 3 StPO je nach den konkreten Umständen auch angezeigt sein, sich vor der Festlegung der Hauptverhandlung bei den vorzuladenden Personen und namentlich bei der Verteidigung über allfällige Unabkömmlichkeiten zu erkundigen. Vorliegend ist indessen zu berücksichtigen, dass das Strafgericht ursprünglich vorsah, die Hauptverhandlung bereits im November 2018 durchzuführen, wovon aufgrund der Rückmeldung der Verteidigung abgesehen wurde. Der in der Folge angesetzte Termin vom 5. bzw. 7. Dezember 2018 konnte wegen einer krankheitsbedingten Absenz des Vertreters des Beschwerdeführers ebenfalls nicht wahrgenommen werden. Falls man darin, dass der Beschwerdegegner die Hauptverhandlung ohne neuerliche Rückfrage beim Verteidiger auf den 9. Januar 2019 festsetzte, unter den gegebenen Umständen überhaupt einen Verfahrensfehler erblicken wollte, stellt dieser jedenfalls keine schwerwiegende Amtspflichtsverletzung dar. Dies gilt umso mehr, als die Hauptverhandlung in der Folge wegen der Unabkömmlichkeit des Verteidigers erneut verschoben und am 10. Januar 2019 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und von dessen Verteidiger durchgeführt wurde.
3.4. Nach Art. 417 StPO kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, unter gewissen Umständen könne gestützt auf diese Bestimmung auch der Rechtsbeistand einer verfahrensbeteiligten Person kosten- und entschädigungspflichtig werden (vgl. Thomas Domeisen, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 417 StPO, mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 66 Abs. 3 BGG, wonach unnötige Kosten zu bezahlen hat, wer sie verursacht, können im bundesgerichtlichen Verfahren ausnahmsweise dem Rechtsvertreter der unterliegenden Partei statt dieser selber die Kosten auferlegt werden, wenn der Rechtsvertreter schon bei Beachtung elementarster Sorgfalt hätte feststellen können, dass das Rechtsmittel nicht zulässig ist (BGE 129 IV 206 E. 2 S. 207 f.; Urteil 2C_1228/2013 vom 3. Januar 2014 E. 5.2, mit Hinweisen).
Im Beschluss vom 26. Februar 2019 betreffend Ansetzung der Hauptverhandlung kam das Kantonsgericht zum Schluss, die Voraussetzungen dafür, die Gerichtskosten dem Rechtsbeistand in Anwendung von Art. 417 StPO persönlich zu auferlegen, seien (noch) nicht erfüllt, obwohl es an einem tauglichen Anfechtungsobjekt mangle. Wie es sich damit verhält, kann vorliegend offen bleiben. Jedenfalls stellt der entsprechende Antrag des Beschwerdegegners mit Blick auf Art. 417 StPO unter den gegebenen Umständen keine schwere Pflichtverletzung dar.
 
4.
Soweit der Beschwerdeführer ausführt, der Beschwerdegegner habe seinem Rechtsanwalt gegenüber eine feindliche Gesinnung offenbart, beruft er sich einzig auf die Ansetzung der Hauptverhandlung durch den Beschwerdegegner ohne entsprechende Rückfrage (vgl. E. 3.3 hiervor) sowie auf den Antrag im Verfahren betreffend Ansetzung der Hauptverhandlung, es seien die Verfahrenskosten dem Rechtsbeistand des Beschwerdeführers persönlich zu auferlegen (vgl. E. 3.4 hiervor). Nach dem bereits Ausgeführten ist das kritisierte Verhalten des Beschwerdegegners indessen nicht geeignet, eine feindliche Gesinnung gegenüber dem Rechtsbeistand zu belegen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausging, es bestehe kein Anschein der Befangenheit im Sinne von Art. 56 lit. f StPO. Ebensowenig widerspricht der angefochtene Entscheid Art. 30 Abs. 1 BV oder Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Damit ist die Beschwerde abzuweisen.
 
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indes um unentgeltliche Rechtspflege inklusive Verbeiständung. Diesem Gesuch kann nicht entsprochen werden, da das Begehren als aussichtslos bezeichnet werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG). Indessen kann aufgrund der gegebenen Umstände auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (vgl. Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. September 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Mattle