Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1171/2018
Urteil vom 10. September 2019
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Weber.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Hans-Jürg Schläppi,
Beschwerdeführerin,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, 3013 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Herausgabe beschlagnahmter Vermögenswerte, Verrechnung mit Verfahrenskosten
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern, 2. Strafkammer,
vom 16. Oktober 2018 (SK 18 200).
Sachverhalt:
A.
Im Strafverfahren gegen X.________ beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern u.a. Geldbeträge in Höhe von insgesamt Fr. 28'786.65. Einen Teilbetrag von Fr. 18'900.-- beschlagnahmte sie mit Verfügung vom 6. Januar 2017 vom Konto Nr. xxx lautend auf X.________ bei der Bank A.________.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland bestrafte X.________ am 15. März 2018 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121), begangen in der Zeit vom 15. März 2011 bis 20. März 2013, sowie Urkundenfälschung, begangen am 20. März 2013, mit einer bedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu Fr. 60.--. Das Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen das BetmG, angeblich begangen in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 14. März 2011, stellte das Regionalgericht ein und vom Vorwurf der Geldwäscherei, angeblich begangen am 20. März 2013, sprach es X.________ frei.
Das Regionalgericht verurteilte X.________ zur Tragung von 3/4 der Verfahrenskosten, entsprechend Fr. 13'545.-- und zur Rückzahlung von 3/4 der Entschädigung für ihre amtliche Verteidigung, entsprechend Fr. 12'974.15. Diese beiden Forderungen von insgesamt Fr. 26'519.15 verrechnete das Regionalgericht mit dem beschlagnahmten Geldbetrag von Fr. 28'786.65.
B.
Mit Beschränkung auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen erhob X.________ Berufung gegen das Urteil des Regionalgerichts. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 16. Oktober 2018 das erstinstanzliche Urteil, soweit dieses nicht bereits in Rechtskraft erwachsen war. Darüber hinaus verrechnete es den verbleibenden beschlagnahmten Geldbetrag von Fr. 2'267.60 mit den oberinstanzlichen Verfahrenskosten sowie mit der Rückforderung für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung im oberinstanzlichen Verfahren.
C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, es seien ihr die beschlagnahmten Geldbeträge "gemäss den gerichtlich bestimmten Ansprüchen zu Eigentum zurückzuerstatten". X.________ ersucht um amtliche Verteidigung resp. unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Vorinstanz erwägt, die Tochter der Beschwerdeführerin sei nicht Partei im Berufungsverfahren. Soweit die Beschwerdeführerin die Rückerstattung von Geld an deren Tochter beantrage, sei sie persönlich nicht beschwert und auf die Berufung könne diesbezüglich nicht eingetreten werden (angefochtenes Urteil, E. 4 S. 3). Es fehle der Beschwerdeführerin an der Legitimation, soweit sie geltend mache, beim beschlagnahmten Betrag von Fr. 18'900.-- handle es sich teilweise um Geld, das im Eigentum deren Tochter stehe. Durch Verrechnung mit Geld der Tochter würde dieser und nicht der Beschwerdeführerin ein Nachteil entstehen. Selbst wenn die Frage des Dritteigentums überprüft werden könne, sei das betroffene Konto auf den Namen der Beschwerdeführerin geführt worden. Dabei handle es sich, wie die erste Instanz zutreffend ausgeführt habe, um Geld im Eigentum der Beschwerdeführerin. Soweit sich auf diesem Konto Geld befunden habe, das ursprünglich Einkommen der Tochter gewesen sei, so verfüge diese allenfalls über einen obligatorischen Zahlungsanspruch gegenüber der Beschwerdeführerin. Dieser Umstand sei für die Strafbehörden bei der Vornahme einer Verrechnung jedoch nicht von Relevanz (angefochtenes Urteil, E. 10.1 S. 5).
Die Beschwerdeführerin verkenne, dass die Prüfung der Voraussetzungen der Beschlagnahme nicht in die Zuständigkeit der ersten Instanz gefallen sei. Die Beschlagnahme sei durch die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 6. Januar 2017 entschieden worden. Sei die Beschwerdeführerin der Ansicht gewesen, die Beschlagnahme sei unzulässig, so hätte sie das in dieser Verfügung genannte Rechtsmittel der Beschwerde ergreifen können, was sie jedoch unterlassen habe. Das Gesetz sehe keine doppelte Überprüfung der Beschlagnahmevoraussetzungen vor. Die Vorinstanz könne nicht auf die Beschlagnahmeverfügung zurückkommen. Sie sei lediglich befugt, über die Verwendung der beschlagnahmten Vermögenswerte zur Kostendeckung resp. über deren Verrechnung zu entscheiden.
Für die Verrechnung bestünden, so die Vorinstanz weiter, keine besonderen Voraussetzungen. Sie dürfe jedoch nicht unverhältnismässig sein. Die Beschwerdeführerin und ihre Tochter verfügten gemäss Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Polizei über ein monatliches Einkommen von insgesamt Fr. 6'208.--. Ihre Existenz sei deshalb ohne das beschlagnahmte Geld gesichert. Im Übrigen verfüge die Beschwerdeführerin über zahlreiche Verlustscheine, weshalb eine Verrechnung für die Durchsetzung der staatlichen Forderung förderlich sei. Sie sei gesetzlich vorgesehen, entspreche dem öffentlichen Interesse und sei dazu geeignet, die Geldforderungen mit sofortiger Wirkung durchzusetzen. Ein milderes Mittel sei nicht vorhanden. Bei einer normalen Vollstreckung durch Betreibung sei kaum ein Erfolg zu erwarten. Es sei der Beschwerdeführerin sodann zumutbar, ohne die Rückzahlung der beschlagnahmten Vermögenswerte auszukommen. Sie würde sich auch ohne Verrechnung mit den Forderungen aus Verfahrenskosten konfrontiert sehen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit bleibe daher gewahrt und die Verrechnung sei zulässig (angefochtenes Urteil, E. 10.2.2 S. 6 f.).
1.2. Die Beschwerdeführerin trägt vor, die Vorinstanz habe, indem sie ihr die Legitimation zur Geltendmachung der Rückerstattung der Fr. 18'900.-- abgesprochen habe, Art. 368 (recte: 268) Abs. 2 StPO und Art. 382 StPO verletzt. Die Beschlagnahme von Fr. 18'900.-- gefährde ihre wirtschaftliche Existenz. Der zulässige Umfang der Kostendeckungsbeschlagnahme hänge von den Verhältnissen des Einzelfalles ab. Sie sei eine gesundheitlich angeschlagene Rentnerin, die über bescheidene Einkommensverhältnisse verfüge und verschuldet sei. Seit der Beschlagnahme von Fr. 18'900.-- vom Konto Nr. xxx könne sie ihren angemessenen Unterhalt nicht mehr bestreiten.
1.3. Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson können u.a. beschlagnahmt werden, wenn sie voraussichtlich zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen gebraucht werden (vgl. Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO). Die Strafbehörde nimmt bei der Beschlagnahme zur Kostendeckung auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der beschuldigten Person und ihrer Familie Rücksicht (Art. 268 Abs. 2 StPO). Von der Beschlagnahme ausgenommen sind Vermögenswerte, die nach den Artikeln 92-94 SchKG nicht pfändbar sind (Art. 268 Abs. 3 StPO).
Die Strafbehörden können ihre Forderungen aus Verfahrenskosten mit Entschädigungsansprüchen der zahlungspflichtigen Partei aus dem gleichen Strafverfahren sowie mit beschlagnahmten Vermögenswerten verrechnen (Art. 442 Abs. 4 StPO).
1.4. Die Auffassung der Vorinstanz, laut welcher mit anderen Worten die von der Beschwerdeführerin unangefochten gebliebene Anordnung der Beschlagnahme nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist und lediglich noch über die Verwendung der entsprechenden Vermögenswerte entschieden werden kann (vgl. E. 1.1 hiervor), ist nicht zu beanstanden. Gegen die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft wäre der Beschwerdeführerin die Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz offen gestanden (vgl. Art. 393 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 20 Abs. 1 lit. b StPO). Die Beschlagnahmeverfügung vom 6. Januar 2017 war mit einer korrekten Rechtsmittelbelehrung versehen (vgl. kant. Akten, act. 856). Anhaltspunkte für eine Unrechtmässigkeit der Beschlagnahme nach Rechtskraft der Verfügung vom 6. Januar 2017 bestehen überdies keine. Die Beschwerdeführerin wendet zur unterlassenen Erhebung einer kantonalen Beschwerde denn auch lediglich ein, eine solche sei aufgrund undurchsichtiger "Eigentumsverhältnisse" unmöglich gewesen (vgl. dazu E. 2 hiernach).
Die Beschwerdeführerin zeigt alsdann nicht auf, weshalb die Beschlagnahme und die Verwendung der beschlagnahmten Vermögenswerte zur Verrechnung durch die Vorinstanz bundesrechtswidrig sein soll. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz begründet die Zulässigkeit der Verrechnung ausführlich und zutreffend. Soweit die Beschwerdeführerin implizit rügt, die Verrechnung gefährde ihre wirtschaftliche Existenz, ohne eine Willkürrüge zu erheben, ist auf die Beschwerde nicht einzugehen (vgl. Art. 105 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG). Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin steht die Verrechnung ihrem angemessenen Unterhalt ohnedem nicht entgegen. Das Einkommen der Beschwerdeführerin ist zwar bescheiden, doch bleibt die Existenz gesichert. Nichts anderes ergibt sich aus ihrem vor Bundesgericht nachträglich begründeten Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und dessen Beilagen. Ferner ist auf die Erwägungen der ersten Instanz hinzuweisen, worauf die Vorinstanz verweist, und wonach davon auszugehen sei, dass es sich beim beschlagnahmten Betrag von Fr. 18'900.- um Sparguthaben handle, welches die Beschwerdeführerin habe erzielen können und welches diese als ihr Eigentum beansprucht. Auch daraus ergibt sich eine fehlende Existenzbedrohung. Konkrete Auswirkungen ihrer geltend gemachten und nicht näher bezeichneten und begründeten gesundheitlichen Beschwerden legt die Beschwerdeführerin ebenso wenig dar.
Die Beschwerdeführerin bezieht sich in der Beschwerdebegründung im Weiteren lediglich auf den vom Konto Nr. xxx beschlagnahmten Betrag von Fr. 18'900.--. Mit der Frage der Zulässigkeit der Verrechnung, soweit diese den Betrag von Fr. 18'900.-- übersteigt, setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Diesbezüglich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt sodann eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und bringt vor, sie sei legitimiert, die Rückerstattung des Betrags auf dem auf sie lautenden Konto Nr. xxx in ihrem Eigentum zu verlangen. Die Vorinstanz habe nicht berücksichtigt, dass eine Anfechtung der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 6. Januar 2017 aufgrund damals undurchsichtiger Verhältnisse unmöglich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zunächst davon ausgegangen, die Renten ihrer Tochter, welche auf das Konto Nr. xxx überwiesen worden seien, stünden weiterhin im Eigentum ihrer Tochter und sie, die Beschwerdeführerin, sei folglich nicht berechtigt, Ansprüche betreffend dieses Geld im Rahmen einer Anfechtung der Beschlagnahmeverfügung geltend zu machen. Erst durch die von den Vorinstanzen vorgenommene rechtliche Zuordnung der Fr. 18'900.-- zu Eigentum der Beschwerdeführerin habe sich die Legitimation ergeben.
2.2. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass die Vorinstanz ihr die Legitimation lediglich abspricht, soweit Erstere im kantonalen Verfahren noch eine Rückerstattung von Geld an deren Tochter beantragte. Ihrer Beschwerde an das Bundesgericht ist kein entsprechender Antrag zu entnehmen. Mit der materiellen Prüfung der Zulässigkeit der Verrechnung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten mit dem vom Konto Nr. xxx beschlagnahmten Betrag von Fr. 18'900.-- erachtet die Vorinstanz die Legitimation der Beschwerdeführerin, soweit diese Leistung an sich selbst beantragt, entgegen deren Einwand als gegeben. Ohnehin ist die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht stichhaltig. Zwar sind die Erwägungen der Vorinstanzen - wie auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin - unzutreffend, soweit sie von Eigentum am verrechneten Betrag von Fr. 18'900.-- ausgehen. Es kann mangels Sache kein Eigentum an einem Kontoguthaben geben (vgl. Art. 641 Abs. 1 ZGB). Korrekterweise wäre von einer schuldrechtlichen Forderung auszugehen gewesen. Am nicht zu beanstandenden Ergebnis des vorinstanzlichen Entscheids ändert dies jedoch nichts. Es liegt in der eigenen Verantwortung der Beschwerdeführerin, zu erkennen, ob sie an den von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Vermögenswerten berechtigt war. Das Vorhandensein einer Gewissheit über diese Berechtigung ändert an ihrer Beschwerdelegitimation nichts. Es war der Beschwerdeführerin unbenommen, trotz ihrer behaupteten Unsicherheit an der Berechtigung des Saldos des auf ihren Namen lautenden Kontos, Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft zu erheben.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. September 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Weber