BGer 1B_201/2019
 
BGer 1B_201/2019 vom 12.09.2019
 
1B_201/2019
 
Urteil vom 12. September 2019
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Verantwortliche der Genossame Tuggen,
2. Verantwortliche der Gemeinde Tuggen,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Pfister,
3. Verantwortliche des Umweltdepartements
des Kantons Schwyz,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft March.
Gegenstand
Innerkantonale Zuständigkeit,
Beschwerde gegen die Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz
vom 7. Februar 2019 (ZUO 2019 1 CC).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.A.________ und B.A.________ reichten am 10. Oktober 2018 Strafanzeige gegen die C.________ AG sowie diverse Behördenmitglieder der Gemeinde Tuggen, des Umweltdepartements des Kantons Schwyz sowie gegen die Verantwortlichen der Genossame Tuggen wegen Widerhandlungen gegen das Gewässerschutzgesetz sowie ungetreuer Amtsführung ein.
Die Kantonspolizei Schwyz orientierte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz mit Schreiben vom 1. Februar 2019 über die Strafanzeige von A.A.________ und B.A.________ und ersuchte um Mitteilung bezüglich des weiteren Vorgehens, insbesondere um die Einsetzung eines Staatsanwalts in der Sache.
Mit Verfügung vom 7. Februar 2019 erklärte die Oberstaatsanwaltschaft die Staatsanwaltschaft March zur Führung der Strafuntersuchung gegen die Verantwortlichen der Genossame Tuggen, der Gemeinde Tuggen und des Umweltdepartements des Kantons Schwyz als zuständig.
 
B.
Mit Eingabe vom 30. April 2019 führen A.A.________ und B.A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragen, die Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft betreffend die innerkantonale Zuständigkeit abweichend vom ordentlichen Gerichtsstand sei aufzuheben. Weiter sei die Strafuntersuchung an eine unbefangene ausserkantonale Staatsanwaltschaft zu übertragen.
Die Gemeinde Tuggen verzichtet auf eine Stellungnahme. Die Genossame Tuggen sowie das Umweltdepartement liessen sich nicht vernehmen. Die Oberstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführer halten an ihren Anträgen fest, machen aber geltend, ihr Beschwerdeantrag 2 sei nicht als Ausstandsbegehren zu verstehen.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid über die innerkantonale Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörde (Art. 92 Abs. 1 BGG). Insoweit liegt ein Zwischenentscheid vor, der später nicht mehr angefochten werden kann (Art. 92 Abs. 2 BGG), auch wenn es um eine kantonale Zuständigkeit geht (vgl. Urteil 5A_703/2017 vom 26. Februar 2018 E. 1.2 mit Hinweis). Sodann sind die Beschwerdeführer gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Auf das Rechtsmittel ist daher grundsätzlich einzutreten.
1.2. Nicht einzutreten ist demgegenüber auf die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführer weitere Begehren bzw. Beanstandungen (u.a. im Zusammenhang mit den angeblichen Gewässerschutz- bzw. Amtspflichtverletzungen sowie dem "Schwyzer Justizfilz") geltend machen. Streitgegenstand ist vorliegend einzig die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft March zur Führung der Strafuntersuchung gegen die angezeigten Verantwortlichen.
 
2.
2.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, in der angefochtenen Verfügung seien weder alle Beschuldigten aufgeführt - es würden insbesondere die Verantwortlichen der C.________ AG als Beschuldigte fehlen - noch seien beide Anzeigeerstatter erwähnt. Weiter sei auch der Inhalt der Anzeige ungenügend zusammengefasst worden. Dies zeige sich daran, dass zum einen der Zeitraum der angezeigten Straftaten fälschlicherweise auf die Jahre 2011 und 2012 reduziert und zum anderen der Umfang der angezeigten Straftaten höchst unvollständig und damit rein willkürlich wiedergegeben worden sei. Zusammengefasst beruhe die Verfügung auf "entscheidrelevant fehlerhaften und fehlenden Umschreibungen des angezeigten Straftatbestands".
2.2. Rügen betreffend die Sachverhaltsdarstellung bzw. Auslassungen sind nur insoweit beachtlich, als sie für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist bei den vorliegenden Bemängelungen der Beschwerdeführer nicht der Fall. Der Sachverhalt musste in der angefochtenen Verfügung, in welcher es einzig darum ging, die zuständige Staatsanwaltschaft in der vorliegenden Strafuntersuchung zu bezeichnen, nicht vollständig wiedergegeben werden. Es ist ausreichend, wenn die Vorinstanz den Sachverhalt nur insoweit dargestellt hat, als er zur Erklärung der erfolgten Bezeichnung nötig bzw. dienlich war. Schliesslich hat die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zu Recht ausgeführt, dass die den Verantwortlichen der C.________ AG vorgeworfenen Straftatbestände zwangsläufig in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft March fallen würden, weshalb eine ausdrückliche Einsetzung zu unterbleiben gehabt habe. Im Übrigen wäre aber ohnehin keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz ersichtlich bzw. substanziiert dargetan (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255 mit Hinweis). Dem ist nichts beizufügen.
 
3.
Soweit die Beschwerdeführer weiter beantragen, die Strafuntersuchung sei von einer ausserkantonalen Staatsanwaltschaft zu führen, kann ihnen ebenso wenig gefolgt werden. Ein Grund zur Bezeichnung einer ausserkantonalen Staatsanwaltschaft bestünde nur, wenn die Untersuchung durch die kantonalen Organe wegen Befangenheit ausser Betracht fallen würde. Die Beschwerdeführer machen vorliegend jedoch ausdrücklich nicht geltend, die beteiligten Strafverfolgungsbehörden seien verpflichtet worden, in den Ausstand zu treten. Stattdessen stellen sie in ihrer Vernehmlassung klar, ihr Antrag, wonach die Strafuntersuchung an eine unbefangene ausserkantonale Staatsanwaltschaft zu übertragen sei, sei nicht als Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 56 ff. StPO zu verstehen.
 
4.
Die Beschwerdeführer wenden sich sodann gegen die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft March zur Führung der Strafuntersuchung gegen die von ihnen angezeigten Personen.
4.1. Gemäss Art. 31 Abs. 1 StPO sind für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Nach Art. 38 Abs. 1 StPO können die Staatsanwaltschaften untereinander jedoch einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen (vgl. auch § 48 lit. a des Justizgesetzes des Kantons Schwyz vom 18. November 2009 [JG; SRSZ 231.110]).
4.2. Solche triftigen Gründe, die ausnahmsweise für eine andere als die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeit sprechen, hat die Vorinstanz vorliegend angenommen. Sie erwog, die Führung der Strafuntersuchung betreffend die angeblichen Verletzungen des Gewässerschutzrechts sowie die in diesem Zusammenhang angezeigte ungetreue Amtsführung erfordere vor allem Spezialwissen auf dem Gebiet des Gewässerschutzes. Die Bezirksstaatsanwaltschaften seien gemäss der Zuständigkeitsregelung des JG für solche Verfahren regelmässig zuständig (vgl. § 65 JG). Entsprechend würden sie auch über das erforderliche Fachwissen und den nötigen Erfahrungshintergrund verfügen, um die fraglichen Vorwürfe fachgerecht und effizient zu untersuchen. Es erweise sich deshalb als sachgerecht und zweckmässig, die Zuständigkeit ausnahmsweise abweichend von der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung festzulegen, gemäss welcher die vorliegende Strafuntersuchung durch die kantonale Staatsanwaltschaft zu führen wäre (§ 20 Abs. 1 lit. a JG i.V.m. § 56 Abs. 1 JG und § 65 Abs. 1 JG).
4.3. Dass die Vorinstanz die genannten Gründe als hinreichend erachtete, um eine andere als die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeit festzulegen, verstösst nicht gegen Bundesrecht (vgl. FINGERHUTH/LIEBER; Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 38 StPO; MOSER/SCHLAPBACH, in: Basler Kommentar, StPO/JSTPO, 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 38 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 38 StPO). Daran ändern die unbelegten Behauptungen der Beschwerdeführer nichts, wonach die Staatsanwaltschaft March mit aller Wahrscheinlichkeit weder über besondere Sachkenntnis verfüge, wenn es um die Abklärung "offizialdeliktischer Grundwasserschutzverletzungen" gehe noch über das erforderliche, einschlägige Fachwissen und einen Erfahrungshintergrund im Zusammenhang mit einer Strafuntersuchung gegen einen Regierungsrat bzw. einen Leiter eines kantonalen Amts.
Ebenfalls nicht zielführend ist diesbezüglich der Einwand der Beschwerdeführer, die ausserordentliche Zuweisung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft March sei auch insofern missbräuchlich, als die wesentlichen Elemente des Falles nicht nur - wie fälschlicherweise dargestellt - schwergewichtig Fragen betreffend das Gewässerschutzrecht beträfen, sondern auch den Straftatbestand der ungetreuen Amtsführung. Dem ist zu entgegnen, dass der Vorwurf der ungetreuen Amtsführung ebenso im Zusammenhang mit den geltend gemachten Verletzungen der Gewässerschutzvorschriften steht. Es leuchtet daher ein, wenn für die Zuständigkeit für solche Verletzungen die als am besten geeignete Staatsanwaltschaft bezeichnet wird.
Die Vorinstanz verweist weiter zu Recht darauf, dass die Zuständigkeit betreffend die den Verantwortlichen der C.________ AG im gleichen Sachzusammenhang vorgeworfenen Verstösse gegen das Gewässerschutzrecht gemäss § 20 JG ohnehin in die gesetzliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft March falle (vgl. E. 2.2 hiervor). Aus diesem Grund erscheint es als zweckmässig und verfahrensökonomisch, beide Strafuntersuchungen durch die gleiche Behörde führen zu lassen.
Nicht nachvollziehbar ist sodann der Vorwurf der Beschwerdeführer, die Oberstaatsanwaltschaft wolle durch die Zuweisung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft March die verlangte Strafuntersuchung gegenüber führenden Amtspersonen des Kantons Schwyz abwenden, da sie dank der ausserordentlichen Zuweisung zugunsten der angezeigten Mandatsträger und Funktionäre, zu denen sie offenbar selbst in Abhängigkeit stehe, Einfluss nehmen könne. Es ist nicht einsichtig, weshalb die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft March der Oberstaatsanwaltschaft mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Untersuchung eröffnen sollte, als wenn sie die Untersuchung selbst führt bzw. diese von der kantonalen Staatsanwaltschaft geführt würde. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Ausnahme gegenüber der gesetzlichen Regelung, wie von den Beschwerdeführern behauptet, vorliegend zu einer Verschlechterung der Glaubwürdigkeit der unbehinderten Strafuntersuchung führen soll.
Zusammenfassend handelt es sich, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer, bei den genannten Ausführungen der Vorinstanz nicht um eine "unbehelfliche Begründung" für die ausserordentliche Fallzuweisung an die Staatsanwaltschaft March, sondern um eine bundesrechtskonforme Auslegung von § 48 lit. a JG. Die Vorinstanz hat verständliche und hinreichende Gründe dargelegt, welche die Bezeichnung einer anderen als der gesetzlich vorgesehenen Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall nicht als bundesrechtswidrig erscheinen lassen.
 
5.
Schliesslich kann den Schwyzer Behörden auch keine Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 5 StPO) vorgeworfen werden. Die Vorinstanz hat nach Eingang der Meldung der Kantonspolizei vom 1. Februar 2019 bereits am 7. Februar 2019 ihren Zuständigkeitsentscheid gefällt. Diesen haben die Beschwerdeführer Mitte April 2019 zur Kenntnis genommen und mit Eingabe vom 30. April 2019 vor Bundesgericht angefochten. Verzögerungen von Bedeutung sind bei diesem Verfahrensgang keine erkennbar. Zudem versteht sich von selbst, dass die Untersuchung bis zur definitiven Klärung der Zuständigkeitsfrage nicht weiter vorangetrieben werden kann. Die Rüge erweist sich ebenfalls als unbegründet.
 
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft March und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. September 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier