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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_477/2019
Urteil vom 19. September 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden, Neue Steig 15, 9100 Herisau,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Zahner,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Rechtsverweigerung, Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 19. Februar 2019 (O3V 18 39).
Sachverhalt:
A.
A.________ meldete sich am 22. Juli 2013 unter Hinweis auf eine Sozialphobie, Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten, fehlerhaftes Arbeiten, die Unfähigkeit, sich von Stress zu erholen und ein lähmendes, überangepasstes Verhalten bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Ihr letztes Arbeitsverhältnis im Wohnheim B.________ hatte sie zuvor auf Ende November 2011 aufgelöst. Nachdem die IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden beruflich-erwerbliche und medizinische Abklärungen getroffen hatte, leistete sie eine Kostengutsprache für ein vom 16. März bis 9. Oktober 2015 dauerndes Aufbautraining in der Institution C.________. Gestützt auf deren Abschlussbericht vom 15. Oktober 2015, wonach die Versicherte 50 % Arbeitsleistung nicht erbringen könne oder wolle, und den Bericht der behandelnden Psychiaterin Dr. med. D.________ vom 16. November 2015, welche die Versicherte als vollständig arbeitsunfähig schätzte, schloss die IV-Stelle die beruflichen Eingliederungsmassnahmen ab (Mitteilung vom 18. Dezember 2015).
Mit Vorbescheid vom 9. September 2016 stellte die Verwaltung sodann die Verneinung eines Rentenanspruchs mangels festen Wohnsitzes und regelmässiger psychiatrischer Behandlung in Aussicht. Im Rahmen der dagegen erhobenen Einwände erachtete die RAD-Ärztin Dr. med. E.________ eine psychiatrische Abklärung als angezeigt. Die eingeholte Expertise des Dr. med. F.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Zentrum G.________, erging am 16. Mai 2017. Dieser erachtete A.________ wegen einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung meist mittleren bis schweren Ausmasses bezüglich jeder Tätigkeit als arbeitsunfähig. Dennoch besuchte die Versicherte im Jahr 2017 die vollzeitliche Fachausbildung zur Bäuerin (Urkunde des Amtes für Landwirtschaft und Natur der Baudirektion des Kantons Zürich vom 14. Juli 2017). Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 erteilte die IV-Stelle der Versicherten die Auflage, sich einer mindestens ein Jahr dauernden, regelmässigen psychiatrisch-therapeutischen Langzeittherapie zu unterziehen, wobei A.________ zu diesem Zeitpunkt in stationärer Therapie in der psychiatrischen Klinik H.________ war. Die Versicherte begann daraufhin eine ambulante wöchentliche psychiatrische Therapie (ohne Medikation) bei med. pract. I.________. In der Folge ersuchte der Rechtsvertreter des Sozialamtes J.________, das A.________ finanziell unterstützte, die IV-Stelle um Prüfung der Rentenfrage (Schreiben vom 20. Februar, 9. März und 26. April 2018). Die IV-Stelle hielt mit Schreiben vom 1. und 15. März sowie am 23. Mai 2018 daran fest, erst nach Abschluss aller zumutbaren und derzeit noch laufenden Behandlungen und Eingliederungsmassnahmen über den Anspruch auf Invalidenrente zu befinden.
B.
Die daraufhin von A.________ erhobene Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde hiess das Obergericht Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 19. Februar 2019 gut.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und festzustellen, dass keine Rechtsverzögerung oder -verweigerung vorliege. Ausserdem sei die Vorinstanz anzuweisen, die materielle Beurteilung der Rentenfrage offen zu lassen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei, sowie unentgeltliche Rechtspflege beantragen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen; Urteil 9C_908/2017 vom 22. Oktober 2018 E. 2).
2.
2.1. Anfechtungsgegenstand bildet ein auf Gutheissung lautender kantonaler Entscheid über eine Rechtsverweigerungs-/-verzögerungsbeschwerde. Im Ergebnis wurde damit die Angelegenheit an die Beschwerdeführerin zurückgewiesen und diese angewiesen, hinsichtlich des Anspruchs auf Invalidenrente eine Verfügung zu erlassen. Das Verfahren wird folglich nicht abgeschlossen, sodass es sich dabei um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG handelt (BGE 141 V 330 E. 1.1 S. 332; 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f. und E. 5.1 S. 482 f., 645 E. 2.1 S. 647; Urteile 8C_748/2016 vom 29. November 2016; 9C_138/2014 vom 12. März 2014 und 9C_33/2018 vom 6. Dezember 2018).
2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit grundsätzlich nur zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Ein Zwischenentscheid bleibt im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_33/2018 vom 6. Dezember 2018 E. 2).
2.3. Die Beschwerdeführerin äussert sich zu den Eintretensvoraussetzungen nach Art. 93 BGG nicht.
Der Eintretensgrund von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. Ein Rückweisungsentscheid kann sodann in jenen Fällen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), in denen er materiellrechtliche Anordnungen beinhaltet, welche den Beurteilungsspielraum des Versicherungsträgers wesentlich einschränken, ohne dass dieser die seines Erachtens rechtswidrige neue Verfügung selber anfechten könnte (BGE 141 V 330 E. 1.2 S. 332; 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.; Urteil 9C_171/2012 vom 23. Mai 2012 E. 3.3.1, in: SVR 2012 AHV Nr. 15 S. 55). Dies trifft vorliegend nicht zu. Mit der Gutheissung der Rechtsverweigerungs-/-verzögerungsbeschwerde im Dispositiv enthält der vorinstanzliche Zwischenentscheid einzig die Anweisung zum Erlass einer Verfügung über die Rentenfrage. Die Beschwerdeführerin bindende materielle Vorgaben sind mit dieser Verpflichtung, über den Rentenanspruch zu verfügen, nicht verknüpft, wie sich aus den nachfolgenden Darlegungen ergibt:
2.4. Grundsätzlich ist nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides anfechtbar. Verweist das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil (Urteile 8C_743/2018 vom 27. Mai 2019 E.1.2; 8C_728/2018 vom 12. Februar 2019 E. 1.2; 8C_608/2018 vom 11. Februar 2019 E. 1.2 u.a.m.).
Soweit sich die Beschwerde gegen den in den Erwägungen bejahten Anspruch auf Invalidenrente richtet, binden diese Erwägungen die IV-Stelle demnach nicht. Zum einen ist es im Rahmen eines Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsprozesses nicht Sache des kantonalen Gerichts, materiell zu entscheiden, wie die Beschwerdeführerin zutreffend festhält (SVR 2005 IV Nr. 26 S. 101, Urteil I 328/03). Daher liegt die vorinstanzliche Erwägung 3.3 insoweit ausserhalb des Streitgegenstandes, als darin der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente seit Januar 2014 bejaht wird, weshalb die Zusprechung einer (ganzen) Invalidenrente durch das kantonale Gericht bereits deshalb nicht verbindlich ist (vgl. BGE 113 V 195; 140 I 114 E. 2.4.2 und E. 2.4.3 S. 120; Urteil 8C_272/2011 vom 11. November 2011 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 137 I 327, aber in: SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107). Zum andern nimmt vorliegend nur das Dispositiv des Entscheids an der (formellen) Rechtskraft teil; bei den Erwägungen ist dies - mangels Verweises darauf im Dispositiv - nicht der Fall.
2.5. Die vorinstanzliche Feststellung, eine weitere Verzögerung des Rentenentscheids durch die erneute Auflage zur ambulanten Therapie sei nicht (mehr) gerechtfertigt, sowie die damit verbundene Anweisung zur Anhandnahme der Rentenfrage, enthält somit keinerlei Vorgaben über den materiellen Rentenanspruch an sich. Der Beurteilungsspielraum der IV-Stelle wird dadurch nicht eingeschränkt. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ist daher in der vorliegenden Konstellation zu verneinen. Zu bemerken ist, dass mögliche und zumutbare Therapieoptionen einem allfälligen Anspruch auf Rente nicht entgegenstehen, sondern im Zusammenhang mit der Schadenminderungspflicht (Art. 7 und 7b Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 21 Abs. 4 ATSG) zu beachten sind. Zudem bleibt es der IV-Stelle im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes unbenommen, zusätzliche Abklärungen zu treffen, sofern sie dies für die Beurteilung des Leistungsanspruchs als notwendig erachtet. Die Beschwerde ist unzulässig.
3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird ihr Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. September 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Polla