BGer 9C_506/2019 |
BGer 9C_506/2019 vom 15.10.2019 |
9C_506/2019 |
Urteil vom 15. Oktober 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiber R. Widmer.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch CAP Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 2019 (IV.2018.00144).
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Sachverhalt: |
A. Die IV-Stelle des Kantons Zürich erteilte dem 1970 geborenen A.________ am 9. Oktober 2008 erstmals Kostengutsprache für zwei Hörgeräte. Am 18. Januar 2017 ersuchte der Versicherte um eine Hörgerätenachversorgung. In seiner Expertise vom 30. Januar 2017 erachtete Dr. med. B.________, Facharzt für Oto-Rhino-Laryngologie, die Voraussetzungen für eine binaurale Versorgung als erfüllt, worauf die IV-Stelle A.________ gemäss Mitteilung vom 3. Februar 2017 Kostengutsprache für eine binaurale Hörgeräteversorgung im Betrag von Fr. 1650.- erteilte. Am 16. März 2017 liess der Versicherte ein Gesuch um Prüfung der Härtefallregelung einreichen. Die IV-Stelle beauftragte die Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie (ORL-Klinik) des Spitals C.________ mit der Erstattung eines Härtefallgutachtens (vom 2. Oktober 2017). Mit Verfügung vom 5. Januar 2018 lehnte die IV-Stelle es ab, die Mehrkosten für Hörgeräteversorung zu vergüten, weil die Kriterien für eine Kostenübernahme im Rahmen der Härtefallregelung nicht erfüllt seien.
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B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ hatte beantragen lassen, unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei die IV-Stelle zu verpflichten, die Mehrkosten der Hörgeräteversorgung zu übernehmen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Juni 2019 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei ein medizinisches Gerichtsgutachten zu den Auswirkungen der Höreinschränkung am Arbeitsplatz und in der Tätigkeit bei der Feuerwehr anzuordnen.
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Erwägungen: |
1. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Abgabe von Hörgeräten bei Schwerhörigkeit durch die Invalidenversicherung im Allgemeinen (Art. 21 Abs. 1 und 2 IVG; Art. 14 IVV; Art. 2 Abs. 1 und 2 HVI; Ziff. 5.07 HVI-Anhang) und bei Vorliegen eines Härtefalls (Ziff. 5.07.2* HVI-Anhang) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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2. Entsprechend der ihm in Ziff. 5.07.2* HVI-Anhang eingeräumten Befugnis, die Härtefälle, das heisst die Übernahme der Mehrkosten über den Pauschalbetrag, zu regeln, erliess das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) Rz. 2053* das Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (KHMI in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung). Eine Bejahung der Härtefallregelung bedeutet, dass die invaliditätsbedingten Mehrkosten der Hörgeräteversorgung über den Pauschalbetrag, aber immer noch im Rahmen einer einfachen und zweckmässigen Versorgung, durch die Invalidenversicherung übernommen werden können. In zwei IV-Rundschreiben Nr. 304 vom 23. Dezember 2011 und Nr. 342 vom 14. Dezember 2015 hat das BSV ferner die für die Beurteilung eines Härtefalles massgeblichen audiologisch-medizinischen Kriterien aufgelistet, die zusammen mit den HMO-Kliniken ausgearbeitet wurden, welche die versicherten Personen untersuchen.
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3. |
3.1. Unter Berufung auf das Urteil 9C_114/2018 vom 19. Juli 2018 hielt die Vorinstanz fest, die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien nicht erfüllt, da die prüfende ORL-Klinik die Kriterien für die Bejahung eines Härtefalles verneint habe. Eine Abweichung von der Beurteilung der Experten sei nicht gerechtfertigt. Den Ärzten des Spitals C.________ seien bei der Begutachtung sämtliche Unterlagen bekannt gewesen. Mit der Prüfung durch die Fachmediziner des Spitals C.________ sei die rechtsprechungsgemäss erforderliche Objektivität gewährleistet.
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3.2. In der Beschwerde wird hiegegen vorgebracht, laut Urteil 9C_75/2015 vom 11. Mai 2015 E. 3 sei bezüglich aller invaliditätsspezifisch definierten Leistungsansprüche darauf abgestellt worden, wie sich die gesundheitliche Beeinträchtigung in der konkreten beruflich-erwerblichen Situation auswirkt. Im Urteil 9C_114/2018 vom 19. Juli 2018 sei demgegenüber für die Härtefallprüfung die Beurteilung der ORL-Klinik als massgebend erklärt worden. Werde für die Beurteilung, ob ein Härtefall vorliegt, allein auf solche formalen Kriterien abgestellt, hätte dies eine rechtsungleiche Anwendung der Härtefallregelung zur Folge. Die Hörbehinderung wirke sich je nach Beruf unterschiedlich aus. So sei es für den Beschwerdeführer lebenswichtig, dass er in seinem Beruf als Baumaschinenmechaniker neben lärmigen Maschinen Warnrufe erkenne. Im vorliegenden Fall habe die ORL-Klinik aus medizinischer Sicht den invaliditätsbedingten Eingliederungsbedarf bestätigt, obwohl die formalen Voraussetzungen des Härtefalles nicht vollständig erfüllt sind. Es sei nicht zulässig, dass sich die IV-Stelle über die Gesamtbetrachtung durch die ORL-Klinik hinwegsetze und isoliert auf die formalen Voraussetzungen abstelle. Ohne die beantragte Hörgeräteversorgung wäre der Versicherte nicht mehr in der Lage, seinen angestammten Beruf auszuüben.
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3.3. In SVR 2019 IV Nr. 5 S. 15 (9C_114/2018) hat das Bundesgericht in Bezug auf die Härtefallkriterien dargelegt, dass die vom BSV in Rz. 2053*, 2055* und 2056* getroffene Regelung im Dienste rechtsgleicher Gesetzesanwendung stehe und hat die Härtefallregelung als gesetzeskonform erachtet. In einem neuesten Urteil 9C_316/2019 vom 7. Oktober 2019 hat das Gericht sodann mit Bezug auf eine vorzeitige Auszahlung des alle sechs Jahre vergüteten Pauschalbetrages für die Hörgeräte die entsprechenden Verwaltungsweisungen (Rz. 2048 KHMI; Ziff. 4.2 der Richtlinien des BSV für ORL-Expertenärzte zum Abklärungsauftrag zur Vergütung von Hörgeräten durch die Sozialversicherungen IV und AHV) als gesetzmässig erachtet. Wie bei der fachärztlichen Beurteilung des Härtefalles liege ein objektives, audiologisch messbares Kriterium vor, von welchem auszugehen sei. Diese Urteile zeigen mit aller Deutlichkeit, dass für die Härtefallprüfung in umfassender Weise mit Blick auf die rechtsgleiche Behandlung der Versicherten auf die medizinisch-audiologischen Messungen abzustellen ist.
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3.4. Die beschwerdeweise vorgebrachten Argumente vermögen daran nichts zu ändern. Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Urteil 9C_75/2015 vom 11. Mai 2015 beruft, kann daran nicht festgehalten werden (vgl. SVR 2019 IV Nr. 5 S. 15, 9C_114/2018). Dass das Abstellen auf formale Kriterien, das heisst audiologische Messwerte, nicht jedem Einzelfall gerecht wird, mag zutreffen. Würde jedoch sämtlichen Aspekten, die nebst dem Hörverlust eine Rolle bei der Hörgeräteversorgung spielen, wie dem Umgebungslärm bei der Arbeit, Rechnung getragen, liesse sich keine rechtsgleiche Behandlung der versicherten Personen erreichen. Denn dabei gäbe letztlich nicht mehr der Verlust an Hörvermögen den Ausschlag, sondern die individuelle persönliche und berufliche Situation der versicherten Person. Damit wären verschiedene Abklärungen in persönlicher und beruflicher Hinsicht erforderlich, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würden, da dem subjektiven Empfinden der hörbehinderten Person, namentlich bei der Wahrnehmung von Lärm und störenden Geräuschen, wie sie z.B. in einem Gewerbebetrieb auftreten, im Vergleich zu den audiologischen Messungen zu grosse Bedeutung zukäme. Der Umstand, dass der Härtefallgutachter des Spitals C.________ die Versorgung mit leistungsstarken Hörgeräten unter Hinweis auf die Arbeitsplatzsituation als indiziert angesehen hat, obwohl die formalen Härtefallkriterien nicht erfüllt sind, ist nicht ausschlaggebend, sondern deutet darauf hin, dass der Einbezug subjektiv unterschiedlich empfundener Komponenten wie störende Geräusche und Umgebungslärm dem begutachtenden Audiologen einen erheblichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum verschafft, welcher mit dem Gebot rechtsgleicher Behandlung der Versicherten kaum mehr zu vereinbaren wäre. Abschliessend ist nochmals zu betonen, dass die Ärzte des Spitals C.________ in Kenntnis des beruflichen Anforderungsprofils des Beschwerdeführers explizit erklärt haben, die Kriterien für eine Kostenübernahme im Rahmen der Härtefallregelung seien formal nicht erfüllt.
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3.5. Der Eventualantrag auf Anordnung eines medizinischen Gerichtsgutachtens unter Prüfung der Auswirkungen der Höreinschränkung am Arbeitsplatz und bei der Tätigkeit in der Feuerwehr ist unbegründet. Wie dargelegt, beurteilt sich das Vorliegen eines Härtefalles anhand der medizinisch-audiologischen Kriterien, wogegen zusätzliche Elemente nicht in die Prüfung miteinzubeziehen sind.
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4. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
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1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 15. Oktober 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Widmer
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