Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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2C_881/2019
Urteil vom 23. Oktober 2019
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiberin Mayhall.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Donato Del Duca,
gegen
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. September 2019 (WBE.2019.82).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (Jahrgang 1983) ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21. Juli 1994 im Alter von elf Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein, woraufhin ihm am 27. September 1994 eine Aufenthaltsbewilligung und am 5. Oktober 2000 eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde. Zwischen 2002 und 2010 wurde A.________ wegen Nichttragens des Sicherheitsgurtes, grober Verletzung von Verkehrsregeln, Inverkehrbringens eines Fahrzeugs in nicht vorschriftsgemässem Zustand sowie Widerhandlungen gegen die Verordnung vom 19. Juni 1995 über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und -führerinnen (Chauffeurverordnung, ARV 1; SR 822.221) zu Bussen von insgesamt Fr. 1'530.-- verurteilt. Am 6. Januar 2011 verurteilte ihn die Staatsanwaltschaft Baden wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 1'000.--. Mit Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 1. November 2011 wurde A.________ wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.
Am 30. Dezember 2011 heiratete A.________ in seinem Heimatstaat eine kosovarische Staatsangehörige, die ihm am 8. Februar 2013 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz folgte.
Mit Urteil vom 21. April 2015 bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 18. September 2013, mit welchem A.________ wegen Hehlerei und mehrfacher Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt wurde, teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Baden vom 6. Januar 2011 und zum Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 1. November 2011.
Am 2. Juni 2015 wurde A.________ wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmG; SR 812.121) zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt, wobei die ausgestandene Untersuchungshaft bzw. Sicherheitshaft von 623 Tagen auf die Freiheitsstrafe angerechnet wurde. Des Weiteren wurde der mit Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 1. November 2011 für die Geldstrafe von 75 Tagessätzen gewährte bedingte Strafvollzug widerrufen. Am 16. Januar 2018 wurde A.________ bedingt aus dem Strafvollzug entlassen.
1.2. Mit Verfügung vom 24. September 2018 widerrief das Amt für Migration und Integration Kanton Aargau die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn unter Ansetzung einer 90-tägigen Ausreisefrist aus der Schweiz weg. Mit Entscheid vom 28. Januar 2019 wies das kantonale Migrationsamt die von A.________ gegen die Verfügung vom 24. September 2018 erhobene Einsprache ab. Am 4. September 2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die von A.________ gegen den Einspracheentscheid vom 28. Januar 2019 geführte Beschwerde ab.
1.3. Mit Beschwerde vom 17. Oktober 2019 an das Bundesgericht beantragt A.________, der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 4. September 2019 sei aufzuheben und es sei seine Niederlassungsbewilligung nicht zu widerrufen. Eventualiter sei er ausländerrechtlich zu verwarnen, subeventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.
2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. Oktober 2019, mit der die Aufhebung des Urteils des kantonalen Verwaltungsgerichts vom 4. September 2019 beantragt wird, und die sich gegen die Wegweisung nur als Folge des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung richtet, ist zwar zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2
e contrario BGG), aber offensichtlich unbegründet (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG), weshalb sie mit summarischer Begründung und unter Verweis auf das angefochtene Urteil (Art. 109 Abs. 3 BGG) abgewiesen wird.
2.1. Der Beschwerdeführer hat zwar einen Anspruch auf Fortbestand seiner Niederlassungsbewilligung, doch erlischt dieser, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20; Fassung gemäss Ziffer IV 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 2015 [Änderung des Sanktionenrechts], in Kraft seit 1. Januar 2018 [AS 2016 1249]) vorliegen. Mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren ist der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a AIG in Verbindung Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG (Fassung gemäss Ziff. IV 3 des BG vom 19. Juni 2015 [Änderung des Sanktionenrechts], in Kraft seit 1. Januar 2018 [AS 2016 1249]) (längerfristige Freiheitsstrafe) erfüllt (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 f.), was der Beschwerdeführer nicht ernsthaft bestreitet.
2.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung muss zudem verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; 8 Ziff. 2 EMRK; Art. 96 AIG [in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]). Massgebliche Kriterien sind grundsätzlich die Schwere des Delikts, wobei besonders ins Gewicht fällt, ob diese Taten als Jugendlicher oder als Erwachsener begangen wurden und ob es sich dabei um Gewaltdelikte handelte, das Verschulden des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum und das Verhalten des Betroffenen während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Heimatstaat, die Dauer der bisherigen Anwesenheit, die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile, insbesondere unter gesundheitlichen Aspekten, sowie die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der Fernhaltung (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). Generalpräventive Gesichtspunkte dürfen berücksichtigt werden, sofern die ausländische Person vom Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) ausgenommen ist (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; je zum FZA). Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der staatlichen Anordnung des Widerrufs (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AIG) entspricht inhaltlich jener, welche bei eröffnetem Schutzbereich für die rechtmässige Einschränkung der konventionsrechtlichen Garantie gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorausgesetzt wird (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). In Übereinstimmung mit der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) stuft das Bundesgericht Drogendelikte aus rein finanziellen Motiven als schwere Straftaten und das damit verbundene öffentliche Interesse an einer Wegweisung des Straftäters als hoch ein (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34; Urteile des EGMR
Balogun gegen Grossbritannien vom 10. April 2012, Nr. 60286/09, § 49, mit weiteren Hinweisen;
Amrollahi gegen Dänemark vom 11. Oktober 2002, Nr. 56811/00, § 37). Bei Betäubungsmitteldelikten (ohne Konsum) überwiegt, falls keine besonderen persönlichen oder familiären Bindungen im Aufenthaltsstaat bestehen, regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts; ist die betroffene Person ledig und kinderlos, setzt sich selbst bei ausländischen Angehörigen der zweiten Generation tendenziell das öffentliche Fernhalteinteresse durch, sofern das Strafmass drei Jahre Freiheitsstrafe erreicht oder wesentliche weitere Delikte hinzukommen (BGE 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20). Bei kürzerer Aufenthaltsdauer und Verurteilungen zu Freiheitsstrafen in dieser Grössenordnung für Betäubungsmitteldelikte hat das Bundesgericht den Bewilligungswiderruf auch dann geschützt, wenn der betroffene Ausländer in der Schweiz Ehefrau und Kinder hatte (vgl. ausführlich BGE 139 I 16 E. 2.2.3 S. 21 f.; Urteil 2C_519/2014 vom 15. Januar 2015 E. 3). Auch unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls (vgl. BGE 137 I 247 E. 4.2.1 S. 250) betrifft das Urteil über die Beendigung des Aufenthalts eines straffällig gewordenen Ausländers vorab diese Person selbst, weshalb die Natur und die Schwere der begangenen Delikte die übrigen Kriterien im Einzelfall zu überwiegen vermögen (zur Darstellung der Praxis des EGMR vgl. das Urteil
Salem gegen Dänemark vom 1. Dezember 2016, Nr. 77036/11, § 76).
2.3. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung verhältnismässig bzw. im Interesse einer demokratischen Gesellschaft erforderlich sei (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Zu Unrecht: Der Beschwerdeführer ist zwar bereits im Alter von elf Jahren in die Schweiz eingereist, weshalb von einer langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz und von einem zweifelsohne grossen Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz auszugehen ist. Zu Gute zu halten ist dem Beschwerdeführer auch, dass er eine Landessprache spricht, sich mittlerweile beruflich etabliert hat und wirtschaftlich unabhängig ist. Mit Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 2. Juni 2015 wurde der Beschwerdeführer jedoch wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlungen gegen das BetmG zu einer langjährigen Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt; diese Betäubungsmitteldelikte hat er als Erwachsener und nicht etwa als Jugendlicher begangen. Die Vorinstanz ist von einem sich im Strafmass von sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe wiederspiegelnden (vgl. Art. 47 des Schweizerisches Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 [StGB; SR 311.0]), äusserst schwerwiegenden Verstoss gegen die Rechtsordnung ausgegangen, was der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt. Zudem steht gemäss Vorinstanz auch die auf den ersten Blick erfolgreiche berufliche und wirtschaftliche Integration eng mit seiner deliktischen Tätigkeit in Verbindung. Mit seinen Ausführungen dazu, dass es sich beim begangenen Delikt nicht um ein Gewaltdelikt handle, verkennt der Beschwerdeführer, dass das Bundesgericht, in Übereinstimmung mit der Praxis des EGMR, Drogendelikte aus rein finanziellen Motiven als schwere Straftaten einstuft, die ein sehr hohes öffentliches Interesse an der Ausreise eines verurteilten Straftäters begründen (oben, E. 2.2). Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer unter dem Druck der zudem erst kürzlich erfolgten bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug am 16. Januar 2018 keine weiteren Straftaten begangen hat, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu (BGE 139 II 121 E. 5.5.2 S. 128). Ob dem Beschwerdeführer eine gute Legalprognose auszustellen ist, fällt deswegen nicht massgeblich ins Gewicht, weil bei nicht unter das FZA fallenden Staatsangehörigen auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen (oben, E. 2.2). Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor im Kulturkreis seines Heimatstaates verwurzelt ist, primär Umgang mit Landsleuten pflegt, seine erst im Jahr 2013 eingereiste Ehefrau aus demselben Heimatstaat stammt und sich ihre gemeinsame Tochter noch im anpassungsfähigen Alter befindet, ist ihnen eine Rückkehr in ihren Heimatstaat Kosovo zumutbar und vermag das durch das äusserst schwerwiegende Drogendelikt begründete öffentliche Interesse an einer Ausreise des Beschwerdeführers auch die geltend gemachten drohenden (wirtschaftlichen) Nachteile für die Familie zu überwiegen, zumal der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift selbst angibt, schon während seiner Inhaftierung hätten auch seine Brüder die Geschäfte in der Schweiz zumindest zufriedenstellend ohne ihn führen können. Erstmals ins Recht gelegte Beweismittel kann das Bundesgericht ebensowenig entgegennehmen (Art. 99 Abs. 1 BGG) wie Umstände berücksichtigen, die auf eigenen Sachverhaltsdarstellungen beruhen, die die Vorinstanz nicht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Für alles Weitere kann auf das vorinstanzliche Urteil verwiesen werden, welches zutrifft (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die aufenthaltsbeendende Massnahme beruht zusammenfassend auf einer gesetzlichen Grundlage, liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse und erweist sich als verhältnismässig im engeren Sinn, weshalb von einer rechtmässigen Einschränkung von Art. 8 EMRK auszugehen ist. Erweist sich eine aufenthaltsbeendende Massnahme als verhältnismässig, kann zudem keine ausländerrechtliche Verwarnung ausgesprochen werden (Art. 96 AIG). Mit dem instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
3.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Oktober 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall