BGer 9C_733/2019 |
BGer 9C_733/2019 vom 02.12.2019 |
9C_733/2019 |
Urteil vom 2. Dezember 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
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Gerichtsschreiber Grünenfelder.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 23. September 2019 (IV.2018.00987).
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Die 1958 geborene A.________ arbeitete bis 2011 in unterschiedlichen Teilzeitpensen als Reinigungsangestellte. Im Mai des gleichen Jahres meldete sie sich unter Hinweis auf Rückenschmerzen mit Ausstrahlungen in die Beine bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Eine erste abweisende Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 16. Januar 2012 hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich auf Beschwerde der A.________ hin auf und wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Entscheid vom 17. Juli 2012).
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A.b. Die IV-Stelle holte beim BEGAZ Begutachtungszentrum BL, Binningen, ein polydisziplinäres Gutachten vom 23. Januar 2013 ein und verneinte nach weiteren Abklärungen einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 12. Juli 2013 erneut (bestätigt mit Entscheid des kantonalen Gerichts vom 30. November 2013). Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der A.________ trat das Bundesgericht nicht ein (Urteil 9C_58/2014 vom 12. Februar 2014).
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A.c. Nachdem die IV-Stelle auf ein weiteres Rentengesuch nicht eingetreten war (Verfügung vom 21. Dezember 2015), reichte der Hausarzt der A.________ einen Bericht vom 23. Januar 2018 samt weiteren Unterlagen ein, welchen die IV-Stelle als Neuanmeldung entgegen nahm. Auch darauf trat sie nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 5. Oktober 2018 nicht ein.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. September 2019 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Verfügung vom 5. Oktober 2018 sei die IV-Stelle anzuweisen, die Neuanmeldung materiell zu prüfen.
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Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.
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2.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV).
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Die zeitliche Vergleichsbasis für die Frage, ob eine rentenrelevante Veränderung des Sachverhalts glaubhaft ist, bildet der Zeitpunkt der letzten umfassenden materiellen Prüfung. Der Vergleichszeitraum erstreckt sich grundsätzlich bis zur Prüfung und Beurteilung des Gesuchs, d.h. bis zum Erlass der Verfügung betreffend die Neuanmeldung. Für die beschwerdeweise Überprüfung einer Nichteintretensverfügung ist somit der Sachverhalt, wie er sich der Verwaltung bot, respektive die Aktenlage bei Erlass dieser Verfügung massgeblich (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 11; 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.).
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2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen. Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn angenommen werden kann, der Anspruch auf eine Invalidenrente (oder deren Erhöhung) sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände als richtig erweisen sollten (SVR 2016 IV Nr. 57 S. 188, 9C_367/2016 E. 2.2 mit Hinweisen).
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2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_256/2019 vom 23. August 2019 E. 1.3 mit Hinweisen).
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3. Das kantonale Gericht hat das Nichteintreten der Verwaltung auf die Neuanmeldung vom 23. Januar 2018 mangels Glaubhaftmachens einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands insbesondere in Würdigung des Berichts des behandelnden Rheumatologen der Beschwerdeführerin, Dr. med. B.________, vom 29. Januar 2018 bestätigt.
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Zu vergleichen ist unbestritten der Zeitraum (vgl. E. 2.1) zwischen dem 12. Juli 2013 (letzte Abweisung des Leistungsbegehrens mit umfassender materieller Überprüfung) und dem 5. Oktober 2018 (Nichteintreten auf die Neuanmeldung).
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4. |
4.1. Wenn in der Beschwerde im Kern gerügt wird, es sei nicht nachvollziehbar, dass das kantonale Gericht trotz der von Dr. med. B.________ angenommenen Exazerbation der Ischialgie zum Schluss gelangt sei, eine relevante Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit sei nicht glaubhaft gemacht, ist dem kein Erfolg beschieden. Wohl hat die Vorinstanz in Würdigung der fachmedizinischen Aussagen des Dr. med. B.________ verbindlich (E. 1) festgestellt, die spinale Enge L3/4 sowie die multisegmentalen osteodiskoligamentären foraminalen Einengungen insbesondere der Wurzel L3 links sowie L4 und L5 beidseits linksbetont hätten zugenommen. Inwieweit sich verglichen mit dem bei der BEGAZ-Expertise vom 23. Januar 2013 beweiskräftig erhobenen Belastungsprofil, wonach seit Dezember 2011 in einer körperlich adaptierten, d.h. vorwiegend sitzenden Tätigkeit eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit mit einer Einschränkung von 10 % bestehe (BEGAZ-Gutachten, S. 34), ein Anhaltspunkt für eine wesentliche Verschlechterung ergeben soll, ist jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere hielt der behandelnde Rheumatologe Dr. med. B.________ in Bezug auf die geltend gemachten Rückenschmerzen einzig fest, die Patientin habe im Verlauf der letzten Monate zunehmend Gehschwierigkeiten mit massiv einschiessenden Ischialgien in das linke Bein angegeben. Die Belastungsfähigkeit sei stark eingeschränkt, das Treppen steigen gehe sehr schlecht, und es bestehe eine Kraftminderung im ganzen linken Bein; zudem träten zunehmend Ruhe- und Nachtschmerzen auf (Bericht vom 29. Januar 2018, S. 2). Dass diese Beschwerden auch in einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit zu einer über 10%igen Einschränkung führten, worauf die Beschwerdeführerin letztlich schliessen will, ist den Ausführungen des Dr. med. B.________ hingegen mit keinem Wort zu entnehmen.
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4.2. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus geltend macht, längeres Sitzen sei bei gravierenden lumbalen Beschwerden mit Ausstrahlung in die Beine "erfahrungsgemäss" nicht ohne Weiteres möglich, beruft sie sich im Wesentlichen lediglich auf ihre eigene Sichtweise, ohne den Erwägungen der Vorinstanz etwas Substanzielles entgegen zu halten, was nicht genügt. Hinzu kommt, dass Dr. med. B.________ vor allem hinsichtlich der Nacht- und Ruheschmerzen auf unausgeschöpfte Behandlungsoptionen hinwies (vgl. Bericht vom 29. Januar 2018, S. 3). Wie die Vorinstanz willkürfrei (E. 1) festgestellt hat, sei gemäss Dr. med. B.________ eine CT-gesteuerte Steroidinfiltration spinal vereinbart und für den Fall, dass diese nicht helfen sollte, die Prüfung einer spinalen Dekompression besprochen worden. In Anbetracht dieser offenkundigen Therapiemöglichkeiten hilft die blosse Vermutung der Beschwerdeführerin, bei einer Zunahme der Ruhe- und Nachtschmerzen resultiere "unter Umständen" eine erhebliche Einschränkung im Bereich vorwiegend sitzender Tätigkeiten, nicht weiter. Auch im Übrigen deutet nichts darauf hin, dass in dieser Frage eine willkürliche Beweiswürdigung durch die Vorinstanz vorliegt. Anders als beschwerdeweise geltend gemacht wird, ist auch keine Verletzung des Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV oder des in diesem Zusammenhang herabgesetzten Beweismasses auszumachen (vgl. E. 2.2).
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4.3. Vermag die Beschwerdeführerin somit eine anspruchsrelevante Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bis zur Verfügung vom 5. Oktober 2018 nicht glaubhaft zu machen, so hat es mit dem vom kantonalen Gericht bestätigten Nichteintreten sein Bewenden. Die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 2. Dezember 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder
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