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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_406/2019
Urteil vom 17. Dezember 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
Gerichtsschreiberin Polla.
Verfahrensbeteiligte
A.________ GmbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alfred Blesi,
Beschwerdeführerin,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Versicherungspflicht),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 8. Mai 2019 (C-3161/2017).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ GmbH in Y.________ ist per 1. Januar 2002 der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) unterstellt. Zum Gesellschaftszweck gehören laut Handelsregister u.a. die Herstellung und der Kauf und Verkauf von Nahrungs- und Genussmitteln, Körperpflegeprodukten, Reinigungs- und Waschmitteln sowie Gütern des täglichen Bedarfs aller Art, die Beratung beim Verkauf und bei der Verwendung dieser Waren sowie die Verwertung von Marken, Patenten und Know-How. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) unterstellte mit Verfügung vom 12. Januar 2005 die gesamte A.________ GmbH als Nährmittelfabrik den Sondervorschriften für industrielle Betriebe gemäss Art. 5 ArG.
Mit Einreihungsverfügung vom 11. August 2016 legte die Suva einen Bruttoprämiensatz von gerundet 0,2506 % für die Berufsunfallversicherung (BUV) sowie von 0,9800 % für die Nichtberufsunfallversicherung (NBUV) fest. In der dagegen erhobenen Einsprache machte die A.________ GmbH eine fehlende Unterstellungspflicht unter die obligatorische Unfallversicherung bei der Suva nach Art. 66 UVG geltend. Im Einspracheentscheid vom 4. Mai 2017 bejahte die Suva die Unterstellung des Betriebs und wies die Einsprache ab.
B.
Mit Entscheid vom 8. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab.
C.
Die A.________ GmbH führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid und der Einspracheentscheid seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass ihr Betrieb nicht obligatorisch der Suva unterstehe. Sie sei auf den nächstmöglichen Termin aus der obligatorischen Versicherung bei der Suva zu entlassen. Eventualiter sei festzustellen, dass nur der Teil Nahrungsmittelproduktion obligatorisch bei der Suva versichert sei, und es sei der übrige Betriebsteil auf den nächstmöglichen Termin aus der obligatorischen Versicherung bei der Suva zu entlassen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Suva, allenfalls an die Vorinstanz, zurückzuweisen. Zudem ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde.
Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde und opponiert der Gewährung der aufschiebenden Wirkung derselben. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Am 26. August 2019 reicht die A.________ GmbH eine weitere Eingabe ein.
Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 28. August 2019 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde abgewiesen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Da vorliegend nicht die Zusprechung oder Verweigerung von Leistungen der Unfallversicherung streitig sind, kommt Art. 97 Abs. 2 BGG resp. Art. 105 Abs. 3 BGG nicht zur Anwendung. Vielmehr gilt hinsichtlich des massgebenden Sachverhaltes Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG, wonach der vorinstanzlich erstellte Sachverhalt für das Bundesgericht verbindlich ist. Soweit die Beurteilung der Unterstellungsfrage von Sachverhaltsfeststellungen abhängt, gilt daher die einschränkte Kognition (SVR 2009 UV Nr. 58 S. 206, 8C_256/2009 E. 2.2).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz durch die bestätigte Unterstellung der Beschwerdeführerin unter die Versicherungspflicht bei der Suva Bundesrecht verletzte.
3.
3.1. Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids war möglich. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht (genügend) mit ihrer Argumentation befasst, kann somit nicht von einer Verletzung der Begründungspflicht resp. des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) gesprochen werden (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen).
3.2. Art. 66 Abs. 1 UVG enthält eine Aufzählung von Betrieben bzw. Betriebszweigen, deren Arbeitnehmer bei der Suva obligatorisch versichert sind. Personen, für deren Versicherung nicht die Suva zuständig ist, werden bei anderen Unfallversicherern im Sinne von Art. 68 UVG angeschlossen. In Art. 66 Abs. 2 Halbsatz 1 UVG wird der Bundesrat ermächtigt, die Betriebe im Sinne von Art. 66 Abs. 1 UVG näher zu bezeichnen. Er hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und die betreffende Gesetzesbestimmung in den Art. 73 ff. UVV konkretisiert.
3.3. Nach dem System von Gesetz und Verordnung ist unterstellungsrechtlich entscheidend, ob eine Unternehmung als Betrieb und dieser als ungegliederter oder als gegliederter qualifiziert werden muss. Für die Unterstellung des ungegliederten Betriebs sind die Art. 66 Abs. 1 und 2 Halbsatz 1 UVG in Verbindung mit Art. 73-87 UVV anwendbar. Art. 66 Abs. 1 UVG zählt die Betriebe, die in den Zuständigkeitsbereich der Suva fallen, im Allgemeinen aufgrund der Branchenzugehörigkeit und damit nach dem Tätigkeitsbereich oder mit anderen Worten nach dem Betriebscharakter auf (BGE 113 V 327 E. 5a S. 333). Ein ungegliederter Betrieb im unterstellungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn sich die Unternehmung im Wesentlichen auf einen einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereich beschränkt. Sie weist somit einen einheitlichen oder - im Sinne der bundesrätlichen Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung (BBl 1976 III 209) - vorwiegenden Betriebscharakter auf (z.B. als Bauunternehmung, als Handelsbetrieb oder als Treuhandgesellschaft) und führt schwergewichtig Arbeiten aus, die in den üblichen Tätigkeitsbereich eines Betriebs dieser Art fallen (BGE 113 V 327 E. 5b S. 333 und E. 7a S. 336; SVR 2009 UV Nr. 58 S. 206, 8C_256/2009 E. 3.2.2 mit Hinweisen).
3.4. Ergibt sich aus dem vorwiegenden Betriebscharakter eines konkreten Unternehmens, dass ein ungegliederter Betrieb vorliegt, bestimmt sich danach in einem weiteren Schritt auch die Unterstellung des ganzen Betriebs. Dabei spielt das Ausmass einzelner für die Unterstellung nach Art. 66 UVG ausschlaggebender Betätigungen keine Rolle. Denn die verschiedenen Arbeitsgattungen werden in diesem Fall begriffsnotwendig (BGE 113 V 327 E. 5b S. 333) nicht in verschiedenen Betriebseinheiten - wie beispielsweise in Hilfs- und Nebenbetrieben oder einer (für den gemischten Betrieb charakteristischen) Mehrzahl von Betriebseinheiten - ausgeführt, sondern eben im Rahmen der allgemeinen Betriebsorganisation im Sinne eines einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereichs (SVR 2009 UV Nr. 58 S. 206, 8C_256/2009 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Demgegenüber bleibt bei einem gegliederten Betrieb vorerst zu prüfen, ob die Betriebsteile zueinander im Verhältnis von Haupt- und Hilfs- bzw. Nebenbetrieben stehen oder ob eine Mehrzahl von Betriebseinheiten ohne sachlichen Zusammenhang untereinander (gemischter Betrieb) vorliegt (BGE 113 V 327 E. 7a S. 336; Urteil 8C_201/2019 vom 6. August 2019 E. 3 ff.).
4.
4.1. Gestützt auf die dargelegte Rechtsprechung ist zuerst zu prüfen, ob ein gegliederter oder ein ungegliederter Betrieb vorliegt.
4.2. Vorinstanz und Suva qualifizierten die Beschwerdeführerin als ungegliederten Betrieb. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu aus, der Betriebszweck sei aktenkundig und ergebe sich eindeutig aus dem Handelsregistereintrag. Ergänzend sei festzuhalten, dass das Produktionswerk X.________ in Y.________ 90 % der in der Schweiz vertriebenen Produkte (mit einem Jahresvolumen von rund 25'000 Tonnen) exklusiv herstelle und die Beschwerdeführerin Marketing und Verkauf dieser Produkte übernehme, was für einen engen sachlichen Zusammenhang spreche. Bei diesem Produktionsvolumen könne nicht von einem blossen Nebenbetrieb gesprochen werden. Die Produkte seien vom Firmenauftritt der Beschwerdeführerin nicht wegzudenken und deren Produktion werde am Standort Y.________ gebündelt mit der Expertise der Marketing- und Verkaufsorganisationen für den Detailhandel. Der Produktionsbetrieb sei innovativ und passe sich laufend den Kundenbedürfnissen an. Es sei nicht von einem "historisch bedingten Anhängsel" auszugehen. Dass sich der Hauptsitz der Beschwerdeführerin am Standort des Produktionswerks X.________ in Y.________ befinde, zeige überdies, dass der Betrieb nicht gegliedert sei, woran nichts ändere, dass das Produktionswerk räumlich und organisatorisch unabhängig von der B.________ AG in C.________ geführt werde. Dies beeinflusse den einheitlichen Betriebscharakter nicht. Nichts daran ändere auch die Erweiterung der Produktpalette von nur Nahrungsmittel auf den weiteren Konsumgüterbereich im Sinne einer Diversifikation. Dies sei zumindest eine verwandte Produktpalette, weshalb nicht zwei oder mehrere unterscheidbare Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit vorlägen. Das Produktionswerk für sich alleine genommen sei ein industrieller Betrieb mit der Betriebsart Nährmittelfabrik gemäss Art. 5 ArG, was die Unterstellung nach Art. 66 Abs. 1 lit. a UVG rechtfertige.
4.3. Die Beschwerdeführerin stellt sich dagegen auf den Standpunkt, sie sei kein industrieller Betrieb mehr, sondern eine Vermarktungs- und Vertriebsgesellschaft. Am Standort in Y.________ vertreibe und vermarkte sie in der Schweiz viele der weltweit insgesamt 400 verschiedenen Marken der A.________ GmbH mit der jeweiligen Produktpalette in den Bereichen Nahrungsmittel, Kosmetika, Körperpflege sowie Haushalts- und Textilpflege. Dies stelle ihre Haupttätigkeit dar. Die Herstellung der Produkte der X.________ sei eine Nebentätigkeit, die auch organisatorisch vom restlichen Betrieb getrennt sei und von einer anderen Gesellschaft der Gruppe A.________ GmbH, nämlich der B.________ AG in C.________ geführt werde. Es liege ein gegliederter Betrieb nach Art. 66 Abs. 2 UVG vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe diesbezüglich den Sachverhalt qualifiziert unrichtig festgestellt. Überdies habe es sich in Verletzung des rechtlichen Gehörs auf Medienmitteilungen über sie gestützt, die weder von ihr, noch von der Suva ins Verfahren eingebracht worden seien. Auch habe es sich nicht mit ihren Einwendungen auseinandergesetzt, was wiederum den Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Eventualiter sei sie als gemischter Betrieb zu qualifizieren, sodass nur das Produktionswerk der Versicherungspflicht bei der Beschwerdegegnerin unterstehe.
5.
5.1. Zu den in Art. 66 Abs. 1 UVG aufgezählten Betrieben und Verwaltungen (E. 3.3 hievor) gehören gemäss lit. a dieser Bestimmung "industrielle Betriebe nach Artikel 5 des Arbeitsgesetzes".
5.2. Als industrielle Betriebe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) gelten Betriebe mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie, sofern
a. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation durch Maschinen oder andere technische Einrichtungen oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt werden und für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt werden, oder
b. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden, oder
c. Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer besonderen Gefahren ausgesetzt sind.
5.3. Die Beschwerdeführerin wendet zu Recht nichts gegen die Feststellung der Vorinstanz ein, dass sie Konsumgüter herstelle und als industrieller Betrieb nach Art. 5 Abs. 2 ArG gelte. Dies entspricht der am 12. Januar 2005 geänderten Unterstellungsverfügung des SECO, welches die A.________ GmbH als Nährmittelfabrik und somit als industriellen Betrieb im Sinne von Art. 5 ArG qualifizierte. Damit wurde die Unternehmung als Ganzes den Sondervorschriften für industrielle Betriebe unterstellt. Diese Verfügung des SECO entfaltet für das versicherungsrechtliche Unterstellungsverfahren bindende Wirkung (RKUV 1991 U Nr. 119 S. 44, U 62/89 E. 7b).
5.4. Nachdem die gesamte A.________ GmbH als industrieller Betrieb nach Art. 5 ArG gilt, liegt mit Blick auf den Betriebscharakter somit ohne weiter vorzunehmende Differenzierungen ein ungegliederter Betrieb vor, dessen Arbeitnehmende obligatorisch bei der Suva versichert sind. Mit dieser gesamthaften Qualifikation als industrieller Betrieb erübrigt sich daher eine weitere Prüfung, ob ein ungegliederter oder gegliederter Betrieb vorliegt. Eine neue Überprüfung im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Unterstellung käme einzig dann in Frage, wenn eine abgeänderte Unterstellungsverfügung des SECO vorläge, worauf die Beschwerdeführerin unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch hat (vgl. BGE 138 I 61 E. 4.3 S. 72 mit Hinweisen).
6.
Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Suva die Beschwerdeführerin zu Recht als ungegliederten Betrieb qualifiziert, der als industrieller Betrieb nach Art. 66 Abs. 1 lit. a UVG von Gesetzes wegen der Versicherungspflicht bei der Suva untersteht.
7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Suva hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. Dezember 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Polla