Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_596/2019
Urteil vom 15. Januar 2020
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
Gerichtsschreiberin Betschart.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Peter,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Neuanmeldung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 8. Juli 2019 (VBE.2018.864).
Sachverhalt:
A.
A.a.
A.________, geb. 1962, meldete sich am 20. September 2011 unter Hinweis auf Rückenbeschwerden bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Am 4. März 2013 wies die IV-Stelle des Kantons Aargau das Leistungsbegehren ab. Diese Verfügung blieb unangefochten. Am 2. Februar 2015 stellte A.________ ein neues Gesuch um Leistungen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle veranlasste unter anderem eine polydisziplinäre Begutachtung durch das Zentrum für Medizinische Begutachtung, Basel (ZMB; Gutachten vom 26. Mai 2016). Mit Verfügung vom 23. August 2016 verneinte sie den Leistungsanspruch erneut. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. März 2017 ab.
A.b. Am 26. Januar 2018 (Eingangsdatum) meldete sich A.________ abermals zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 1. Oktober 2018 mangels Glaubhaftmachung einer wesentlichen Veränderung des Invaliditätsgrads auf das Leistungsbegehren nicht ein.
B.
Mit Entscheid vom 8. Juli 2019 wies das Versicherungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Auch lehnte es das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und sinngemäss beantragen, die Sache sei in Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur Neubeurteilung an das Versicherungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese auf das Leistungsgesuch eintrete und weitere medizinische Abklärungen treffe. Ausserdem sei ihr für das kantonale Gerichtsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und eine Parteientschädigung zuzusprechen. Auch für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht A.________ um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. Mit Eingabe vom 10. November 2019 liess A.________ weitere Unterlagen zu den Akten reichen.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie mit dem angefochtenen Entscheid die Verfügung vom 1. Oktober 2018 bestätigte, mit der die IV-Stelle auf die Neuanmeldung vom 26. Januar 2018 nicht eingetreten war.
3.
3.1. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die bei einer Neuanmeldung analog zur Revision anwendbaren Regeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV ; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.; 130 V 71; 117 V 198 E. 3a S. 198 f.) sowie zum revisionsrechtlich massgebenden Zeitraum (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114; 130 V 71 E. 3 S. 73 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.2. Hervorzuheben ist, dass die Verwaltung nach Eingang einer Neuanmeldung vorab zu prüfen hat, ob die Vorbringen der gesuchstellenden Person betreffend die anspruchserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse glaubhaft sind; andernfalls wird auf das Gesuch nicht eingetreten (vgl. Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV ). Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstands wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (Urteile 9C_733/2019 vom 2. Dezember 2019 E. 2.2; 9C_367/2016 E. 2.2 mit Hinweisen, in: SVR 2016 IV Nr. 57 S. 188).
3.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 9C_733/2019 vom 2. Dezember 2019 E. 2.3 mit Hinweis).
4.
4.1. Das kantonale Gericht erachtete die Verfügung vom 23. August 2016 als massgebenden Vergleichszeitpunkt, was von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten wird. Es führte weiter aus, dass dieser Verfügung im Wesentlichen das ZMB-Gutachten vom 26. Mai 2016 zugrunde gelegen habe, dem es bereits im Entscheid vom 14. März 2017 Beweiswert zuerkannt habe. Damit sei auch der Sachverhalt im relevanten Vergleichszeitpunkt rechtskräftig festgestellt worden. Sodann würdigte das Versicherungsgericht die Berichte der Dr. med. B.________, Fachärztin für Rheumatologie, vom 30. Oktober 2017, und des Dr. med. C.________, Facharzt für Neurologie, vom 21. Februar 2018, die im Rahmen der Neuanmeldung (als einzige Dokumente) aufgelegt worden waren. Auf die eingehende Beweiswürdigung mit in allen Teilen überzeugender Begründung kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die Vorinstanz erkannte zutreffend, dass die Beschwerdeführerin mit diesen Berichten keine anspruchserhebliche Änderung des Gesundheitszustands im Vergleichszeitraum glaubhaft zu machen vermochte.
4.2. Demgegenüber erweisen sich die Vorbringen der Beschwerdeführerin als offensichtlich unbegründet, soweit sie nicht ohnehin appellatorisch sind:
4.2.1. Im Wesentlichen macht die Beschwerdeführerin (wie schon im vorinstanzlichen Verfahren) geltend, aus dem Bericht des Dr. med. C.________ gehe klar hervor, dass ihre Beschwerden seit Oktober 2013 im Längsverlauf zugenommen hätten, ihr selbst eine leidensangepasste Tätigkeit nicht mehr zuzumuten sei und eine namhafte Besserung des Gesundheitszustands auch bei intensiven Behandlungen nicht mehr erreicht werden könne. Folglich stehe ihr grundsätzlich ab Januar 2017 eine volle Rente zu; mindestens hätte diese Beurteilung die IV-Stelle aber zu weiteren Abklärungen veranlassen sollen. Allerdings setzt sich die Beschwerdeführerin in keiner Weise mit der Begründung der Vorinstanz auseinander, weshalb mit diesem Bericht keine erhebliche Veränderung des Gesundheitszustands glaubhaft dargetan sei, so dass es damit sein Bewenden hat.
4.2.2. Die Beschwerdeführerin beruft sich sodann auf eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und letztlich auf eine Rechtsverweigerung. Allerdings spielt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 ATSG; BGE 136 V 376 E. 4.1.1 S. 377) im Verfahren der Neuanmeldung nach Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV insoweit nicht, als die versicherte Person in Bezug auf das Vorliegen einer glaubhaften Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung eine Beweisführungslast trifft (Urteil 8C_343/2019 vom 18. September 2019 E. 3.4 mit Hinweis).
4.2.3. Nicht zu hören ist die Beschwerdeführerin ferner mit ihrer pauschalen Kritik an der mangelnden Unabhängigkeit der von der Invalidenversicherung beauftragten Gutachterstellen im Allgemeinen sowie ihrer Beanstandung der Schlussfolgerungen des ZMB-Gutachtens vom 26. Mai 2016 im Besonderen. Dieses stellt nicht die Grundlage der hier im Streit stehenden Nichteintretensverfügung dar. Daran ändert auch nichts, dass es die Basis bildet für den hier relevanten Vergleich des gegenwärtigen mit dem damaligen Gesundheitszustand, wobei letzterer, wie gesagt, rechtskräftig festgestellt wurde (s. vorne E. 4.1). Ebenso wenig hilft es der Beschwerdeführerin, wenn sie anführt, dass das Gutachten nicht mehr aktuell sei. Denn genau dies hätte sie zumindest glaubhaft machen müssen, was ihr aber nicht gelungen ist.
4.2.4. Nach der Beschwerdeführerin verstösst das Vorgehen der Beschwerdegegnerin auch gegen das Recht auf ein faires Verfahren, wie es in der Bundesverfassung und in Art. 6 EMRK garantiert werde. Nach Art. 106 Abs. 2 BGG prüft das Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. Diese qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit verlangt, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4 S. 5; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Die Beschwerdeführerin belässt es allerdings bei der Rüge der Grundrechtsverletzung, ohne diese weiter zu begründen. Daher erübrigen sich Weiterungen dazu. Die Beschwerde ist somit im Hauptpunkt abzuweisen, woran auch die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts ändern.
5.
Aufgrund der Aktenlage ist schliesslich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Beschwerde von vornherein als aussichtslos qualifizierte und der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege verweigerte, ohne die Bedürftigkeit zu prüfen. Die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin beschränken sich auf eine appellatorische Kritik, auf die das Bundesgericht nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253).
6.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin sind demnach die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 15. Januar 2020
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Betschart