Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_543/2019
Urteil vom 20. Januar 2020
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin N. Möckli.
Verfahrensbeteiligte
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragspflicht),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. Juni 2019 (AB.2018.00050).
Sachverhalt:
A.
A.________ ist als selbständiger Taxifahrer bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich angeschlossen. Am 21. Februar 2018 meldete die Steuerverwaltung des Kantons Zürich dieser f ür das Jahr 2015 ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von Fr. 50'503.-. Gestützt darauf setzte die Verwaltung die vom Versicherten zu entrichtenden Beiträge für das Jahr 2015 auf insgesamt Fr. 5853.60 fest (Nachtragsverfügung vom 23. Februar 2018). Mit Entscheid vom 1. Juni 2018 wies die Ausgleichskasse die vom Versicherten dagegen erhobene Einsprache ab.
B.
Die hiergegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es den angefochtenen Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zurückwies, damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Entscheid vom 28. Juni 2019).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ausgleichskasse des Kantons Zürich, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 23. Februar 2018 zu bestätigen.
A.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen lassen sich nicht vernehmen.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).
1.1. Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, wie auch die Beschwerdeführerin ausführt, um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG, da das Verfahren damit noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit alternativ voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Rechtsprechungsgemäss stellen Rückweisungsentscheide gegenüber einem Versicherungsträger einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar, wenn dieser dadurch gezwungen wird, eine seines Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Dies gilt aber nur, soweit der Rückweisungsentscheid materiellrechtliche Anordnungen enthält, welche der Versicherungsträger bei seinem neuen Entscheid befolgen muss (BGE 140 V 282 E. 4.2 S. 286). Der angefochtene Zwischenentscheid zwingt die Beschwerdeführerin, die persönlichen Beiträge des Beschwerdegegners selbständig festzulegen, d.h. ohne Beachtung der Steuermeldung. Diese Anordnung ist materiellrechtlicher Natur und stellt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar. Mit Blick darauf ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids und Bestätigung der Verfügungen vom 23. Februar 2018. Anfechtungsgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildet einzig der an die Stelle dieser Verfügung getretene Einspracheentscheid vom 1. Juni 2018 (BGE 133 V 50 E. 4.2.2 S. 55; 131 V 407 E. 2.1.2.1 S. 411 f.), welcher im Verfahren vor Bundesgericht als mitangefochten gilt (vgl. zum Ganzen in BGE 143 V 254 nicht publizierte E. 1 mit Hinweisen). Nachdem die Verfügung vom 23. Februar 2018 in inhaltlicher Hinsicht mit dem Einspracheentscheid vom 1. Juni 2018 übereinstimmt, verlangt die Beschwerdeführerin faktisch auch dessen Bestätigung. Ihr Antrag kann demnach nach Treu und Glauben in dem Sinne entgegengenommen und auf die Beschwerde eingetreten werden.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
3.
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es die Ausgleichskasse verpflichtete, unabhängig von den Angaben der kantonalen Steuerbehörden das Einkommen des Versicherten zu ermitteln.
3.2.
3.2.1. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, sind die auf eine rechtskräftige Veranlagung gestützten Angaben der kantonalen Steuerbehörden für die Ausgleichskassen gemäss Art. 23 Abs. 4 AHVV grundsätzlich verbindlich. Von einer rechtskräftigen Steuerveranlagung darf nur dann abgewichen werden, wenn diese klar ausgewiesene Irrtümer enthält, die ohne weiteres richtiggestellt werden können, oder wenn sachliche Umstände gewürdigt werden müssen, die steuerrechtlich belanglos, sozialversicherungsrechtlich aber bedeutsam sind. Blosse Zweifel an der Richtigkeit einer Steuertaxation genügen hierzu nicht; denn die ordentliche Einkommensermittlung obliegt den Steuerbehörden, in deren Aufgabenkreis der Sozialversicherungsrichter nicht mit eigenen Veranlagungsmassnahmen einzugreifen hat. Der selbständigerwerbende Versicherte hat demnach seine Rechte, auch im Hinblick auf die AHV-rechtliche Beitragspflicht in erster Linie im Steuerjustizverfahren zu wahren (BGE 110 V 369 E. 2a S. 370 f. mit Hinweisen; SVR 2016 AHV Nr. 4 S. 11, 9C_441/2015 E. 6.4).
3.2.2. Nach der Rechtsprechung darf das Sozialversicherungsgericht selbst dann nicht von einer rechtskräftigen Steuertaxation abweichen, wenn die Abklärung ergibt, dass die Veranlagung für die direkte Bundessteuer wahrscheinlich korrigiert worden wäre, wenn sie rechtzeitig mit einem gesetzlichen Rechtsmittel angefochten worden wäre. Denn zum einen hat jede rechtskräftige Steuertaxation die Vermutung für sich, sie entspreche dem wirtschaftlichen Sachverhalt. Zum anderen ist zu beachten, dass der Sozialversicherungsrichter zum Steuerrichter würde, wenn er beurteilen sollte, ob bei rechtzeitiger Erhebung der gesetzlichen Rechtsmittel die Veranlagung für die direkte Bundessteuer mit praktischer Sicherheit korrigiert würde. Dies widerspräche indessen offensichtlich der vom Gesetz vorgenommenen Kompetenzabgrenzung zwischen den Steuer- und Sozialversicherungsorganen (Art. 23 Abs. 1 AHVV; BGE 110 V 369 E. 2b S. 372; SVR 2010 UV Nr. 15 S. 57, 8C_898/2008 E. 5).
4.
4.1. Das kantonale Gericht kam zum Schluss, die Ausgleichskasse habe das für die Festsetzung der persönlichen Beiträge aus selbständiger Tätigkeit massgebende Einkommen selber zu ermitteln. Die Vorinstanz wies zwar darauf hin, dass der Versicherte die von ihm verlangte Korrektur der Einkommensveranlagung grundsätzlich im Steuerjustizverfahren hätte geltend machen müssen, im vorliegenden Fall bestünden aber nicht nur blosse Zweifel an der Richtigkeit der Steuertaxation. Vielmehr sei davon auszugehen, der Beschwerdegegner habe die Steuererklärung tatsächlich falsch ausgefüllt, weshalb nicht auf die Angaben der Steuerbehörden abgestellt werden könne.
4.2. Die Ausgleichskasse bringt zunächst vor, dass der Beschwerdegegner selber einräume, ihm sei in der Steuererklärung ein Schreibfehler unterlaufen und er habe es versäumt, gegen die Steuerveranlagung vorzugehen. Der Beschwerdegegner beklage die fehlende Berücksichtigung der Berufsauslagen im Zusammenhang mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit; dies sei folglich keine Frage der AHV-rechtlichen Qualifikation. Es handle sich dabei auch nicht um einen Irrtum der Steuerveranlagungsbehörde oder der Steuerbehörde beim Ausfüllen der Steuermeldung, der ohne weiteres richtiggestellt werden könnte, vielmehr gehe es um eine fehlerhafte Angabe in der Steuererklärung des Beschwerdegegners bzw. um die fehlende Anerkennung der berufsmässig begründeten Kosten durch die Steuerbehörde. Die Berichtigung eines solchen Fehlers hätte der Beschwerdegegner im Steuerjustizverfahren geltend machen müssen. Die Rückweisung der Beschwerdesache an die Ausgleichskasse zur eigenständigen Ermittlung des selbständigen Erwerbseinkommens verstosse deshalb gegen Art. 23 Abs. 4 AHVV mithin Bundesrecht.
5.
5.1. Die durch die Ausgleichskasse festgesetzten persönlichen Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit basieren auf den Einkommensangaben, wie sie in einer rechtskräftigen Steuertaxation festgestellt und der Ausgleichskasse gemeldet worden sind. Das kantonale Steueramt hat die Richtigkeit der Steuermeldung zudem ausdrücklich nochmals bestätigt. Formell betrachtet ist die Steuermeldung korrekt, liegt doch kein Übermittlungsfehler vor.
5.2. Die Vorinstanz stellte weiter fest, die steuerliche Behandlung der vom Versicherten angegebenen "Berufsauslagen" könne nicht nachvollzogen werden. Das spreche dafür, dass dieser die Steuererklärung falsch ausgefüllt habe. Entgegen dem kantonalen Gericht lässt sich daraus nicht ableiten, dass auf die Angaben der Steuerbehörden nicht abgestellt werden kann bzw. dass die Bindungswirkung nach Art. 23 Abs. 4 AHVV entfällt. Zwar besteht keine Bindung, wenn klar ausgewiesene Irrtümer vorliegen. Diese müssen jedoch, auch ohne weiteres richtiggestellt werden können (vgl. E. 3.1). Selbst wenn somit bei der der Steuermeldung zugrunde liegenden Steuerklärung berufsbedingte Auslagen nicht oder an einem falschen Ort angegeben und vom Steuerkommissär allenfalls zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sind, besteht damit noch nicht ein Irrtum, der ohne weiteres und sofort richtiggestellt werden könnte. Insbesondere steht keineswegs fest, ob die vom Versicherten geltend gemachten Abzüge überhaupt vom selbständigen Erwerbseinkommen in Abzug gebracht werden können und in welchem Umfang. Die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts lassen deshalb nicht auf einen klar ausgewiesenen, sofort behebbaren Irrtum schliessen. Es ergeben sich daraus zwar Zweifel an der Richtigkeit der Steuertaxation, solche stehen deren Verbindlichkeit für die Ausgleichskasse jedoch nicht entgegen (E. 3.2.1 hiervor), darf von einer rechtskräftigen Steuertaxation doch selbst dann nicht abgewichen werden, wenn sich ergibt, dass diese in einem Rechtsmittelverfahren wahrscheinlich korrigiert worden wäre (E. 3.2.2 hiervor).
5.3. Im Übrigen sind auch keine anderen Gründe ersichtlich, die ein Abweichen von der Steuertaxation rechtfertigten. So hätte - anders als in BGE 110 V 369 E. 3b S. 374 - die Einkommensberichtigung im Steuerverfahren nicht nur zu einer unbedeutenden Verminderung des Steuerbetrags geführt. Der Versicherte machte im vorinstanzlichen Verfahren Entsprechendes denn auch überhaupt nicht geltend, sondern hat dargelegt, er habe wegen familiären Verpflichtungen im Ausland die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Steuerveranlagung verpasst.
5.4. Damit bleibt es beim Grundsatz, dass der Versicherte seine Rechte im Steuerjustizverfahren hätte wahren müssen, was er nicht getan hat; unter den gegebenen Umständen kann im AHV-rechtlichen Verfahren betreffend die Festlegung der persönlichen Beiträge dieses Versäumnis nicht korrigiert werden. Indem das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin anwies, das für die Festlegung der persönlichen Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit massgebende Einkommen des Beschwerdegegners selber zu ermitteln, verneinte es zu Unrecht die Bindung der Beschwerdeführerin an die Steuermeldung und verletzte Bundesrecht. Der angefochtene Entscheid ist somit in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 1. Juni 2018 zu bestätigen.
6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner zu auferlegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 2019 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 1. Juni 2018 bestätigt.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 20. Januar 2020
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Die Gerichtsschreiberin: Möckli