BGer 2C_1070/2018
 
BGer 2C_1070/2018 vom 03.02.2020
 
2C_1070/2018
 
Urteil vom 3. Februar 2020
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Hänni,
Gerichtsschreiber König.
 
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,
gegen
Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden, Karlihof 4, 7000 Chur,
Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden, Hofgraben 5, 7001 Chur.
Gegenstand
Familiennachzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 1. Kammer, vom 23. Oktober 2018 (U 18 12).
 
Sachverhalt:
 
A.
Der aus Bosnien und Herzegowina stammende C.A.________ verfügt in der Schweiz über eine Niederlassungsbewilligung. Im Jahr 2003 lernte er in Bosnien und Herzegowina die ebenfalls von dort stammende A.B.________ kennen. Im Oktober 2004 gebar A.B.________ den Sohn D.A.________, dessen Vater laut Geburtsurkunde C.A.________ ist.
A.B.________ und der gemeinsame Sohn D.A.________ wohnten in U.________. C.A.________ besuchte seinen Sohn vier- bis fünfmal pro Jahr für jeweils einige Wochen in Bosnien.
Am 5. Mai 2016 heirateten C.A.________ und A.B.________. A.B.________, die fortan A.A.________ hiess, erhielt am 12. März 2017 aufgrund Nachzuges zu ihrem in der Schweiz wohnhaften Ehegatten eine Aufenthaltsbewilligung.
Ein von A.A.________ am 20. Juni 2017 gestelltes Gesuch um Nachzug des gemeinsamen Sohnes D.A.________ wurde vom Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden am 27. Oktober 2017 abgewiesen.
 
B.
Die gegen die Abweisung des Familiennachzugsgesuches vom 20. Juni 2017 eingelegten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Verfügung des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden vom 12. März 2018 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Oktober 2018).
 
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 3. Dezember 2018 beantragt A.A.________, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Oktober 2018 sei ihr der Nachzug des Sohnes D.A.________ Topic zu bewilligen; eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden und das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Vorinstanz stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Das Staatssekretariat für Migration verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen. Für das Eintreten genügt, wenn der Anspruch in vertretbarer Weise geltend gemacht wird; die Frage, ob der Bewilligungsanspruch tatsächlich besteht, bildet Gegenstand der materiellen Prüfung (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179).
Die Beschwerdeführerin verfügt bloss über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb sie sich für einen Familiennachzug bloss auf Art. 44 AIG berufen kann, der indessen keinen Rechtsanspruch gewährt. Durch das Zusammenleben mit ihrem niederlassungsberechtigten Gatten hat sie allerdings selber einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und damit ein gefestigtes Aufenthaltsrecht (BGE 137 I 284 E. 1.3; 139 I 330 E. 1.2). Auch kann ihr Sohn, um dessen Bewilligung es geht, als Kind eines Ausländers mit Niederlassungsbewilligung einen Anspruch nach Art. 43 AIG geltend machen. Zudem beruft sich die Beschwerdeführerin in vertretbarer Weise auf das in Art. 8 EMRK garantiere Recht auf Achtung des Familienlebens. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher zulässig.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die im Übrigen frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 und Art. 106 BGG) gegen den vorinstanzlichen Endentscheid (Art. 90 BGG) eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.
 
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht, Völkerrecht sowie kantonale verfassungsmässige Rechte (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft jedoch nur die vorgebrachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu auf der Hand liegen (BGE 142 I 99 E. 1.7.1 S. 106). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten. Das Bundesgericht geht auf entsprechende Rügen nur ein, wenn sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und in Auseinandersetzung mit der Argumentation der Vorinstanz sachbezogen begründet werden (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.3 S. 30; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 145 IV 154 E. 1.1 S. 155 f.; 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5; Urteil 2C_426/2019 vom 12. Juli 2019 E. 1.3).
 
3.
3.1. Gemäss Art. 43 AuG (in der bis zum 31. Dezember 2018 gültig gewesenen Fassung; zum Intertemporalrecht vgl. Art. 126 Abs. 1 AIG) haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Abs. 1). Kinder unter zwölf Jahren haben Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Abs. 3). Nach Art. 47 Abs. 1 AIG muss der Anspruch auf Familiennachzug innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden (Satz 1). Kinder über zwölf Jahren müssen innerhalb von zwölf Monaten nachgezogen werden (Satz 2). Die Fristen beginnen bei Familienangehörigen von Ausländern mit der Erteilung der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses (Art. 47 Abs. 3 lit. b AIG). Die Fristen nach Art. 47 Abs. 1 AIG beginnen allerdings erst mit dem am 1. Januar 2008 erfolgten Inkrafttreten des Ausländergesetzes (AS 2007 5489), sofern vor diesem Zeitpunkt die Einreise erfolgt oder das Familienverhältnis entstanden ist (Art. 126 Abs. 3 AIG). Ein nachträglicher, also nicht innert der Fristen von Art. 47 Abs. 1 AIG beantragter Familiennachzug wird nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden (Art. 47 Abs. 4 Satz 1 AIG).
Wurde der Nachzug innert der Fristen von Art. 47 Abs. 1 AIG beantragt, so ist er zu bewilligen, wenn gemäss Art. 51 Abs. 2 AuG kein Rechtsmissbrauch und keine Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG gegeben sind, die nachziehenden Eltern das Sorgerecht haben und das Kindeswohl dem Nachzug nicht entgegensteht (vgl. BGE 136 II 78 E. 4.7 und 4.8 S. 85 ff.).
3.2. Geht es um den Nachzug von Kindern eines aufenthaltsberechtigten Ausländers mit einem gefestigten Aufenthaltsrecht, ist ein Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK und Art. 13 BV nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegeben, wenn (1) der Ausländer mit seinem Kind zusammenleben will (vgl. Art. 44 lit. a AIG), (2) eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist (Art. 44 lit. b AIG), (3) die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 44 lit. c AIG), (4) der Nachzug bei Kindern über zwölf Jahren innerhalb von zwölf Monaten bzw. bei Kindern unter zwölf Jahren innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht wird (Art. 47 Abs. 1 und 3 AIG bzw. Art. 73 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]) und (5) der Nachzug nicht in klarer Missachtung des Wohls sowie der familiären Bindungen des Kindes erfolgen soll, wobei auch die bisherige Beziehung zwischen den nachziehenden Eltern und den Kindern sowie die Betreuungsmöglichkeiten in der Schweiz zu berücksichtigen sind. Schliesslich darf (6) die Wahrnehmung des Anspruchs nicht rechtsmissbräuchlich erscheinen (vgl. BGE 136 II 497 E. 4 S. 506 f.; Urteile 2C_606/2009 vom 17. März 2010 E. 2.4; 2C_181/2010 vom 1. Oktober 2010 E. 5.3) und (7) kein Widerrufsgrund nach Art. 62 AIG vorliegen (vgl. Art. 51 Abs. 2 lit. a und b AIG zum Nachzug durch Niederlassungsberechtigte; vgl. hierzu auch das Urteil 2C_847/2009 vom 21. Juli 2010 E. 3). Bei einem Nachzug ausserhalb der in Art. 47 Abs. 1 AIG und Art. 73 Abs. 1 VZAE angegebenen Fristen müssen zudem wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden (vgl. zum Ganzen BGE 137 I 284 E. 2 S. 287 ff., insbesondere E. 2.7 S. 293 f.; Urteile 2C_462/2010 vom 23. August 2011 E. 2.1; 2C_537/2009 vom 31. März 2010 E. 3 mit Hinweisen u.a. auf BGE 136 II 78 E. 4.8; Urteil 2C_508/2009 vom 20. Mai 2010 E. 4.2).
3.3. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Frage, ob die Altersgrenze von 18 Jahren nach Art. 43 Abs. 1 AIG eingehalten worden ist, auf das Alter des Kindes bei Gesuchseinreichung an (BGE 136 II 497 E. 3.7 S. 504). Der letztgenannte Zeitpunkt ist auch für die Frage massgebend, ob das Gesuch rechtzeitig innert der Fristen nach Art. 47 Abs. 1 AIG bzw. Art. 73 Abs. 1 VZAE gestellt worden ist und ob die ein- oder fünfjährige Frist gilt (vgl. [ausschliesslich zu Art. 47 Abs. 1 AIG] BGE 136 II 497 E. 3.4 S. 502; Urteil 2C_205/2011 vom 3. Oktober 2011 E. 3.3).
3.4. Hat der zunächst allein in der Schweiz lebende Vater für den Nachzug seiner Kinder die Fristen ungenutzt verstreichen lassen, laufen diese grundsätzlich nicht wieder neu, wenn er die mit ihm (bereits) verheiratete Kindsmutter nachzieht und sie zusammenleben bzw. das Zusammenwohnen beabsichtigen. Die Eheleute sind insoweit grundsätzlich als Einheit zu betrachten, weshalb sich auch die Mutter die vom Vater verpassten Fristen entgegenhalten lassen muss (siehe zum Ganzen Urteile 2C_363/2016 vom 25. August 2016 E. 2.4; 2C_205/2011 vom 3. Oktober 2011 E. 4.5 in fine; vgl. ferner Urteil 2C_856/2018 vom 8. Juli 2019 E. 4.4.1).
 
4.
4.1. Vorliegend war der Ehemann der Beschwerdeführerin vor dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes am 1. Januar 2008 bereits in die Schweiz eingereist und bestand das Familienverhältnis zwischen ihm und seinem Sohn D.A.________ schon zu diesem Zeitpunkt. Deshalb gilt für ein Gesuch des Ehemannes der Beschwerdeführerin um Nachzug des Sohnes die Übergangsbestimmung von Art. 126 Abs. 3 AIG. Da der Sohn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ausländergesetzes noch nicht mehr als zwölf Jahre alt war, war für ein entsprechendes Gesuch eine Nachzugsfrist von fünf Jahren massgebend. Diese Frist begann mit Inkrafttreten des Ausländergesetzes zu laufen und endete per 31. Dezember 2012. Die Vorinstanz hat dies zutreffend erkannt (E. 5.5 des angefochtenen Urteils).
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) hat der Ehemann der Beschwerdeführerin innert der genannten Frist bis zum 31. Dezember 2012 nicht um Nachzug seines Sohnes ersucht, sondern damit bis zum 30. Juni 2016 zugewartet, als er zugleich den Nachzug seiner Ehefrau beantragte.
4.2. Streitig ist insbesondere, ob die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann im Lichte der vorne (in E. 3.2 und 3.4) genannten Rechtsprechung als Einheit zu betrachten sind, demgemäss die Nachzugsfrist aufgrund des früheren Versäumnisses des Ehemannes als nicht eingehalten zu qualifizieren ist und folglich für den Familiennachzug wichtige familiäre Gründe erforderlich sind. Es stellt sich die Frage, ob mit der Einreise der Beschwerdeführerin eine neue Frist zu laufen begann, weil diese zum Zeitpunkt der Einreise ihres (heutigen) Ehemannes noch nicht mit diesem verheiratet war. Wie es sich damit verhält, kann hier jedoch offen bleiben. Denn wie im Folgenden ersichtlich wird, sind vorliegend wichtige familiäre Gründe, welche einen Nachzug ausserhalb der in Art. 47 Abs. 1 AIG und Art. 73 Abs. 1 VZAE angegebenen Fristen rechtfertigen würden, ebenso gegeben wie die weiteren Voraussetzungen für den beantragten Familiennachzug.
 
5.
5.1. Gemäss dem Urteil 2C_205/2011 vom 3. Oktober 2011 ist dann, wenn ein in der Schweiz wohnhafter Elternteil nebst den Kindern zugleich auch den anderen, bisher mit der hauptsächlichen Betreuung der Kinder im Herkunftsland betrauten Elternteil in die Schweiz nachziehen will, der gleichzeitige Nachzug des Ehegatten im Zusammenhang mit dem Nachzug der Kinder per se kein wichtiger familiärer Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG (a.a.O., E. 4.3 ff., auch zum Folgenden). In einer solchen Konstellation bedarf es vielmehr einer Gesamtschau, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Bewilligung des Nachzuges nach Ablauf der Fristen dem Willen des Gesetzgebers zufolge die Ausnahme ist. Ein nachträglicher Nachzug der Kinder kommt nicht in Betracht, wenn der Nachzugswillige die Einhaltung von Fristen, welche ihm die Zusammenführung der Gesamtfamilie ermöglicht hätte, versäumt hat und er keine gewichtigen Gründe geltend macht, um erst später einen derartigen Nachzug zu beantragen (vgl. auch Urteil 2C_363/2016 vom 25. August 2016 E. 2.4).
Vorliegend kann das genannte Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 2011 mit Bezug auf die Anforderungen an die wichtigen familiären Gründe (vgl. vorne E. 3.2) analog herangezogen werden. Zwar geht es im Fall der Beschwerdeführerin nicht um die gleichzeitige Zusammenführung der Gesamtfamilie und war eine solche Zusammenführung in der Schweiz vor ihrer Heirat mit dem in der Schweiz niedergelassenen Mann noch ausgeschlossen. Dennoch kann entsprechend dem genannten Urteil allein im Umstand, dass nunmehr die Familie zusammengeführt werden soll, kein wichtiger familiärer Grund erblickt werden. Es bedarf stattdessen einer Würdigung aller relevanten Elemente. Dabei ist dem Sinn und Zweck der Fristenregelung Rechnung zu tragen, wonach - wie dargelegt - die Integration der Kinder bzw. Jugendlichen möglichst frühzeitig geschehen soll.
5.2. Die Eltern von D.A.________ haben es über Jahre hinweg in Kauf genommen, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn nur über die Grenzen hinweg und damit eingeschränkt gelebt werden kann. Indessen kann ihnen dies heute nicht weiter zugemutet werden: Zwar hat der Vater die Frist für den Nachzug des Sohnes nicht eingehalten. Es bestehen aber in der vorliegenden Konstellation Gründe, die es rechtfertigten, das Gesuch um Nachzug des Sohnes erst jetzt und nicht bereits innert der (zumindest für den Vater massgebend gewesenen) Frist bis zum 31. Dezember 2012 zu stellen. Insbesondere fällt in diesem Zusammenhang ins Gewicht, dass die Eltern von D.A.________ während dieser Nachzugsfrist noch unverheiratet waren und damit die Möglichkeit einer Zusammenführung der Gesamtfamilie in der Schweiz seinerzeit noch nicht bestand. Es lag unter den gegebenen Umständen näher, D.A.________ zunächst weiterhin bei seiner Mutter aufwachsen zu lassen, und erscheint vorliegend jedenfalls nicht entscheidend, dass die Integration der Kinder bzw. Jugendlichen nach dem Gesetz möglichst früh erfolgen soll.
Es kommt hinzu, dass mit der Bewilligung des Nachzuges der Beschwerdeführerin eine wesentliche Änderung der Betreuungssituation im bisherigen Aufenthaltsland von D.A.________ eingetreten ist. Zwar wird D.A.________ zurzeit anscheinend von seinen Grosseltern betreut, doch sind diese nach der insoweit unbestritten gebliebenen Darstellung der Beschwerdeführerin bereits betagt (vgl. E. 6.1 des angefochtenen Urteils). Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligten nur deshalb auf die vorbestehende Betreuungssituation im Heimatland von D.A.________ mit der Beschwerdeführerin als Betreuungsperson verzichtet haben, weil sie aufgrund der Bewilligung des Nachzuges der Beschwerdeführerin zu ihrem Mann (vernünftigerweise) damit rechneten, dass die Familie bald in der Schweiz zusammengeführt werden kann. Dafür spricht nicht zuletzt, dass das Nachzugsgesuch für D.A.________ nur wenige Monate nach Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an die Beschwerdeführerin gestellt wurde. Unter diesen Umständen lässt sich entgegen der vom Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden vertretenen Ansicht (vgl. E. 6.1 des angefochtenen Urteils) nicht sagen, es sei (soweit hier interessierend) keine relevante Veränderung der Betreuungsverhältnisse ersichtlich.
Bei der gebotenen Würdigung der gesamten Umstände erscheint das grundlegende Bedürfnis von D.A.________, in möglichst engem Kontakt zu seinen beiden Eltern aufwachsen zu können, als ausschlaggebend (vgl. zur Bedeutung des Kindesinteresses, bei den Eltern aufwachsen zu können, auch EGMR-Urteil vom 8. November 2016 El Ghatet gegen Schweiz [Nr. 56971/10] §§ 27/28 und 46; siehe auch Urteil 2C_1062/2018 vom 27. Mai 2019 E. 2.4 mit weiteren Hinweisen). Folglich sind wichtige familiäre Gründe für einen Nachzug ausserhalb der in Art. 47 Abs. 1 AIG und Art. 73 Abs. 1 VZAE statuierten Fristen - wenn denn überhaupt von einem solchen nachträglichen Familiennachzug auszugehen ist (vgl. E. 4.2 hiervor) - entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu bejahen.
 
6.
Es ist unbestritten, dass die weiteren Voraussetzungen für einen Aufenthaltsanspruch von D.A.________ gestützt auf Art. 8 EMRK und Art. 13 BV (vgl. dazu hiervor E. 3.2) vorliegend erfüllt sind.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen und D.A.________ ist eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
 
7.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Graubünden hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Sache ist zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen der vorangegangenen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Oktober 2018 wird aufgehoben.
2. Das Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden wird angewiesen, D.A.________ eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Der Kanton Graubünden hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
5. Die Sache wird zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen der vorangegangenen Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.
6. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 1. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Februar 2020
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: König