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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1023/2019
Urteil vom 5. Februar 2020
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiber Matt.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Anwander,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
2. B.________,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Beschimpfung, Drohung, Nötigung, mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsreglen; Grundsatz in dubio pro reo,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 6. Mai 2019 (SBR.2018.38).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Bischofszell wirft A.________ vor, am 23. März 2016 kurz nach der Ortseinfahrt in Neukirch mit seinem Personenwagen den vor ihm fahrenden Wagen von B.________ überholt zu haben. In der Folge habe er zweimal unvermittelt auf 20 km/h abgebremst, sodass die mit ca. 50 km/h hinter ihm fahrende B.________ stark habe bremsen müssen, um eine Auffahrkollision zu verhindern. Anschliessend habe A.________ im Fahrzeug seinen rechten Arm mit zur Faust geballter Hand sichtbar hoch gehalten. Später habe er parallel zur Strasse angehalten und, als B.________ an ihm vorbeigefahren sei, erneut die Faust geballt und damit in ihre Richtung geschlagen. Schliesslich sei er hinter B.________ her gefahren, wobei er wiederum seine Faust geschwenkt und ihr den Mittelfinger gezeigt habe.
Auf Einsprache gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft hin verurteilte das Bezirksgericht Arbon A.________ am 19. April 2018 wegen Beschimpfung, Drohung, Nötigung und mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln zu 70 Tagessätzen à Fr. 50.-- Geldstrafe bedingt sowie Fr. 700.-- Busse. Die dagegen erhobene Berufung von A.________ wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 6. Mai 2019 ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht beantragt A.________, er sei freizusprechen, eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer kritisiert die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung und macht eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro re o" geltend.
1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 500 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3 mit Hinweisen).
1.2. Die Vorinstanz begründet ausführlich und überzeugend, weshalb sie den Anklagesachverhalt sowie die Täterschaft des Beschwerdeführers als erstellt erachtet. Sie stützt sich dabei primär auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2, die sie nachvollziehbar als im Wesentlichen gleich bleibend, detailliert und schlüssig beurteilt.
1.2.1. Demnach habe die Beschwerdegegnerin 2 den fehlbaren Fahrer als einen ihr unbekannten älteren Herrn zwischen 50 und 60 Jahren mit grau melierten kurzen Haaren und Brille beschrieben. Sie könne sich genau an die erste Vollbremsung kurz nach dem Ortseingang Neukirch erinnern und ebenso daran, dass der Beschwerdeführer ihr einmal den Mittelfinger und zweimal die Faust gezeigt und dass bei der zweiten Bremsung das ABS geruckelt habe. Beide Male habe es keinen Grund zum Bremsen gegeben. Ferner habe die Beschwerdegegnerin 2 Gespräche mit ihren Kindern und ein auffälliges Fahrverhalten des vor ihr fahrenden Lenkers geschildert. Sie habe auch Gefühle und Ängste wiedergegeben und als Reaktion auf den Vorfall Informationen zu ihrem Autokennzeichen sperren lassen. Unter diesen Umständen erscheine plausibel, dass die Beschwerdegegnerin 2 die Gebärden des Beschwerdeführers trotz verdunkelter Heckscheiben seines Fahrzeugs gesehen habe. Die Tatsache, dass sie den Beschwerdeführer ein Jahr nach dem Vorfall nicht habe identifizieren können, spreche nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Zum einen habe der Sohn der Beschwerdegegnerin 2 den Beschwerdeführer als fehlbaren Lenker bezeichnet. Zum andern habe die Halterin des Fahrzeugs bestätigt, dass er dieses ebenfalls und neben ihr als Einziger benutze.
1.2.2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, seine Täterschaft zu bestreiten, die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 sowie diejenigen ihres Sohnes pauschal in Zweifel zu ziehen und seine eigene Sachverhaltsdarstellung zu wiederholen. Er belegt damit weder eine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz, noch vermag er unüberwindbare Zweifel an seiner Täterschaft darzutun. Die Vorinstanz begründet überzeugend, dass die Aussagen des Beschwerdeführers widersprüchlich sind und sie diesen daher keinen Glauben schenkt. Im Übrigen scheint der Beschwerdeführer zu verkennen, dass er gegenüber der Staatsanwaltschaft einräumte, vom Vorfall aus eigenem Erleben Kenntnis zu haben. Demnach führte er aus, die Beschwerdegegnerin 2 sei wohl beleidigt gewesen, weil er sie überholt habe, und dann so nah aufgefahren sei, dass sie fast hinten rein gekracht sei. Es könne sein, dass er wegen eines Telefonats rechts ran gefahren sei. Ebenso sei möglich, dass er die Beschwerdegegnerin 2 überholt habe, wenn diese zu langsam fahre, er könne sich aber nicht daran erinnern. Auch sage ihm seine Lebensgefährtin (die Fahrzeughalterin), dass er beim Fahren gestikuliere. Es steht somit rechtsgenügend fest, dass der Beschwerdeführer der Lenker des in den Vorfall mit der Beschwerdegegnerin 2 involvierten Fahrzeugs war, und es schadet nicht, dass sie ihn nicht identifizieren konnte. Daran ändert ebenfalls nichts, dass der Beschwerdeführer angab, beim Autofahren keine Brille zu tragen, und dass die Beschwerdegegnerin 2 "nur" als Auskunftsperson befragt wurde. Auch, soweit er geltend macht, aufgrund der abgedunkelten Heckscheiben seines Autos habe die Beschwerdegegnerin 2 keine Gesten sehen können, begründet die Vorinstanz nachvollziehbar, dass dies je nach Lichtverhältnissen sehr wohl möglich sei. Ausserdem weist sie darauf hin, dass die vorderen Seitenfenster nicht getönt sind, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Die Beschwerdegegnerin 2 hatte somit jedenfalls freie Sicht, als sie an ihm vorbei fuhr - wobei er mit der Faust gestikuliert haben soll - und als er hinter ihr fuhr und ihr nach ihren Angaben den Mittelfinger zeigte. Daran ändert nichts, dass der Sohn der Beschwerdegegnerin 2 Letzteres nicht wahrnahm.
2.
Der Beschwerdeführer bestreitet die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens als grobe Verletzung der Verkehrsregeln resp. Schikanestopp und rügt insoweit eine Verletzung des Anklageprinzips.
2.1.
2.1.1. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 141 IV 132 E. 3.4.1). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Solange für die beschuldigte Person klar ist, welcher Sachverhalt ihr vorgeworfen wird, steht auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage einem Schuldspruch nicht entgegen. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen. Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO; Urteil 6B_749/2017 vom 12. Februar 2018 E. 1.1 mit Hinweis).
2.1.2. Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand verlangt nach der Rechtsprechung, dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Eine konkrete Gefahr oder Verletzung ist nicht verlangt. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1; Urteil 6B_359/2017 vom 1. November 2017 E. 2.2; je mit Hinweisen).
Gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren. Brüskes Bremsen und Halten sind nur gestattet, wenn kein Fahrzeug folgt und im Notfall (Art. 12 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Ein Notfall liegt vor, wenn wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses aus Sicherheitsgründen sofort gebremst werden muss. Erforderlich ist kein zwingender Grund, da lediglich das unnötige plötzliche Anhalten untersagt ist. Ob das unvermittelte Bremsen unnötigerweise erfolgte, kann nicht generell, sondern nur im konkreten Fall unter Würdigung der Umstände entschieden werden (BGE 137 IV 326 E. 3.3.3; Urteil 6B_764/2016 vom 24. November 2016 E. 1.3; je mit Hinweisen).
2.2.
2.2.1. Eine Verletzung des Anklageprinzips ist, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, nicht ersichtlich. Auch wenn dem die Anklage bildenden Strafbefehl vom 13. Juni 2017 (dazu Art. 356 Abs. 1 StPO) nicht explizit entnommen werden kann, dass die abrupten Bremsmanöver von 50 km/h auf 20 km/h grundlos erfolgt sein sollen, ergibt sich der gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf mehrerer Schikanestopps aus dem Strafbefehl in tatsächlicher Hinsicht klar. Dieser enthält zudem unstreitig die einschlägigen Rechtsgrundlagen, sodass er mit Blick auf die Umgrenzungs- und Informationsfunktion den gesetzlichen Anforderungen genügt. Der Beschwerdeführer behauptet denn auch nicht, dass er über die Bedeutung und Tragweite der Vorwürfe im Unklaren gewesen wäre oder sich nicht gebührend hätte zur Wehr setzen können, was nicht ersichtlich ist. Die Würdigung des Sachverhalts, namentlich, ob auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 abzustellen und der Tatbestand erfüllt ist, sind hingegen vom Gericht zu prüfende Rechtsfragen.
2.2.2. Nach dem zum Sachverhalt Gesagten steht sodann für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer innerorts zweimal ohne ersichtlichen Grund von ca. 50 km/h auf ca. 20 km/h abbremste und dass die Beschwerdegegnerin 2 deshalb ebenfalls abrupt und heftig abbremsen musste, um eine Auffahrkollision zu vermeiden. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe jeweils vor einem Fussgängerstreifen das Tempo reduziert, entfernt er sich vom rechtserheblichen Sachverhalt ohne Willkür darzutun. Im Übrigen vermöchte das blosse Vorhandensein von Fussgängerstreifen die abrupten und heftigen Bremsmanöver auf 20 km/h nicht zu erklären, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass sich tatsächlich Fussgänger an den Übergängen befunden hätten.
Angesichts der Tatsache, dass es aufgrund der Bremsmanöver fast zu Auffahrkollisionen kam, verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie erwägt, der Beschwerdeführer habe eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer hervorgerufen oder mindestens in Kauf genommen, mithin vorsätzlich bzw. rücksichtslos gehandelt. Dass die Fahrbahn nicht feucht war resp. sich die Anklageschrift hierzu nicht äussert, ändert nichts. Der Beschwerdeführer bringt zudem nichts vor, was sein Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen liesse (vgl. Urteil 6B_1324/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.1 mit Hinweisen).
2.2.3. Zu den weiteren Tatvorwürfen der Drohung, Nötigung und Beschimpfung, hinsichtlich welchen er ebenfalls einen Freispruch beantragt, äussert sich der Beschwerdeführer nicht. Darauf ist nicht einzugehen.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Februar 2020
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Matt