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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_996/2019
Urteil vom 27. Februar 2020
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiber Held.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sascha Sardisong,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
2. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Lanter,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mehrfache versuchte schwere Körperverletzung, Beweiswürdigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 18. Juni 2019 (SB180194-O/U/cs).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft wirft A.________ unter anderem vor, am 3. Oktober 2014 in einem Club in Zürich an zwei Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein und hierbei B.________ (nachfolgend "Beschwerdegegner) durch einen Schlag mit einem massiven Glas ins Gesicht eine schwere perforierende Augenverletzung sowie ausgedehnte Riss- Quetschwunden mit Absprengung eines Knochenfragmentes im Bereich des Jochbeinbogens zugefügt zu haben. Im Rahmen der zweiten Auseinandersetzung soll er mehrmals auf den am Boden liegenden C.________ (nachfolgend "Geschädigter") eingetreten und diesen mehrmals am Kopf getroffen haben, wodurch C.________ Prellungen im Gesicht erlitten habe.
Zudem habe A.________ gegenüber der Arbeitslosenkasse am 21. März und 24. April 2013 wahrheitswidrig angegeben, in den beiden Monaten nicht gearbeitet zu haben, weshalb ihm zu Unrecht Fr. 1'302.60 ausbezahlt worden seien.
B.
D as Obergericht des Kantons Zürich verurteilte A.________ am 18. Juni 2019 in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich wegen mehrfach versuchter schwerer Körperverletzung und Vergehen gegen das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 50.-. Es sah wie die erste Instanz vom Widerruf einer vom Bezirksgericht Luzern bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Verlängerung der Probezeit um ein Jahr ab, gewährte A.________ jedoch im Gegensatz zur ersten Instanz nicht den teilbedingten Vollzug der dreijährigen Freiheitsstrafe, sondern sprach die Strafe unbedingt aus.
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt sinngemäss, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei von den Vorwürfen der mehrfach versuchten schweren Körperverletzung und des Verstosses gegen das AVIG freizusprechen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner Beschwerde nicht zum Schuldspruch wegen Verstosses gegen das AVIG, den er zudem im Berufungsverfahren eingeräumt hatte. Auf seinen diesbezüglichen Antrag auf Freispruch ist mangels Begründung nicht einzutreten (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG).
2.
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Die vorinstanzliche Beweiswürdigung widerspreche der Aktenlage und sei zudem unvollständig und einseitig. Die auf dem (Überwachungs-) Video des Clubs zu sehende Bewegung des Beschwerdeführers lasse sich nicht eindeutig als Schlag identifizieren. Auch hätten die Strafbehörden kein Gutachten zu der Frage eingeholt, ob die Armbewegung mit genügender Intensität geführt worden sei, um die beim Beschwerdegegner eingetretenen Verletzungen hervorzurufen. Anhand des Videomaterials und der bekannten Körpermasse des Beschwerdeführers hätten sich sowohl die Bewegungsgeschwindigkeit als auch die hierdurch ausgelöste Kraft darstellen (respektive berechnen) lassen. Die Vorinstanz sei ausserstande, einen schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverhalt zu erstellen, denn sie schliesse einen Treffer mit der Rückhand explizit aus, der jedoch zwingende Folge eines mit dem rechten Arm nach rechts ausgeführten Schlages sei. Der von der Vorinstanz in Abweichung vom Bezirksgericht völlig neu festgestellte Sachverhalt sei mit dem Videomaterial nicht zu vereinbaren und durch das Gutachten des IRM vom 29. Juli 2016 widerlegt, wonach ein intaktes Glas (des Typs M 1) nicht zerbreche, wenn damit zugeschlagen werde. Entgegen der Vorinstanz sei auch das Ergänzungsgutachten vom 23. Februar 2017 nicht zielführend, da dieses auf einem Versuchsaufbau beruhe, der nicht dem zur Anklage gebrachten Lebenssachverhalt entspreche und zudem den Nachweis schuldig bleibe, dass bei einem Schlag nicht nur das Glas in der Hand zerbrechen, sondern auch die Verletzungen des Privatklägers hätten verursacht werden können. Unzutreffend sei, auf der Videoaufzeichnung sei zu sehen, dass der Beschwerdegegner unmittelbar nach dem vermeintlichen Schlag des Beschwerdeführers an der linken Gesichtshälfte verletzt sei, denn der Beschwerdegegner sei nach der Bewegung in der Menschenmenge rund 16 Sekunden nicht zu sehen. Unberücksichtigt bliebe die Aussage der Zeugin D.________, dass eine dritte Person sich verletzungsbedingt mit der Hand an das Auge gefasst habe, als der anderweitig verfolgte E.________ ein Glas geworfen habe. Auch den Faustschlag des Geschädigten gegen den Beschwerdeführer lasse die Vorinstanz unerwähnt. Insgesamt bestünden unüberwindliche Zweifel, dass der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner verletzt habe.
Hinsichtlich der zweiten Auseinandersetzung sei erstellt, dass der Beschwerdeführer vom Geschädigten angegriffen worden sei. Die Vorinstanz umreisse zwar, dass sich der Beschwerdeführer auf eine Notwehrlage berufe, unterlasse jedoch die Beurteilung einer möglichen Notwehrlage.
2.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, dass sich die schlechten und teilweise diffusen Lichtverhältnisse auch auf die Qualität des Überwachungsvideos ausgewirkt haben. Jedoch seien die entscheidenden Vorgänge bei genauer Betrachtung sichtbar. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Körpergrösse von knapp 2 Metern und seiner weissen Kapuzenjacke auf den Aufnahmen gut zu erkennen, der Beschwerdegegner anhand seiner Frisur und des hellen Hemdes. Nachdem es zur Auseinandersetzung zwischen dem anderweitig verfolgten E.________ und dem Geschädigten gekommen sei, winkle der Beschwerdeführer, der ein Glas in der Hand halte, seinen Arm an und fahre diesen in voller Länge aus, "wobei er voll durchziehe". Sein kraftvoller Rundumschlag nach rechts treffe den Beschwerdegegner in Höhe des Kopfes. Auf der Videoaufzeichnung sei ersichtlich, dass der Beschwerdegegner unmittelbar nach dem Schlag des Beschwerdeführers im Gesicht verletzt war. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs, der Zeugenaussagen und der eingeholten Gutachten sei ausgeschlossen, dass die Verletzungen, wie der Beschwerdeführer vorbringt, durch einen Glaswurf von E.________ verursacht worden sein könnten. Das Verletzungsbild mit den relativ tief in die Augenhöhle des Beschwerdegegners eindringenden Glassplittern liesse sich am ehesten durch einen Richtung Auge geführten Schlag mit einem zerbrochenen oder scharfkantigen Glas erklären. Auch hätten alle Zeugen glaubhaft und übereinstimmend ausgesagt, E.________ habe das Glas auf/in Richtung des Geschädigten geworfen, weshalb keine Zweifel bestünden, dass die Verletzungen des Beschwerdegegners durch einen Schlag mit dem Glas in der Hand verursacht worden seien.
Hinsichtlich des zweiten Vorwurfs ergebe sich anhand der Videoaufnahmen, dass der Beschwerdeführer zwei Tritte gegen den am Boden liegenden Geschädigten gemacht habe, von denen einer heftig gewesen sei. Aufgrund der glaubhaften Aussagen des Geschädigten sowie einer Zeugin sei erstellt, dass der Beschwerdeführer mehrere, teils heftige Tritte gegen den Oberkörper und den Kopf des Geschädigten ausgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, den Geschädigten getreten zu haben, weshalb sein Fuss immer noch schmerze.
3.
3.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 144 V 50 S. 52 f. mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn der angefochtene Entscheid unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 143 IV 500 E. 1.1, 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Im Rahmen der Sachverhaltsrüge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 369 E. 6.3; Urteile 6B_986/2017 vom 26. Februar 2018 E. 2.4.1; 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 10.3.1, nicht publiziert in BGE 143 IV 397).
3.2.
3.2.1. Die Rügen erweisen sich als unbegründet, soweit sie den Rügeanforderungen genügen und auf sie eingetreten werden kann. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung vorbringt, erschöpft sich fast ausschliesslich in appellatorischer Kritik. Er beschränkt sich (weitgehend) darauf, losgelöst von den vorinstanzlichen Erwägungen frei zum Beweisergebnis zu plädieren und dem Bundesgericht seine eigene Sicht der Dinge darzulegen. Er verkennt insoweit, dass das Bundesgericht als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine Appellationsinstanz ist, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3). Das Bundesgericht überprüft im Rahmen einer Sachverhaltsrüge lediglich - aber immerhin -, ob das erkennende Sachgericht unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche willkürlich ausser Acht gelassen hat (vgl. BGE 140 III 264 E. 3.2; Urteil 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 10.3.1, nicht publ. in: BGE 143 IV 397; je mit Hinweisen). Inwieweit dies der Fall sein soll, ergibt sich aus den ohne Bezug zum angefochtenen Urteil gemachten Ausführungen des Beschwerdeführers nicht.
Unzutreffend ist, die Vorinstanz berücksichtige einzelne Beweise nicht respektive nicht hinreichend. Dass der Beschwerdeführer der Aussage der Zeugin D.________ eine andere Bedeutung und Tragweite zumisst als die Vorinstanz, belegt, dass deren Aussagen im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt worden sind. Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit deren Aussage, eine dritte, mit dem Beschwerdegegner nicht identische Person sei durch den Glaswurf des separat verfolgten E.________ im Gesicht verletzt worden, hinsichtlich der schweren Verletzung des Beschwerdegegners von Bedeutung sein soll. Dies gilt auch für den angeblich vom Geschädigten gemachten Faustschlag. Die Vorinstanz schliesst zugunsten des Beschwerdeführers gerade nicht aus, dass sich der Geschädigte im Rahmen der ersten Auseinandersetzung nicht nur passiv verhalten und sich gegen E.________ "gewehrt" hat. Soweit er hieraus ohne weitere Begründung einen Angriff auf sich ableitet, trägt der Beschwerdeführer erneut seine eigene, von der Vorinstanz abweichende Sachverhaltsschilderung vor. Auch die vom Beschwerdeführer an den beiden Gutachten geäusserte Pauschalkritik ist ungeeignet, eine nicht haltbare Beweiswürdigung der Vorinstanz darzulegen. Der Beschwerdeführer setzt sich mit den Gutachten inhaltlich nicht auseinander, sondern versucht deren Ergebnisse durch eigene, hypothetische Berechnungen zur Schlaggeschwindigkeit und der daraus resultierenden Energie bei Auftreffen der Hand und des Glases in Frage zu stellen. Damit zeigt er jedoch nicht auf, warum die Gutachten unschlüssig sein sollten und die Vorinstanz hierauf nicht hätte abstellen dürfen. Insgesamt erweist sich die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht als offensichtlich unhaltbar, weshalb die Beschwerde im Umfang des Eintretens abzuweisen ist.
3.2.2. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe bei der zweiten Situation in Notwehr gehandelt, entfernt er sich von den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, ohne ansatzweise darzulegen, inwieweit diese offensichtlich unrichtig sein sollen. Die Vorinstanz verwirft aufgrund der Videoaufzeichnung, Zeugenaussagen und nicht zuletzt der vom Beschwerdeführer im Laufe des Strafverfahrens gemachten Einlassungen, dass er den am Boden liegenden Geschädigten getreten habe, das Vorliegen einer Notwehrsituation. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt, soweit zulässig, abzuweisen.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Februar 2020
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Held