Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1339/2019
Urteil vom 1. April 2020
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiber Weber.
Verfahrensbeteiligte
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Wüthrich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit;
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 1. November 2019 (SK 18 542).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, wirft A.________ mit als Anklageschrift geltendem Strafbefehl vom 6. September 2017 u.a. vor, anlässlich einer Verkehrskontrolle am 13. Juni 2017 hätten bei ihm als Lenker eines Personenwagens Anzeichen von Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss bestanden. A.________ habe sich geweigert, einen polizeilich angeordneten sogenannten Mahsan-Test anhand einer Urinprobe durchführen zu lassen. Dadurch habe er eine Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit vereitelt.
B.
Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland sprach A.________ am 20. September 2018 von der vorliegend noch relevanten Anschuldigung der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit frei.
Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 1. November 2019 das erstinstanzliche Urteil, soweit dieses nicht bereits in Rechtskraft erwachsen war.
C.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss auch das Rechtsbegehren grundsätzlich reformatorisch gestellt werden; ein blosser Antrag auf Rückweisung ist nicht zulässig, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135; 134 III 379 E. 1.3 S. 383). Weil die Beschwerdebegründung zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Begehren ohne einen Antrag in der Sache dann, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2 S. 136).
Die Beschwerdeführerin beantragt eine Neubeurteilung durch die Vorinstanz ohne ausdrücklichen Antrag in der Sache. Dass das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Beschwerde nicht selbst in der Lage wäre, ein Sachurteil zu fällen, macht sie nicht geltend. Ihrer Beschwerdebegründung lässt sich indessen entnehmen, dass sie eine Verurteilung des Beschwerdegegners wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit anstrebt. Ihr Rechtsbegehren ist in diesem Sinne zu interpretieren.
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, der Beschwerdegegner habe sich einer vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung widersetzt. Alleine dadurch habe er sich nach Art. 91a Abs. 1 SVG strafbar gemacht. Indem die Vorinstanz den Mahsan-Test als untaugliches Mittel zum Nachweis von Betäubungsmitteln bezeichne und den Beschwerdegegner vom Vorwurf der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit freispreche, verletze sie Bundesrecht. Der Mahsan-Test sei zudem kein untaugliches Mittel zum Nachweis von Betäubungsmitteln. Die Vorinstanz habe sich nicht zur Frage geäussert, ab welcher Konsummenge legalen Cannabidiol (nachfolgend CBD) Hanf der Tetrahydrocannabinol (nachfolgend THC) Blutgrenzwert überschritten werde. Ein positives Mahsan-Testergebnis sei praktisch ausgeschlossen, wenn jemand in der vom Beschwerdegegner geltend gemachten Häufigkeit CBD Hanf konsumiere. Zur tatsächlich konsumierten Menge habe sich dieser indessen nicht geäussert. Die vorinstanzliche Behauptung, der Mahsan-Test hätte "sowieso" ein positives Ergebnis angezeigt, erweise sich als willkürlich.
2.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdegegner habe gegenüber der Polizei angegeben, ca. zwei Stunden vor der Verkehrskontrolle vom 13. Juni 2017 legal erstandenen CBD Hanf konsumiert zu haben. Eine Urinprobe habe er nicht abgeben wollen, weil er gewusst habe, ein Mahsan-Testergebnis falle positiv aus. Dies habe er so im Internet gelesen. Er konsumiere lediglich ab und zu, ca. zwei bis drei Mal pro Woche, CBD Hanf. Er habe der Polizei eine Dose CBD Hanf abgegeben. Die Analyse dieser sichergestellten CBD Hanfblüten durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern habe einen THC Gehalt von 1.3% (+/- 0.3%) ergeben (angefochtenes Urteil, E. II. S. 5). Es sei davon auszugehen, ein Mahsan-Test hätte aufgrund des THC Gehalts im CBD Hanf "sowieso" ein positives Ergebnis angezeigt. Er sei deshalb vorliegend kein taugliches Mittel zum Nachweis von Betäubungsmitteln und der Beschwerdegegner sei in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils von der Anschuldigung der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit freizusprechen (angefochtenes Urteil, E. III. 7.4 S. 8).
2.3. Gemäss Art. 55 Abs. 1 SVG können Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer einer Atemalkoholprobe unterzogen werden. Weist die betroffene Person Anzeichen von Fahrunfähigkeit auf und sind diese nicht oder nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so kann sie weiteren Voruntersuchungen, namentlich Urin- und Speichelproben unterzogen werden (Art. 55 Abs. 2 SVG). Eine Blutprobe muss u.a. angeordnet werden, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind (vgl. Art. 55 Abs. 3 lit. a SVG).
Gemäss Art. 10 Abs. 1 der Strassenverkehrskontrollverordnung vom 28. März 2007 (SKV; SR 741.013) kann die Polizei zur Feststellung des Alkoholkonsums Vortestgeräte verwenden, die Auskunft über die Alkoholisierung geben. Bestehen Hinweise dafür, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat, so kann die Polizei zum Nachweis von Betäubungs- oder Arzneimitteln namentlich im Urin, Speichel oder Schweiss Vortests durchführen (Art. 10 Abs. 2 SKV). Eine Blutprobe ist anzuordnen, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit oder Hinweise auf Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht oder nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind. Zusätzlich kann eine Sicherstellung von Urin angeordnet werden (Art. 12a SKV).
Die Polizei muss die betroffene Person darauf hinweisen, dass die Weigerung, an der Durchführung eines Vortests oder der Atemalkoholprobe mitzuwirken, die Anordnung einer Blutprobe zur Folge hat (Art. 13 Abs. 1 lit. a SKV). Verweigert die betroffene Person die Durchführung eines Vortests, die Atemalkoholprobe, die Blutentnahme, die Sicherstellung von Urin oder die ärztliche Untersuchung, so ist sie auf die Folgen, d.h. Strafbarkeit nach Art. 91a Abs. 1 SVG und Führerausweisentzug nach Art. 16c Abs. 1 lit. d und Abs. 2 SVG, aufmerksam zu machen (Art. 13 Abs. 2 SKV).
Der Bundesrat hat gestützt auf die Delegationsnorm von Art. 55 Abs. 7 lit. a SVG festgelegt, dass die Fahrunfähigkeit aufgrund von THC unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Verträglichkeit als erwiesen gilt, wenn der Messwert im Blut den Grenzwert von 1,5 Mikrogramm THC pro Liter Blut erreicht oder überschreitet (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11] und Art. 34 lit. a der Verordnung des Bundesamtes für Strassen [ASTRA] zur Strassenverkehrskontrollverordnung vom 22. Mai 2008 [VSKV-ASTRA; SR 741.013.1]).
Der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a Abs. 1 SVG macht sich schuldig, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat. Damit soll verhindert werden, dass der korrekt sich einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit unterziehende Fahrzeugführer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht oder sie sonstwie vereitelt. In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 145 IV 50 E. 3.1 mit Hinweisen).
Art. 91a SVG ist ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die zuverlässige Ermittlung der Fahrunfähigkeit mittels der im Gesetz vorgesehenen Untersuchungsmethoden durch aktiven oder passiven Widerstand verunmöglicht wird, d.h. definitiv nicht mehr möglich ist. Betäubungsmittelvortests haben indessen lediglich eine Indikatorfunktion und dienen als Entscheidungshilfe dafür, ob eine Blutprobe anzuordnen und der Fahrzeugführer einer Zwangsmassnahme zu unterziehen ist. Sie ersetzen im Gegensatz zur Atemalkoholprobe die Blutprobe nicht. Zur exakten Feststellung des relevanten medizinischen Zustands der betroffenen Person zum Abnahme- bzw. Fahrzeitpunkt sind sie ungeeignet. Die Verweigerung von Betäubungsmittelvortests genügt zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 91a SVG deshalb nicht (Urteil 6B_614/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 1.6.2 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen).
2.4. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass der sog. Mahsan-Test zur Feststellung der Fahrfähigkeit des Beschwerdegegners geeignet gewesen wäre. Dies ist auch nicht ersichtlich. Entscheidend für die beweiskräftige Ermittlung der Fahrfähigkeit ist der im Blut gemessene THC-Wert (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV i.V.m. Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA). Der Mahsan-Test anhand einer Urinabgabe ist jedoch bloss ein Betäubungsmittelvortest im Sinne von Art. 55 Abs. 2 SVG, Art. 10 Abs. 2 SKV und der vorgenannten jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Die unbekannte Menge des konsumierten CBD Hanfs ändert an der von der Vorinstanz festgestellten Untauglichkeit des Mahsan-Tests bezüglich des Messwerts im Blut respektive der Fahrfähigkeit des Beschwerdegegners nichts. Die Frage, ob ein Mahsan-Testergebnis positiv oder negativ ausgefallen wäre, ist sodann nicht entscheidwesentlich. Da der Beschwerdegegner laut unbestrittenem Sachverhalt die Abgabe einer Urinprobe zur Durchführung eines solchen Vortests verweigerte, hält der vorinstanzliche Freispruch vom Vorwurf der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a SVG als Erfolgsdelikt vor Bundesrecht stand. Die polizeilich festgestellten roten Augen und der Marihuanageruch aus dem Fahrzeuginnenraum sowie die Weigerung des Beschwerdegegners zur Mitwirkung beim Vortest hätten soweit ersichtlich zwar zur Anordnung einer Blutprobe führen müssen (vgl. Art. 55 Abs. 3 SVG, Art. 12a SKV und Art. 13 Abs. 2 SKV). Dass der Beschwerdegegner sich einer solchen widersetzt habe, wird ihm aber nicht vorgeworfen.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zur Einreichung einer Vernehmlassung eingeladen wurde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. April 2020
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Weber