67. Urteil vom 28. Juni 1972 i.S. Danuser gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
|
Regeste
|
1. Art. 55 BV; Meinungsäusserungsfreiheit; Art. 27 und 32 StGB; Art. 3 und 5 zürch KV; zürch. Strafprozess.
|
2. Persönliche Freiheit; Art. 7 zürch. KV; §134 zürch. StPO.
|
Bei Verweigerung des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist verfassungswidrig
|
- wann die Androhung bzw. Anordnung der Beugehaft wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit? (Erw. 4 a, b);
|
- nicht die Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB (Erw.4 c).
|
Sachverhalt
|
BGE 98 Ia 418 (419):
A.- a) Am 26. September 1971 entwichen während einer Aktion der sogenannten Heimkampagne aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon 17 Zöglinge. Vier der Entwichenen konnten am 4. Oktober festgenommen werden; die übrigen wurden bis zum 9. Oktober 1971 von Mitgliedern und Sympathisanten der Heimkampagne beherbergt. Die Bezirksanwaltschaft Zürich eröffnete gegen die an der Flucht "beteiligten" Drittpersonen ein Strafverfahren wegen Gefangenenbefreiung und Begünstigung.
|
b) Am 8. Oktober 1971 strahlte das Fernsehen der deutschen und rätoromanischen Schweiz über diese Angelegenheit einen sechsminütigen Film mit einem Interview aus, an dem sich einige der entflohenen Zöglinge beteiligten, deren Aufenthaltsort damals noch unbekannt war. Verantworlicher Leiter der Sendung war Dr. Hanspeter Danuser. Regierungsrat Dr. Bachmann hatte den Film vor der Sendung gesehen und sich für ein Interview zur Verfügung gestellt. Auch der Bezirksanwaltschaft war der Streifen gezeigt worden.
|
c) Dr. Danuser wurde im Strafverfahren von Polizei und Bezirksanwaltschaft vernommen. Er erklärte, am 5. Oktober 1971 angefragt worden zu sein, ob das Fernsehen an Filmmaterial über die entwichenen Zöglinge interessiert sei, auf welches Angebot er unter bestimmten Bedingungen eingegangen sei. Er gab den Strafverfolgungsbehörden über die Angelegenheit Auskunft, weigerte sich aber zu sagen, wer die Verbindung zwischen ihm und den Zöglingen hergestellt und wer bei der Aufnahme des Films als Kameramann mitgewirkt hatte.
|
B.- Am 3. Januar 1972 erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen Dr. Danuser die folgende Verfügung:
|
"1. Dr. Hanspeter Danuser wird aufgefordert, bis spätestens 17. Januar 1972, 1400 Uhr, die Namen der zwei Personen bekanntzugeben, die mit ihm bezüglich der Sendung der "Antenne" vom 8. Oktober 1971, 1900 Uhr, über aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon entwichene Zöglinge Kontakt hatten, bzw. an den betreffenden Aufnahmen beteiligt waren.
|
2. Kommt Dr. Danuser dieser Aufforderung nicht nach, so wird er - nach nochmaliger Einvernahme am 17. Januar 1972, 1400 Uhr - in Anwendung von § 134 StPO für maximal 24 Stunden in Beugehaft gesetzt.
|
3. Ist Dr. Danuser auch nach Ablauf dieser Haft nicht bereit, gemäss § 128 StPO als Zeuge auszusagen, so wird er anschliessend dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB überwiesen."
|
BGE 98 Ia 418 (420):
Einen Rekurs der Generaldirektion der Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft im Namen Dr. Danusers wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 15. Februar 1972 ab.
|
C.- Dr. Danuser führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des Entscheids der Staatsanwaltschaft und der Verfügung. der Bezirksanwaltschaft. Gestützt auf Art. 55 BV, Art. 3, 5 und 7 der zürcherischen Kantonsverfassung macht er geltend, er sei in seiner Meinungsäusserungsfreiheit, der Betätigungsfreiheit als Journalist und in der persönlichen Freiheit beeinträchtigt worden. Zudem sei der Grundsatz der Proportionalität bei staatlichen Eingriffen verletzt und die Zürcher Strafprozessordnung willkürlich ausgelegt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde.
|
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
|
|
§ 134 StPO bestimmt, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung bis zu vierundzwanzig Stunden in Verhaft gesetzt wird und bei weiterer Weigerung nach vorangegangener Androhung dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung zu überweisen ist.
|
b) Der angefochtene Entscheid entspricht in allen Teilen diesen Vorschriften. Die Rüge ihrer willkürlichen Auslegung ist von vornherein unbegründet. Da der Beschwerdeführer sich weigerte als Zeuge auszusagen, ohne dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, kann nach den Bestimmungen der StPO BeugehaftundBestrafungwegenUngehorsamsangedrohtwerden.
|
Dass die angeführten Bestimmungen der Zürcher StPO auf ihn nicht anwendbar sein sollen, möchte der Beschwerdeführer offenbar daraus ableiten, dass er durch das journalistische Berufsgeheimnis und auch durch die Richtlinien seiner Arbeitgeberin, der Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft, verpflichtet sei, die Quelle vertraulicher Informationen nicht preiszugeben.
|
Weder dienstvertragliche Pflichten noch der Ehrenkodex einer Berufsorganisation können die grundsätzliche Zeugenpflicht BGE 98 Ia 418 (421):
einschränken oder gleichsam einen aussergesetzlichen Zeugnisverweigerungsgrund schaffen (vgl. BGE 83 IV 61 f., BGE 92 I 396 f.). Solche Bindungen mögen bei der nachträglichen Beurteilung einer unberechtigten Zeugnisverweigerung von Belang sein, ändern aber nichts an der Pflicht zur Aussage.
|
Der gegenteilige Schluss lässt sich auch nicht aus Art. 32 StGB ziehen. Nach dieser Bestimmung ist eine Tat, die das Gesetz oder eine Amts- oder Berufspflicht gebietet, kein Verbrechen oder Vergehen. Art. 32 umschreibt einen Rechtfertigungsgrund und bezieht sich nicht auf die gesetzliche Pflicht zur Zeugenaussage; man hat denn auch richtigerweise aus dieser Vorschrift nie abgeleitet, eine berufliche Geheimhaltungspflicht berechtige von vornherein zur Zeugnisverweigerung. Sogar wenn die berufliche Geheimhaltungspflicht im StGB selber (vgl. Art. 321) oder in einem andern Bundesgesetz (z.B. Bankengesetz Art. 47 lit. b) aufgestellt ist, bricht die gesetzliche Zeugenpflicht in der Regel das Geheimhaltungsgebot (vgl. Ziff. 3 von Art. 321 StGB sowie zum Bankengesetz BGE 96 I 749); es ist Sache des Prozessrechts, den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts zu bestimmen. Die Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Journalisten im Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwG Art. 16 Abs. 3) bezieht sich nur auf das Verwaltungsverfahren des Bundes und verpflichtet die kantonalen Instanzen nicht, ihre prozessualen Bestimmungen zu ändern oder auf dem Wege der Auslegung in analoger Weise die Aussageverweigerung zu gestatten.
|
|
a) Art. 55 BV gewährleistet die Pressefreiheit. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts wurde anerkannt, dass es sich dabei um einen Teilbereich einer umfassenden Meinungsäusserungsfreiheit handelt, die als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung zu gelten hat (BGE 96 I 592, 224, BGE 91 I 485). Dieses Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit gilt auch für Fernsehmitarbeiter, ohne dass hier allgemein die analoge Anwendbarkeit presserechtlicher Vorschriften auf Radio und Fernsehen untersucht zu werden braucht. Der vom Beschwerdeführer noch angerufene Art. 3 KV gewährleistet ebenfalls das Recht zur Meinungsäusserung. Da diese kantonale Verfassungsbestimmung keinen weitergehenden Schutz gewährt als das BGE 98 Ia 418 (422):
ungeschriebene Grundrecht der Bundesverfassung, kann ihr beim heutigen Stand der Rechtsprechung keine selbständige Bedeutung mehr zukommen (vgl. BGE 93 I 137 E. 3).
|
b) Das allgemeine Recht zur freien Meinungsäusserung besagt nichts darüber, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Journalist oder Fernsehmitarbeiter als Zeuge in einem Strafverfahren seine Informationsquelle zu verschweigen berechtigt ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verschweigen der Informationsquelle lässt sich aus dem Anspruch auf freie Meinungsäusserung nicht herleiten. Das von den Organisationen der Journalisten seit einiger Zeit geforderte Recht auf Geheimhaltung ihrer Auskunftspersonen (zur Grundsatzfrage: Max NEF, GUT, CORDEY, alle in ZStR 1969, resp. S. 113 ff., 160 ff., 139 ff.) lässt sich nur unter Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen für bestimmte Verfahrensordnungen gesetzlich umschreiben, wie das im VwG geschehen ist. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, wo der sogenannte Informantenschutz in zunehmendem Masse Anerkennung findet, wird er nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet, sondern bedarf der gesetzlichen Umschreibung (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 20 S. 216, 25 S. 305; Archiv für Presserecht, Sonderheft Rechtsprechung 1945-1956 S. 73, auch Übersicht über die Rechtsprechung 1970 S. 161/162). Aus der Pressefreiheit oder der Meinungsäusserungsfreiheit kann nicht ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht abgeleitet werden; denn die gewährleisteten Grundrechte sind durch die Zeugenpflicht nicht direkt berührt. Ob die publizistische Auswertung geheimer Informationsquellen gegenüber der Abklärung bestimmter Sachverhalte höher einzustufen ist und ob deswegen die Geheimhaltung der Auskunftspersonen im Strafverfahren zulässig sein soll, ist eine Frage, deren Lösung nicht dem Verfassungsrecht entnommen werden kann, sondern vom zuständigen Gesetzgeber zu treffen ist. Dadurch, dass die Zürcher StPO - wie übrigens auch die Strafprozessordnung anderer Kantone und das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege - dem Journalisten oder Fernsehmitarbeiter kein Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutze des Informanten einräumt, wird weder Art. 55 BV noch das ungeschriebene Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt.
|
c) Art. 27 StGB, der ein Problem bundesgesetzlich ordnet, über welches früher unmittelbar auf Grund von Art. 55 BV BGE 98 Ia 418 (423):
entschieden wurde (BGE 70 IV 24), vermag zur Begründung des geforderten Rechts auf Verschweigen der Informationsquelle nichts beizutragen. Nach dieser Bestimmung kann bei einem reinen Pressedelikt, d.h. wenn sich die strafbare Handlung in dem Presseerzeugnis erschöpft, der Name des Verfassers verschwiegen werden; der verantwortlich zeichnende Redaktor ist dann als Täter strafbar. Aus dieser Sonderordnung, die mit einer Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung verbunden ist, lässt sich keine Einschränkung der Zeugenpflicht des Journalisten bei einem gewöhnlichen, kein Pressedelikt betreffenden Strafverfahren ableiten (vgl. hiezu U. WEBER, Betrachtungen zur Stellung periodischer Druckschriften im Strafprozess, Diss. Bern 1971 S. 106 ff.). Der naheliegende Umkehrschluss führt vielmehr zum Ergebnis, dass ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 27 StGB die durch dessen Ziff. 3 Abs. 3 aufgehobene Aussagepflicht besteht, sofern nicht dass kantonale Recht eine weitergehende Befugnis zur Verweigerung von Aussagen einräumt (SCHULTZ, Das Problem einer Sonderstellung der Presse im Strafverfahren, in "Arbeiten zur Rechtsvergleichung", Heft 29, Frankfurt 1966, S. 25 ff.).
|
|
|
a) Art. 7 zürch. KV gewährleistet die persönliche Freiheit. Nach der neuern Praxis des Bundesgerichts gehört die Garantie der persönlichen Freiheit zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes (BGE 97 I 45 mit Hinweisen). Entsprechende Garantien in den Kantonsverfassungen haben somit keine selbständige Bedeutung mehr, sofern sie nicht weiter gehen als die bundesrechtliche Gewährleistung. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass dies für Art. 7 KV zutreffe. Zu prüfen ist daher bloss, ob der angefochtene Entscheid vor dem ungeschriebenen BGE 98 Ia 418 (424):
Grundrecht des Bundes standhält (BGE 97 I 49).
|
b) § 134 StPO schreibt vor, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung "vorläufig bis zu vierundzwanzig Stunden" in Haft gesetzt wird. Trotz der Wendung "vorläufig" ist eine Verlängerung oder Wiederholung der Massnahme nicht vorgesehen. Für die im angefochtenen Entscheid angedrohte Massnahme der Beugehaft bis höchstens 24 Stunden besteht also eine klare gesetzliche Grundlage.
|
Zu untersuchen bleibt, ob der vorgesehene Eingriff in die persönliche Freiheit verhältnismässig ist. Diese Prüfung geschieht grundsätzlich frei (BGE 97 I 52 und 844).
|
aa) Vorweg ist zu klären, ob Beugehaft allgemein als Zwangsmittel gegen widerspenstige Zeugen dem Verhältnismässigkeitsprinzip entspricht. Obschon verschiedene kantonale Prozessordnungen darauf verzichten und sich mit der nachträglichen Bestrafung des nicht aussagenden Zeugen begnügen (so StPO Basel-Stadt § 43, Aargau § 96), erscheint doch die Beugehaft, die auch im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 in Art. 88 (bis 24 Stunden) vorgesehen ist, nicht von vornherein als unverhältnismässiger und daher verfassungswidriger Eingriff in die persönliche Freiheit. Je nach der Schwere der abzuklärenden Straftat und der mutmasslichen Bedeutung der verweigerten Aussagen lässt sich die Zwangshaft unter Umständen rechtfertigen. Das öffentliche Interesse an der Aussage muss jedoch so erheblich sein, dass ein zeitlich beschränkter Freiheitsentzug als Zwangsmittel vertretbar und nicht unverhältnismässig ist. Die Anordnung der Beugehaft in jedem Straffall und gegenüber jedem die Aussage verweigernden Zeugen - wie dies § 134 zürch. StPO nach dem Wortlaut nicht nur ermöglicht, sondern vorschreibt - ist in dieser allgemeinen Form vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht haltbar. Beugehaft ist verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie im konkreten Fall den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt. Nichts anderes gilt, wenn es sich bei dem Zeugen um einen Journalisten handelt. Der von NEF (ZStR 1969 S. 138) geforderte generelle Verzicht auf die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber die Aussagen verweigernden Journalisten lässt sich unter diesem Gesichtswinkel nicht rechtfertigen. Auch die Aussage eines Journalisten kann für ein bestimmtes Strafverfahren sehr wichtig sein, sodass dann die Anwendung der BGE 98 Ia 418 (425):
Beugehaft im öffentlichen Interesse eine hinreichende Begründung findet.
|
bb) Ist somit die Beugehaft nicht grundsätzlich verfassungswidrig, so muss untersucht werden, ob ihre Anwendung bzw. Androhung im konkreten Fall im Rahmen der Verhältnismässigkeit bleibt.
|
Eine erste Schranke gegen eine so einschneidende Massnahme kann sich aus der Geringfügigkeit der zu untersuchenden Straftat ergeben. Wenn für den Täter keine Freiheitsstrafe in Frage kommt, wird die Anwendung der Beugehaft auf den Zeugen in der Regel ausser Betracht fallen. In der Untersuchung gegen die am Entweichen von Uitikoner Zöglingen beteiligten Personen geht es um die Abklärung von Handlungen, die gegebenenfalls nach Art. 305 (Begünstigung) oder Art. 310 StGB (Gefangenenbefreiung, vgl. BGE 96 IV 72) mit Gefängnisstrafen bis zu 3 Jahren zu ahnden sind. Die Art und Schwere der abzuklärenden Delikte schliesst somit Beugehaft nicht schon von vornherein aus. Vergleichsweise sei immerhin erwähnt, dass strafprozessuale Eingriffe in das Post-, Telephon- und Telegrammgeheimnis (gemäss Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968, AS 1969 1117) nur in Strafuntersuchungen wegen eines Verbrechens, d.h. eines mit Zuchthaus als Höchststrafe bedrohten Deliktes zulässig sind (abgesehen von den Delikten gegen den Staat, die Landesverteidigung und die Wehrkraft des Landes). Ob der Freiheitsentzug als Zwangsmittel gegen einen Zeugen in Verfahren soll eingesetzt werden dürfen, in denen das Post-, Telephon- und Telegrammgeheimnis von den Strafverfolgungsorganen zu respektieren ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Beugehaft im konkreten Fall schon aus einem andern Grunde als unverhältnissmässig erscheint.
|
Steht die Art des abzuklärenden Deliktes der Beugehaft nicht entgegen, so bleibt als zweite Schranke im Sinne der Verhältnismässigkeit das Erfordernis, dass das Zwangsmittel nur eingesetzt werden darf, wenn die einigermassen begründete Erwartung besteht, dass der sich weigernde Zeuge Angaben machen kann, die für die Strafverfolgung von erheblicher Bedeutung sind. Als möglicher Inhalt einer Aussage von erheblicher Bedeutung kommen insbesondere Angaben in Frage, die zur Entdeckung von Tätern führen oder eine für die Beurteilung wesentliche Abklärung der deliktischen Handlungen erlauben.
|
Vom Beschwerdeführer wird verlangt, dass er jene (eine oder BGE 98 Ia 418 (426):
zwei) Personen angebe, die mit dem Fernsehen Verbindung aufnahmen und den Film über die entwichenen Zöglinge lieferten. Weder die Anfrage beim Fernsehen noch die Herstellung und Lieferung des Films bilden eine strafbare Handlung. Aus den Akten der Strafuntersuchung ist ersichtlich, dass die Hersteller des Films vermummt zu dem Haus geführt wurden, in dem sie die Filmaufnahmen machten, und dass man sie auch verhüllt wieder wegbrachte. Die Organisatoren der Entweichung wollten also vermeiden, dass diese Personen den Fluchtort kannten. Es ist somit anzunehmen, dass die Personen, die an das Fernsehen herantraten und den Film lieferten, mit der Heimkampagne keine engere Beziehung haben, als Täter von Delikten nicht in Frage kommen dürften und auch über den Ablauf der ganzen Angelegenheit kaum wesentliche Angaben machen können. Die Erwartung, durch die Ermittlung der Verbindungsperson und des Kameramannes und durch deren Einvernahme liessen sich weitere aktive Beteiligte finden, ist zwar nicht abwegig, jedoch derart unbestimmt, dass sich die Anordnung der Beugehaft gegenüber dem Zeugen Dr. Danuser mit dieser vagen Hoffnung auf ein positives Ergebnis nicht begründen lässt. Überdies hat die bisherige Untersuchung ein recht umfassendes Bild der ganzen "Aktion" ergeben. Bei dieser Sachlage ist die Androhung und Anwendung der Beugehaft unverhältnismässig. Ziffer 2 der von der Staatsanwaltschaft bestätigten Verfügung der Bezirksanwaltschaft verstösst aus diesem Grunde gegen die Garantie der persönlichen Freiheit und ist aufzuheben.
|
Die Verhältnismässigkeit fehlt schon, wenn das aus der Strafverfolgung sich ergebende, im konkreten Fall relativ geringe öffentliche Interesse dem Rechtsgut der persönlichen Freiheit gegenübergestellt wird. Die Frage, ob nicht wenigstens bei der Beurteilung der Proportionalität einer Zwangsmassnahme auf der Seite des betroffenen Journalisten zusätzlich der als Zeugnisverweigerungsgrund nicht anerkannte berufsethische Gesichtspunkt des Schutzes geheimer Informationsquellen zu berücksichtigen ist, kann daher offen bleiben.
|
c) Nicht verfassungswidrig ist die Androhung der richterlichen Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB. Die Verweigerung des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht sanktionslos hinzunehmen. Wenn der sofortige, nach kantonalem Recht zur Erzwingung von Aussagen angeordnete Freiheitsentzug als unverhältnismässig erscheint, so hat dies BGE 98 Ia 418 (427):
nicht zur Folge, dass auch die Androhung der Bestrafung unterbleiben muss. Die nachträgliche Bestrafung durch den Richter unter Würdigung der gesamten Umstände ist in der Regel eine wesentlich mildere Sanktion als die Beugehaft (die Strafdrohung des Art. 292 lautet auf Busse oder Haft); sie wird nur selten zum tatsächlichen Freiheitsentzug führen. Da die Bestrafung des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung in einem Bundesgesetz vorgesehen ist, hat das Bundesgericht diese Ordnung nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen (Art. 113 Abs. 3 BV). Eine unverhältnismässig harte Strafe könnte mit den Rechtsmitteln des Strafprozessrechts angefochten werden.
|
Demnach erkennt das Bundesgericht:
|
Die Beschwerde wird teilweise dahin gutgeheissen, dass die Androhung der Beugehaft im Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 15. Februar 1972 aufgehoben wird; im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
|