BGE 101 Ia 92
 
18. Urteil vom 25. Juni 1975 i.S. Kurth gegen Kanton Solothurn und Kantonale Rekurskommission Solothurn.
 
Regeste
Art. 4 BV, Treu und Glauben; Steuerveranlagung, Kapitalgewinnsteuer.
Qualifizierung eines Schreibens einer kantonalen Behörde als Steuerabkommen oder lediglich als Auskunft über die für einen bestimmten Sachverhalt massgebliche Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung (E. 2).
Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördlich erteilten, nicht ungesetzlichen Bescheid; Voraussetzungen (E. 3).
 
Sachverhalt


BGE 101 Ia 92 (93):

A.- Mit Übernahmevertrag vom 12. Februar 1971 übertrugen die Aktionäre der Uhrenfabrik Certina, Gebrüder Kurth AG in Grenchen, ihre Aktien an die von der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie AG ASUAG (im folgenden kurz ASUAG) zu gründende General Watch Holding Co. Ltd. (GWC). Als Gegenwert seiner 371 Aktien zu je Fr. 2'000.-- nominal erhielt Adolf Kurth
a) ein Interimszertifikat über 1472 Namenaktien der General Watch Holding Co. Ltd.,
b) einen Bankcheck über Fr. 920'300.-- und
c) ein Interimszertifikat über 9201 Inhaberobligationen der Holding zu nominal Fr. 500.-- (Fr. 4'600'500.--).
Am 29. Januar 1971, also vor der Übernahme, teilte das Finanz-Departement der ASUAG folgendes mit:
"Sie haben uns angefragt, ob der in Form von Inhaber-Obligationen der zu gründenden Holding auszuzahlende Teil des Übernahmewertes (50%) von der solothurnischen Kapitalgewinnsteuer ausgenommen werden könnte.
Nach reiflicher Überlegung kommen wir zu folgendem Schluss:
Obwohl die fraglichen Inhaber-Obligationen eindeutig nicht Wandelobligationen sind und somit kein Beteiligungsrecht verkörpern, sind

BGE 101 Ia 92 (94):

wir in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Zusammenschlusses für den Kanton Solothurn grundsätzlich bereit, den Nennwert der Obligationen nicht als "Aufgeld" im Sinne von StG Abs. 3 zu betrachten und die normalerweise darauf geschuldete Steuer z.Zt. nicht zu erheben.
Diese Zusage machen wir aber nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die zur Zeit nicht erhobene, grundsätzlich aber geschuldete Kapitalgewinnsteuer von den heutigen Aktionären entrichtet wird,
wenn
a) sie aus dem Kanton Solothurn wegziehen,
b) wenn sie die Inhaberobligationen ganz oder teilweise veräussern;
als Veräusserung gilt auch die Hingabe an Zahlungsstatt,
c) wenn die Obligationsanleihe ganz oder teilweise zurückgezahlt wird.
Wir sind also zum oben geschilderten Vorgehen bereit, wenn uns jeder betroffene Aktionär durch Gegenzeichnung einer Kopie dieses Schreibens seine vorbehaltlose Zustimmung zu den obigen Bedingungen bis spätestens 26. Februar 1971 mitteilt."
In der Folge gaben die Aktionäre ihre Zustimmung.
B.- Adolf Kurth ist am 20. November 1971 verstorben. In der Einschätzung für 1971 erfasste die Steuerkommission Grenchen sowohl den Bankcheck als auch die Inhaberobligationen, die der Verstorbene im Austausch gegen einen Teil seiner Certina-Aktien erhalten hatte, für die Kapitalgewinnbesteuerung. Sie wies die gegen die Besteuerung der Obligationen erhobenen Einsprachen der Witwe Kurth und des Finanz-Departements des Kantons Solothurn ab. Die Kantonale Rekurskommission wies ihrerseits ihre Rekurse ab.
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde verlangt Frau Kurth gestützt auf Art. 4 BV die Aufhebung des Urteils der Kantonalen Rekurskommission Solothurn. Diese beantragt Abweisung derselben. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, die im Schreiben des Finanz-Departements vom 29. Januar 1971 enthaltene steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts stimme mit dem Willen des Gesetzgebers überein und verletze daher Art. 37 Abs. 3 StG nicht. Demgegenüber vertritt die Kantonale Rekurskommission die Ansicht, die Auslegung des Art. 37 Abs. 3 StG im Brief

BGE 101 Ia 92 (95):

an die ASUAG gehe über den klaren Wortlaut der Bestimmung hinaus und entspreche den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht. Im übrigen bedeute das Schreiben des Finanz-Departements und die Zustimmung der Aktionäre nichts anderes als einen Vertrag. Diesem fehle indes die gesetzliche Grundlage, weshalb er keine Rechtswirkungen entfalten könne. Wollte man im fraglichen Schreiben eine behördliche Auskunft erblicken, so wäre diese als unrichtig zu qualifizieren; diese Unrichtigkeit sei für die damaligen Certina-Aktionäre jedoch erkennbar gewesen, weshalb Sie sich jetzt nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen könnten.
a) Art. 37 Abs. 3 StG (nach dem Wortlaut der Revision von 1970, in Kraft seit 1. Januar 1971) lautet folgendermassen:
"Bei Tausch
a) von unbebauten Liegenschaften,
b) von Beteiligungsrechten an Kapitalgesellschaften infolge von Unternehmenszusammenschluss, Unternehmensumwandlung und Unternehmensteilung im Sinne von Art. 60 Absatz 2,
c) von Beteiligungsrechten an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften gegen Beteiligungsrechte an Holdinggesellschaften, wird ein Gewinn nur im Umfang eines allfälligen Aufgeldes besteuert unter Vorbehalt der Besteuerung des restlichen Gewinns bei späterer Handänderung."
Die Rekurskommission hat lit. b und c dieser Bestimmung entnommen, privilegiert sei nur der Tausch von Beteiligungsrechten gegen ebensolche Beteiligungsrechte, während jede Gegenleistung in Form von Aufgeld oder Aufzahlung, d.h. jede Gegenleistung, die nicht in Beteiligungsrechten bestehe, der Kapitalgewinnsteuer unterliege. Die Obligationen der GWC seien aber keine Beteiligungsrechte und auch keine Wandelobligationen, sondern Forderungsrechte, weshalb die Ausnahmebestimmung von Art. 37 Abs. 3 StG nicht zur Anwendung gelange.
Dieser Auffassung wird indes von der Beschwerdeführerin entgegengehalten, mit den neuen Bestimmungen von Art. 37 Abs. 3 lit. b und c StG habe der Gesetzgeber beabsichtigt, "den wirtschaftlichen Zusammenschluss von Unternehmen zu erleichtern und die steuerlichen Hemmnisse, welche beim Austausch von Beteiligungen entstehen können, weitmöglichst aus dem Wege zu räumen". Wenn der Vorsteher des Finanz-Departements in seinem Schreiben vom 29. Januar 1971 den

BGE 101 Ia 92 (96):

Begriff des steuerbaren Aufgeldes bewusst eng gefasst habe, so entspreche diese Auffassung dem Sinn des Gesetzes sowie dem Grundprinzip der Kapitalgewinnbesteuerung, wonach ein Kapitalgewinn erst bei seiner Realisierung in Geld erfasst werde.
b) Das Schreiben des Finanz-Departements bedeutet keine Steuerbefreiung, sondern nur, dass der Gewinn erst später, wenn die Obligationen ganz oder teilweise veräussert oder ganz oder teilweise zurückbezahlt werden sowie wenn einer der ehemaligen Certina-Aktionäre aus dem Kanton Solothurn wegzieht, erfasst wird. Entsprechend behandelt das Gesetz den Gewinn bei Tausch von Liegenschaften (Art. 37 Abs. 3 lit. a). Der dabei erzielte Gewinn wird im Zeitpunkt des Tausches nicht erfasst, sondern man wartet damit zu, bis die anlässlich des Tausches erhaltene Liegenschaft veräussert wird; erst dann sind die flüssigen Mittel, mit denen die Kapitalgewinnsteuer zu bezahlen ist, vorhanden. Der Eigentümer der Liegenschaft soll aber nicht gezwungen sein, seine "neue" Liegenschaft zu veräussern, nur um den Fiskus zu befriedigen. Das gleiche gilt auch beim Tausch von Aktien gegen Aktien (Art. 37 Abs. 3 lit. b und c StG).
Den Ausnahmebestimmungen des Art. 37 Abs. 3 StG liegen folgende Gedanken zugrunde: Sie sollen einerseits Landumlegungen (landwirtschaftliche Güterzusammenlegungen, Baulandumlegungen), bei denen den Eigentümern von Land im Zusammenlegungsgebiet anstelle ihrer zerstreuten, kleinen und ungünstig geformten Grundstücke im Interesse einer rationelleren Bodennutzung arrondierte grössere und besser geformte Grundstücke zugewiesen werden (BGE 95 I 372), nicht erschweren. Andererseits sollen sie den wirtschaftlichen Zusammenschluss, die Verlegung und die Umwandlung von Unternehmen erleichtern; dies wurde schon anlässlich der Vorberatung der Teilrevision der Steuergesetzgebung hervorgehoben und schliesslich in der Botschaft des Regierungsrates vom 11. September 1970 zum Gesetz über die Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die direkte Staats- und Gemeindesteuer (S. 59) ausdrücklich festgehalten.
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erfährt nur der Austausch von Beteiligungsrechten gegen ebensolche eine Privilegierung, ein allfälliges Aufgeld jedoch nicht. Im vorliegenden Fall bestand der Unternehmenszusammenschluss im Verkauf

BGE 101 Ia 92 (97):

der Certina durch Verkauf ihrer sämtlichen Aktien an die von der ASUAG zu gründende Holding, wobei die Verkäufer neben Aktien an der GWC einen Teil des Kaufpreises in Bargeld und einen weiteren Teil desselben in Inhaberobligationen an der GWC erhielten.
Zweifellos stellen sowohl die alten Aktien an der Certina wie die neuen an der Holding verkörperte Beteiligungsrechte im technischen Sinne dar. Dass dies für die Obligationen, die die Certina-Aktionäre für einen Teil ihrer Aktien erhalten haben, nicht zutrifft, wird von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Zu Recht wurden die Obligationen auch weder vom Finanz-Departement in seinem Brief noch von der Kantonalen Rekurskommission als Wandelobligationen betrachtet. Art. 2 des zwischen den Aktionären der Certina und der ASUAG abgeschlossenen Übernahmevertrages sieht zwar ausdrücklich vor, dass anstelle einer Barrückzahlung der Obligationen Inhaberaktien der ASUAG abgegeben werden können, d.h. es besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, diese Obligationen später gegen ASUAG-Aktien einzulösen, doch ist die ASUAG vertraglich nicht verpflichtet, bei Fälligkeit der Obligationen Aktien zu offerieren. Damit fehlt es an der rechtlichen Voraussetzung für eine Wandelobligation. Die Frage, ob in Wandelobligationen potentielle Beteiligungsrechte zu erblicken und diesen hinsichtlich der Kapitalgewinnsteuer gleich zu stellen sind, kann somit offen gelassen werden.
Inhaberobligationen haben mit Aktien wohl den Wertpapiercharakter gemeinsam. Die wesentlichen Elemente der Mitwirkungsbefugnis und der Abhängigkeit ihres Wertes vom Gedeihen des Unternehmens fehlen ihnen jedoch. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Tausch von Aktien in Obligationen im Rahmen einer Unternehmenskonzentration Stattfand, und dass diese Übernahme unbestrittenermassen einer wirtschaftlichen Notwendigkeit entsprach, dass der Tausch somit gewissermassen unter Druck erfolgte; denn der Certina-Aktionär hatte, nachdem der Übernahmebeschluss gefasst war, keine Entscheidungsfreiheit mehr. Der Austausch der Wertpapiere ist lediglich die Folge der im Gesellschaftsbereich gefassten Beschlüsse und bedarf keiner Willenserklärung des einzelnen Aktionärs. Objektiv betrachtet liegt somit ein Zwang vor, gleichgültig ob er von ihm gebilligt

BGE 101 Ia 92 (98):

wird oder nicht. Der Tausch von Aktien in Obligationen hat hier keine Mittel verflüssigt, mit denen die Kapitalgewinnsteuer bezahlt werden könnte, sondern die Fortsetzung der bisherigen Vermögensanlage in einer anderen Form bezweckt. Wirtschaftlich werden die in den bisherigen Beteiligungen investierten Vermögenswerte dem fusionierten Unternehmen in gleicher Weise zur Verfügung gestellt, auch wenn es sich rechtlich gesehen um die Gewährung eines Darlehens gegen einen festen Zins handelt.
Indem das Finanz-Departement in seinem Brief davon absah, die grundsätzlich auf den Obligationen geschuldete Kapitalgewinnsteuer zur Zeit zu erheben, ging es zwar über den Wortlaut des Art. 37 Abs. 3 StG hinaus; doch hat es dadurch, dass es die wirtschaftliche Betrachtungsweise wählte, welche in Anbetracht der Bedeutung der Unternehmenskonzentration für den Kanton Solothurn und die Uhrenindustrie gerechtfertigt war, und es die Obligationen wie Beteiligungsrechte behandelte, die fragliche Bestimmung jedenfalls nicht gegen ihren Sinn und Zweck ausgelegt. Die im Schreiben vom 29. Januar 1971 enthaltene Auslegung kann somit nicht als ungesetzlich bezeichnet werden; sie erscheint vielmehr als vernünftig.
2. Erweist sich die Auslegung, die das Finanz-Departement Art. 37 lit. b und c StG gibt, als nicht ungesetzlich, so stellt sich die weitere Frage nach der Bedeutung des Schreibens vom 29. Januar 1971. Die Rekurskommission hat es primär unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsgeschäfts geprüft, es als Steuerabkommen beurteilt und, weil es der gesetzlichen Grundlage entbehre, als unzulässig erklärt. Ob einer Steuerabmachung Vertragscharakter zukommt, wie die Steuerkommission annimmt (so IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77 Bd. II S. 196a ff.; ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, ebenda S. 552a; anderer Meinung BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl. S. 275) ist unerheblich; jedenfalls bezweckt das Steuerabkommen eine für einen konkreten, einmaligen oder sich wiederholenden Tatbestand geltende, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelung hinsichtlich Bestand, Umfang oder Art der Erfüllung der Steuerpflicht zu treffen (IMBODEN, a.a.O.; WEBER, Das verfassungsrechtliche Verbot der Steuerabkommen, ZBl 61/1960 S. 347). Das war mit dem Schreiben vom 29. Januar 1971 jedoch

BGE 101 Ia 92 (99):

nicht gewollt. Der Brief hat vielmehr eine Auskunft über die für einen bestimmten Sachverhalt massgebliche Auslegung des Art. 37 Abs. 3 StG, welche wie dargetan dem Gesetz nicht widerspricht, zum Inhalt. Er ist somit als ein Bescheid oder eine Zusage des Finanz-Departements an die betroffenen Aktionäre zu qualifizieren. Daran vermag die Tatsache, dass von den Certina-Aktionären eine Gegenzeichnung verlangt wurde, nichts zu ändern. Offen bleiben kann, ob zwischen Auskunft und Zusage ein rechtlicher Unterschied besteht; in der Literatur und Judikatur werden sie hinsichtlich des hier zur Frage stehenden Problems nach den gleichen rechtlichen Grundsätzen behandelt (IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. Aufl. S. 225; GUENG, Zur Verbindlichkeit verwaltungsbehördlicher Auskünfte und Zusagen, ZBl 71/1970 S. 451).
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verleiht das in Art. 4 BV enthaltene Gebot von Treu und Glauben dem Bürger einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen und sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 98 Ia 462 f. mit Verweisungen). Im Steuerrecht, das vom Grundsatz der Gesetzmässigkeit beherrscht wird, ist das Prinzip von Treu und Glauben allerdings nur beschränkt anwendbar. Indessen sind auch die Steuerbehörden an eine verbindlich gegebene Auskunft gebunden; auch sie haben somit das Verbot widerspruchsvollen Verhaltens zu beachten (ZBl 75/1974 S. 315). Voraussetzung dafür ist, dass a) die behördliche Angabe sich auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit beziehe, b) die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, für die Auskunfterteilung zuständig war, c) der Bürger im Vertrauen auf den Bescheid eine nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hat und d) die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung des Tatbestandes noch die gleiche ist, wie die der Auskunft zugrunde gelegte. War die Auskunft unrichtig bzw. ungesetzlich, so darf die Unrichtigkeit des Bescheides nicht ohne weiteres erkennbar gewesen sein (BGE 96 I 15, BGE 99 Ib 101).
a) Im vorliegenden Fall hatte die Auskunft eine dem Sinn und Zweck des Gesetzes jedenfalls nicht widersprechende Auslegung zum Inhalt. Das Vertrauen in eine solche vernünftige Auslegung wäre nur dann nicht schützenswert und die

BGE 101 Ia 92 (100):

ausschliesslich vom Wortlaut ausgehende Auslegung der Rekurskommission könnte nur dann an die Stelle der dem Sinn und Zweck der Bestimmung und der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmungszusammenschlusses für die Uhrenindustrie Rechnung tragenden Auslegung des Finanz-Departements treten, wenn dieses zum Bescheid nicht zuständig gewesen wäre, oder wenn die gestützt auf diese Auskunft getroffene Disposition ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnte. Dass die Angabe vorbehaltlos erteilt worden ist und der Tatbestand sich in gleicher Weise verwirklicht hat, wie er von den Auskunftsuchenden dargestellt worden ist, wird nicht bestritten. Auch die Rechtslage hat sich in der Zwischenzeit nicht geändert.
b) Was die behördliche Zuständigkeit betrifft, so muss es genügen, dass der Adressat der Auskunft sich darauf verlassen durfte, die Auskunft erteilende Amtsstelle sei dafür zuständig. Es kann dem Bürger nicht zugemutet werden, die verwaltungsinterne Zuständigkeitsordnung bis in ihre Einzelheiten zu kennen. Neben der zum erstinstanzlichen Entscheid zuständigen Behörde ist auch die mit Weisungsbefugnis ausgestattete Oberinstanz als zur Auskunft zuständig zu betrachten, insbesondere die kantonale Steuerverwaltung auch dort, wo wie im vorliegenden Fall die Veranlagung der örtlichen Steuerkommission obliegt (BGE 91 I 137 f.). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die Anfragesteller das kantonale Finanz-Departement als zur Erteilung der fraglichen Zusicherung vom 29. Januar 1971 zuständig erachten durften, obwohl die Veranlagung nicht der kantonalen Steuerverwaltung, sondern der Steuerkommission Grenchen oblag.
c) Schliesslich ist zu prüfen, ob der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin im Vertrauen auf die Auskunft des Finanz-Departements unwiderrufliche Dispositionen getroffen hat. Die Beschwerdeführerin führt in dieser Richtung in der staatsrechtlichen Beschwerde - wie vorher schon im kantonalen Verfahren - aus, Herr Kurth habe seine Certina-Aktien im Vertrauen auf den Bescheid vom 29. Januar 1971 übertragen. Überdies hätten die Erben des Adolf Kurth - ebenfalls auf Grund dieser Angabe - der Personalfürsorgestiftung des Unternehmens eine Vergabung von Fr. 250'000.-- zukommen lassen. Es Sei fraglich, ob ohne die Zusicherung der Zusammenschluss in dieser Form zustandegekommen wäre. Jedenfalls

BGE 101 Ia 92 (101):

hätten die solothurnischen Aktionäre andere Vertragsbedingungen verlangt, und möglicherweise hätten die Aktionäre der Certina überhaupt nicht mitgemacht.
Diese Ausführungen sind von der Kantonalen Rekurskommission weder in Zweifel gezogen noch widerlegt worden. Vom Steuerpflichtigen darf auch nicht der volle Beweis dafür verlangt werden, dass er ohne die gegebene Auskunft anders disponiert hätte: Dass er vor der Disposition die Auskunft über die steuerliche Behandlung der Transaktion eingeholt hat, zeigt jedenfalls, dass diese für seinen Entscheid von Bedeutung war. Daraus erwächst die Vermutung, dass er im Falle eines negativen Bescheids einen anderen Weg gesucht hätte, um die Besteuerung zu vermeiden oder zu überwälzen. Dass ein solcher Weg hier nicht hätte gefunden werden können, wird von der Kantonalen Rekurskommission nicht behauptet und ist auch unwahrscheinlich. Die Voraussetzung einer nicht wieder rückgängig zu machenden Disposition ist daher erfüllt.
d) Das Vertrauen in den vom Finanz-Departement in seinem Brief vom 29. Januar 1971 erteilten Bescheid, welcher wie dargetan nicht ungesetzlich ist, ist somit zu schützen und der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission, wonach die Obligationen entgegen dieser Auskunft schon vor der Verwirklichung einer der darin genannten Voraussetzungen von der Kapitalgewinnsteuer erfasst werden, aufzuheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission Solothurn vom 28. Oktober 1974 aufgehoben.