61. Auszug dem Urteil vom 22. Dezember 1976 i.S. Kobler gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
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Regeste
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Art. 4 BV; Wirtschaftspatentpflicht.
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Sachverhalt
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BGE 102 Ia 426 (427):
Fritz Kobler betreibt seit 1970 in Zürich einen sogenannten Privatclub unter dem Namen "Old Town Club". Dieser ist täglich von 24 Uhr bis 5 Uhr morgens geöffnet. Gegen Bezahlung eines Eintrittsgeldes können sich Besucher im Clubraum aufhalten, zu Schallplattenmusik tanzen und Getränke zu sich nehmen. Für diejenigen Gäste, die ihre Getränke nicht selbst mitbringen, steht im Vorraum ein Automat zur Verfügung, an dem gegen Entgelt alkoholfreie Getränke bezogen werden können.
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Am 28. November/12. Dezember 1975 erliess die Finanzdirektion des Kantons Zürich eine Verfügung, in der sie wegen fehlender Bewilligung gestützt auf das Wirtschaftsgesetz Kobler aufforderte, den zum Club gehörenden Getränkeautomaten innert zehn Tagen, von der Rechtskraft der Verfügung an gerechnet, zu entfernen. Ein von Kobler dagegen erhobener Rekurs wurde vom Regierungsrat am 24. März 1976 abgewiesen, ebenso eine Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Juni 1976. Kobler erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV.
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Aus den Erwägungen:
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a) § 2 des Gesetzes über das Gastwirtschaftsgewerbe und den Klein- und Mittelverkauf von alkoholhaltigen Getränken (vom 21. Mai 1939, WirtschaftsG) lautet wie folgt:
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"Wer gewerbsmässig Gäste beherbergen oder gegen Entgelt Speisen und
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Getränke zum Genuss an Ort und Stelle verabreichen oder den Klein- oder
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Mittelverkauf alkoholhaltiger Getränke betreiben will, bedarf hiezu einer
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staatlichen Bewilligung (Patent).
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Für jeden patentpflichtigen Betrieb ist eine Abgabe zu entrichten."
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Unter dem Gesichtspunkt der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) ist diese Bewilligungspflicht unbestritten (vgl. Art. 32quater BV).
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§ 2 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung zum WirtschaftsG (vom 13. April 1970) bestimmt, dass die Patentpflicht auch dann gilt, wenn die Abgabe von Speisen und Getränken durch Automaten erfolgt. Da es sich auch hiebei um eine gewerbsmässige BGE 102 Ia 426 (428):
Abgabe handelt, liegt diese Verordnungsbestimmung innerhalb der gesetzlichen Umschreibung der patentpflichtigen Tätigkeit; der Beschwerdeführer stellt dies denn auch nicht in Abrede. Er macht lediglich geltend, sein Lokal stelle einen "Versammlungsraum einer privaten Gemeinschaft eines Clubs" dar und falle deshalb unter keine der in § 12 des Gesetzes aufgezählten Arten von patentpflichtigen Betrieben. Demgegenüber ist das Verwaltungsgericht der Meinung, massgebend für die Patentpflicht sei die allgemeine Bestimmung von § 2 Abs. 1 WirtschaftsG; § 12 bestimme lediglich, welche nach Inhalt der Bewilligung verschiedenen Arten von Patenten erteilt werden können. Diese Auslegung liegt von der Systematik des Gesetzes her näher, ist doch § 2 unter den "allgemeinen Bestimmungen" aufgeführt, die für alle nachfolgenden Teile des Gesetzes Geltung haben. Demgegenüber ergibt sich schon aus § 22 des Gesetzes (ausserordentliche Bewilligungen), dass die Aufzählung der Arten von Wirtschaftspatenten in § 12 nicht abschliessend sein kann. Demnach ist der Standpunkt des Verwaltungsgerichtes jedenfalls mit guten Gründen vertretbar und verletzt Art. 4 BV nicht.
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Geht man davon aus, § 2 Abs. 1 Wirtschaftsgesetz in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung sei für die Bewilligungspflicht massgebend, so sind deren Voraussetzungen für den Betrieb von Getränkeautomaten in sogenannten Privatclubs offensichtlich erfüllt (wie das Verwaltungsgericht schon im Urteil vom 29. April 1975, ZR 74 1975 Nr. 85 S. 260 = ZBl 76 1975 S. 471 ff., erkannt hat):
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Es werden Getränke zum Genuss an Ort und Stelle abgegeben und zwar gegen Entgelt, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieses Entgelt wie üblich durch den Automaten bezogen oder bei offenbar in Betracht gezogener "Gratisabgabe" mit dem Eintrittspreis pauschal in Rechnung gestellt wird. Ob sich der Getränkeautomat innerhalb oder ausserhalb des Versammlungslokals befindet, ist ebenfalls unerheblich; es genügt, Wenn er offensichtlich in einer funktionellen Beziehung zum Clubbetrieb steht, wie dies der Regierungsrat in seinem Beschluss vom 24. März 1976 zutreffend dargelegt hat.
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b) Mit dem Einwand, es handle sich beim "Old Town Club" um den Versammlungsraum einer privaten Gemeinschaft, vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen. Unter dem Ausdruck "Club" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch BGE 102 Ia 426 (429):
eine geschlossene, eventuell exklusive Vereinigung für gesellschaftliche, sportliche, literarische, wissenschaftliche oder politische Zwecke zu verstehen. In der Schweiz wird als "Club" ganz allgemein ein geschlossener Kreis von Personen bezeichnet, der sich zu dauernder Verfolgung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen hat; seine Rechtsform ist in der Regel diejenige eines Vereins im Sinne der Art. 60 ff. ZGB. Dass der "Old Town Club" ein solches Gebilde darstelle, behauptet der Beschwerdeführer mit Recht selbst nicht, und er beruft sich demgemäss auch zutreffend nicht auf die verfassungsmässig gewährleistete Vereins- und Versammlungsfreiheit. Vielmehr geht aus von ihm selbst vorgelegten Polizeirapporten hervor, dass gegen Bezahlung einer Eintrittsgebühr von Fr. 10.-- oder Fr. 15.-- grundsätzlich jedermann Zutritt zum "Clublokal" erhält, dort am Automaten Getränke beziehen und zu Schallplattenmusik tanzen kann. Bei dieser Sachlage liegt klar auf der Hand, dass es sich bei diesem "Club" um eine neuartige Form eines Gastwirtschaftsbetriebes handelt, wobei versucht wird, durch die Wahl eines die Betriebsnatur verschleiernden Namens und allenfalls durch die Plazierung von Getränkeautomaten ausserhalb des eigentlichen Betriebslokals den Bestimmungen des Wirtschaftsgesetzes auszuweichen. Es ist jedoch nach dem Gesagten unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbotes zulässig, anzunehmen, dem Gesetz unterstehe nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung auch der vorliegende Betrieb. Die Zürcher Behörden haben - auch aus Gründen der Rechtsgleichheit - keine Veranlassung, einen sich nur rein äusserlich durch wenige formale Kriterien von einer Gaststätte herkömmlichen Zuschnitts unterscheidenden Gewerbebetrieb hinsichtlich Öffnungszeiten, Tanzbewilligung, Gebührenpflicht usw. in erheblichem Masse zu privilegieren.
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c) Richtig ist, dass die kantonalen und städtischen Verwaltungsinstanzen hinsichtlich der Privatclubs im allgemeinen und des "Old Town Club" im besonderen früher eine unklare Haltung eingenommen haben. Indessen ist die Rüge der Verletzung des Vertrauensgrundsatzes vom Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verworfen und im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufgenommen worden. Es entspricht denn auch ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Änderung einer als unrichtig erkannten Praxis BGE 102 Ia 426 (430):
durch Verwaltungsbehörden nicht gegen Art. 4 BV verstösst (BGE 101 Ia 206 E. 3a; BGE 98 Ia 636 E. 5).
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Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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