11. Auszug aus dem Urteil vom 2. Februar 1977 i.S. X. und Y. gegen Obergericht des Kantons Basel-Landschaft
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Regeste
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Art. 32 Abs. 3 und Art. 89 Abs. 1 OG.
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BGE 103 Ia 53 (53): Aus den Erwägungen:
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Nach Art. 89 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde binnen 30 Tagen, von der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Erlasses oder der Verfügung an gerechnet, dem Bundesgericht schriftlich einzureichen.
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BGE 103 Ia 53 (54):
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt eine staatsrechtliche Beschwerde, die statt beim Bundesgericht bei einer kantonalen Behörde eingereicht wird, nur dann als rechtzeitig, wenn sie vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht einlangt oder wenn sie die kantonale Behörde zur Weiterleitung an das Bundesgericht wenigstens vor Ablauf der Frist zur Post gibt (nicht veröffentlichte Urteile "Sauver Lavaux" vom 29. Januar 1973, Griesser vom 30. Januar 1969 und Vago vom 4. September 1969; BGE 74 II 46/47, BGE 78 IV 132 E. 1, BGE 86 II 286). Abgesehen von diesen Fällen ist eine staatsrechtliche Beschwerde, auch wenn sie innert nützlicher Frist an die kantonale Behörde gerichtet wurde, verspätet. Massgebend ist dabei Art. 32 Abs. 3 OG, der lautet:
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"Eine Frist gilt nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist an die Stelle, bei der sie einzureichen sind, gelangt oder zu deren Handen der schweizerischen Post übergeben sein. Ist eine Eingabe innert der Frist direkt beim Bundesgericht eingereicht worden, so gilt die Frist als eingehalten, selbst wenn die Eingabe bei der kantonalen Instanz einzureichen war."
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Wenn somit eine Eingabe, die bei einer kantonalen Behörde einzureichen wäre, innert der Beschwerdefrist direkt dem Bundesgericht zugestellt wird, gilt sie als rechtzeitig, auch wenn sie bei der kantonalen Behörde hätte eingereicht werden müssen. Der Art. 32 Abs. 3 OG lässt keinen Zweifel darüber offen, dass es sich anders verhält, wenn eine Eingabe dem Bundesgericht einzureichen wäre, aber der kantonalen Behörde eingereicht wird. In diesem Fall gilt die Regel, dass die Eingabe nur rechtzeitig ist, wenn sie die kantonale Behörde noch innerhalb der Frist zur Weiterleitung an das Bundesgericht der Post übergibt. Diese Ordnung unterscheidet sich von der für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden, wie sie mit dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 geschaffen wurde (Art. 107 OG). Demnach gilt die Beschwerdefrist auch dann als gewahrt, wenn der Beschwerdeführer gegen die Verfügung fristgerecht an eine unzuständige Behörde gelangt (Art. 107 Abs. 1 OG). Art. 107 Abs. 2 OG schreibt vor, dass die unzuständige (insb. kantonale) Behörde die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ohne Verzug dem Bundesgericht weiterzuleiten hat. - Eine derartige Vorschrift fehlt für die staatsrechtliche Beschwerde.
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BGE 103 Ia 53 (55):
Die Regel des Art. 32 Abs. 3 OG entspricht in Fällen, wo wie hier die Eingabe an das Bundesgericht zu richten wäre und fälschlicherweise einer kantonalen Behörde zugestellt wird, kaum mehr der zeitgemässen Auffassung. Die neuere Bundesgesetzgebung sieht vor, dass eine innert Frist an eine unzuständige Behörde gerichtete Eingabe zur Wahrung der Frist genügt und von Amtes wegen an die zuständige Behörde weiterzuleiten ist (Art. 107 OG; Art. 21 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 VwVG; vgl. BGE 100 III 9 f. E. 2). Es liegt diesen neueren Vorschriften der Gedanke zugrunde, dass der Rechtsuchende nicht ohne Not um die Beurteilung seines Rechtsbegehrens durch die zuständige Instanz gebracht werden soll (BGE 100 III 10). Die geltende Fassung von Art. 32 Abs. 3 OG, der für die staatsrechtliche Beschwerde gilt, und an den das Bundesgericht gebunden ist (Art. 113 Abs. 3 BV), befriedigt somit kaum mehr. Das ist für das Bundesgericht Anlass, das vorliegende Urteil der Kommission zu übermitteln, die sich mit der Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beschäftigt. Es kann sich aber nicht über die klare Vorschrift des Gesetzes hinwegsetzen, auch nicht in analoger Anwendung von Art. 107 Abs. 1 OG, der nur für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gilt. Dass damit im vorliegenden Fall die Rechtzeitigkeit und damit die Gültigkeit der Beschwerde davon abhängig ist, ob und wie schnell die kantonale Behörde die Eingabe ans Bundesgericht weiterleitet, ist unbefriedigend, kann aber am Ergebnis nichts ändern, solange eine Art. 107 Abs. 2 OG entsprechende Verpflichtung zur unverzüglichen Weiterleitung für die staatsrechtliche Beschwerde fehlt. Da das Obergericht die Beschwerde erst nach Ablauf der 30tägigen Frist zur Post gegeben hat, ist sie verspätet, sodass nicht darauf eingetreten werden kann.
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