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Urteilskopf

104 Ia 251


40. Urteil vom 22. Februar 1978 i. S. X. gegen Kanton Basel-Stadt, Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt und Kanton Schwyz

Regeste

Art. 46 Abs. 2 BV; Doppelbesteuerung.
Gewinn aus dem Verkauf von Aktien einer Gesellschaft, welche keine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, sondern eine Betriebsgesellschaft darstellt (E. 3a).
Keine Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (E. 3b).

Sachverhalt ab Seite 251

BGE 104 Ia 251 S. 251
Der im Kanton Schwyz wohnhafte X. war Eigentümer von 150 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG mit Sitz in Basel. Im November 1971 verkaufte er seine 150 Aktien an die Z. AG, Basel, welche schon Eigentümerin der restlichen 100 Aktien der Y. AG war. Die Steuerverwaltung Basel-Stadt teilte X. mit Vorbescheid vom 30. Dezember 1975 mit, der Kapitalgewinn aus dem Aktienverkauf sei im Kanton Basel-Stadt steuerbar. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie am 17. Februar 1976 ab. Gegen den Einspracheentscheid reichte X. Rekurs ein, der von der Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt am 28. Januar 1977 abgewiesen wurde.
X. führt beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde gestützt auf Art. 46 Abs. 2 BV mit dem Antrag, der Entscheid
BGE 104 Ia 251 S. 252
der Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt vom 28. Januar 1977 sei aufzuheben.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

1. Der Kanton Schwyz, in dem X. wohnt, hat den Beschwerdeführer für den Gewinn aus dem Aktienverkauf nicht besteuert, da - wie in der Beschwerdeantwort ausgeführt wird - das Schwyzer Steuergesetz keine Besteuerung der Kapitalgewinne nicht buchführender Personen kenne. Es liegt somit kein Fall aktueller Doppelbesteuerung vor. Art. 46 Abs. 2 BV untersagt indes auch die sogenannte virtuelle Doppelbesteuerung. Eine solche ist dann gegeben, wenn ein Kanton in Verletzung der vom Bundesgericht aufgestellten Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, zu deren Erhebung aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen ein anderer Kanton zuständig wäre (BGE 99 Ia 673 E. 2a, BGE 98 Ia 90 und 216 E. 1, BGE 91 I 282 E. 2 und 474 E. 3). Die vorliegende Beschwerde, die zum Zwecke hat, das Recht des Kantons Basel-Stadt auf Besteuerung des von X. erzielten Kapitalgewinnes überprüfen zu lassen, ist demnach zulässig.

2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der Gewinn aus einem Aktienverkauf dann als Liegenschaftsgewinn zu behandeln und dem Kanton der gelegenen Sache zur Besteuerung zuzuweisen, wenn es sich um Aktien einer Immobiliengesellschaft handelt und der Verkauf die Gesamtheit oder die überwiegende Mehrheit der Aktien einer solchen Gesellschaft betrifft (BGE 99 Ia 464, BGE 98 Ia 92 E. 3, BGE 91 I 471, BGE 85 I 91 ff. E. 2, 3). Die Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt war der Ansicht, diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb der Kanton Basel-Stadt zur Besteuerung des Gewinns zuständig sei, den der Beschwerdeführer durch den Verkauf der 150 Aktien der Y. AG erzielt habe. Der Beschwerdeführer wirft der Steuerkommission eine Verletzung des Art. 46 Abs. 2 BV vor, weil sie zu Unrecht angenommen habe, der durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn falle unter die Steuerhoheit des Kantons Basel-Stadt.

3. Es stellt sich die Frage, ob die Y. AG eine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
BGE 104 Ia 251 S. 253
sei. Das Bundesgericht kann diese Frage frei prüfen, da es sich hier um einen Doppelbesteuerungskonflikt handelt.
a) In dem in BGE 85 I 91 ff. publizierten Entscheid, mit welchem die Rechtsprechung eingeleitet wurde, wonach der durch Verkauf sämtlicher oder der überwiegenden Mehrheit der Aktien einer Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons untersteht, definierte das Bundesgericht die Immobiliengesellschaft als eine Gesellschaft, deren ausschliesslicher Zweck die Verwaltung und Nutzung einer Liegenschaft ist (BGE 85 I 96 E. 2). Diese eng gefasste Begriffsumschreibung wurde in BGE 99 Ia 466 etwas erweitert, indem das Bundesgericht ausführte, eine Immobiliengesellschaft liege dann vor, wenn der Zweck der Gesellschaft zur Hauptsache im Erwerb, in der Verwaltung und dem Wiederverkauf von Grundstücken bestehe. Ob eine Gesellschaft als Immobiliengesellschaft betrachtet werden kann, bestimmt sich somit in erster Linie nach dem Gesellschaftszweck. Besteht dieser ausschliesslich oder mindestens zur Hauptsache darin, Grundstücke, d.h. Liegenschaften, in das Grundbuch aufgenommene selbständige und dauernde Rechte, Bergwerke oder Miteigentumsanteile an Grundstücken (Art. 655 ZGB), zu erwerben, zu verwalten, zu nutzen und zu veräussern, so kann von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden. Bildet dagegen der Grundbesitz bloss die sachliche Grundlage für einen Fabrikations-, Handels- oder sonstigen Geschäftsbetrieb, so liegt keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft vor.
Der Zweck der hier in Frage stehenden Y. AG ist in den Statuten wie folgt umschrieben: "Errichtung und Betrieb von Tankanlagen für den Umschlag und die Einlagerung von Erdölprodukten, Vermietung von Tankraum und Lagerplätzen. Beteiligung an ähnlichen Unternehmungen". Wäre nur die Vermietung von Tankraum und Lagerplätzen genannt, so könnte wohl von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden. In den Statuten wird jedoch als erster Gesellschaftszweck die Errichtung und der Betrieb von Tankanlagen angeführt. Wie den Akten zu entnehmen ist, hatte die Einwohnergemeinde der Stadt Basel der Y. AG mit Vertrag vom 11. Mai 1948 an einem Grundstück im Rheinhafen ein Baurecht eingeräumt, das in das Grundbuch aufgenommen wurde. Nach diesem Vertrag war die Y. AG verpflichtet, auf dem ihr im Baurecht zur Verfügung gestellten Gelände Anlagen für die Lagerung und den Umschlag von flüssigen
BGE 104 Ia 251 S. 254
Brennstoffen zu erstellen und in Betrieb zu nehmen. Daraus ist ersichtlich, dass sie das Baurecht nicht in erster Linie erworben hat, um auf dem erwähnten Grundstück Gebäude zu errichten und diese zu vermieten, sondern vor allem deshalb, um auf dem betreffenden Areal ein Umschlags- und Lagergeschäft mit Bezug auf Erdölprodukte zu betreiben. Nach der letzten vor dem hier zur Diskussion stehenden Aktienverkauf abgeschlossenen Jahresrechnung der Y. AG per 31.12.1970 entfiel denn auch der grösste Teil des Rohertrages, nämlich Fr. 611'002.- von insgesamt Fr. 677'818.-, auf die Lager- und Umschlagsgebühren, also auf das für Umschlag, Wartung und Lagerung der Waren geleistete Entgelt, dagegen nur ein Betrag von Fr. 64'906.- auf den Mietertrag aus dem Lagergebäude. Entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung kann daher nicht gesagt werden, die Y. AG sei eine Gesellschaft, deren Tätigkeit zur Hauptsache in der Vermietung ihrer Immobilien und nur nebenbei im Umschlag und in der Einlagerung von Erdölprodukten bestehe. Es verhält sich vielmehr umgekehrt: das Umschlags- und Lagergeschäft steht im Vordergrund, während der Vermietung der Gebäude nur sekundäre Bedeutung zukommt. Auch wenn die Aktiven der Y. AG zu rund 90% aus Immobilien bestehen, kann somit nicht von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden, da der Grundbesitz im wesentlichen nur die sachliche Grundlage für den Betrieb des Umschlags- und Lagergeschäftes bildet. Die Y. AG stellt demnach keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft dar.
b) Auf Betriebsgesellschaften ist aber die in BGE 85 I 91 ff. eingeleitete Rechtsprechung nicht anwendbar, es sei denn, dass aussergewöhnliche Verhältnisse ausnahmsweise auch die Besteuerung des Aktienüberganges von Betriebsgesellschaften zu rechtfertigen vermöchten (BGE 99 Ia 469). In diesem Sinne war in BGE 91 I 467 ff. der Gewinn aus dem Verkauf sämtlicher Aktien einer Gesellschaft, die in der eigenen Liegenschaft ein Hotel betrieb, der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons unterstellt worden, weil der Aktienkäufer von Anfang an entschlossen war, das bestehende Hotelgebäude abzubrechen und durch einen Neubau mit anderer Zweckbestimmung (Bankfiliale) zu ersetzen, weshalb der Hotelbetrieb auf den Preis der Aktien keinen oder doch nur einen untergeordneten Einfluss hatte, der Verkaufspreis somit ausschliesslich oder mindestens zur Hauptsache
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durch den Bodenwert bestimmt war. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch hier nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Z. AG beim Kauf der 150 Aktien der Y. AG beabsichtigt hätte, die Tankanlagen abzubrechen und das Baurecht der genannten Gesellschaft für andere Zwecke zu verwenden. Es ist daher anzunehmen, dass die Z. AG, die bereits Eigentümerin von 100 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG war, die restlichen 150 Aktien erworben hat, um dadurch wirtschaftlich die Beherrschung des gesamten Lager- und Umschlagsunternehmens zu erlangen und diesen Betrieb weiterzuführen. Verhält es sich so, dann kann nicht gesagt werden, die Veräusserung der 150 Aktien an die Z. AG habe sich wirtschaftlich in der Übertragung der Verfügungsmacht über den Grundbesitz der Y. AG erschöpft, so dass der Preis der Aktien ausschliesslich oder wenigstens zur Hauptsache durch den Wert dieses Grundbesitzes bestimmt worden sei. Die Voraussetzungen, unter denen in BGE 91 I 467 ff. eine Betriebsgesellschaft ausnahmsweise wie eine Immobiliengesellschaft behandelt worden ist, sind somit im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Ist demnach die Y. AG keine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, so fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung dafür, dass der vom Beschwerdeführer durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn steuerlich einem Liegenschaftsgewinn gleichgestellt werden dürfte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es sich beim Verkauf von 150 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG um die "überwiegende Mehrheit der Aktien" dieser Gesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 103 Ia 159 ff., BGE 97 I 167 ff.) gehandelt habe. Die Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt hat nach dem Gesagten zu Unrecht angenommen, der vom Beschwerdeführer durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn falle unter die Steuerhoheit des Kantons Basel-Stadt. Die Beschwerde ist daher wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 2 BV gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.