BGE 105 Ia 247
 
48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. November 1979 i.S. Black Clawson International Ltd gegen Papierfabrik Waldhof Aschaffenburg AG, Obmann X., Obergericht (II. Zivilkammer) und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 58 BV
 


BGE 105 Ia 247 (247):

Aus den Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, an die Unbefangenheit des Obmanns eines Schiedsgerichtes seien gegenüber derjenigen eines staatlichen Richters erhöhte Anforderungen zu stellen, mit der Begründung, dass bei einem Schiedsgericht die Gefahr der Parteilichkeit grösser sei und die Unabhängigkeit in erster Linie durch den Obmann gewährleistet werden müsse. Diese Auffassung setzt voraus, dass ein Richter mehr oder weniger befangen sein kann; beim staatlichen Richter - und noch mehr beim Beisitzer eines Schiedsgerichtes - wäre ein gewisser Grad von Befangenheit zu tolerieren, der beim Obmann des Schiedsgerichtes zu dessen Abberufung führen müsste. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Das schweizerische Recht lässt auch bei den von einer Partei ernannten Mitgliedern eines mehrköpfigen Schiedsgerichtes keinerlei Befangenheit zu. Das

BGE 105 Ia 247 (248):

ergibt sich unmissverständlich sowohl aus dem zürcherischen Zivilprozessrecht wie aus dem - für den Kanton Zürich nicht geltenden - Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279): § 244 Abs. 2 der Zürcher ZPO bestimmt ausdrücklich, dass sich der Ausschluss und die Ablehnung der Schiedsrichter und des Sekretärs nach den Vorschriften für die ordentlichen Gerichte richten; das Konkordat verweist in Art. 18 Abs. 1 namentlich auf die Ausschliessungs- und Ablehnungsgründe der Bundesrichter. Auch das von der Beschwerdeführerin wiederholt zitierte deutsche Recht kennt die gleiche Regelung für Schiedsrichter wie für staatliche Richter (§ 1032 Abs. 1 der deutschen ZPO). Das Bundesgericht erklärte in BGE 92 I 276 ausdrücklich, Schiedsgerichte müssten dieselbe Gewähr für Unparteilichkeit bieten wie ordentliche Gerichte, und es legte daher bei der Prüfung der Unbefangenheit eines von der einen Prozesspartei ernannten Mitgliedes eines Dreierschiedsgerichtes den nämlichen Massstab an, der für einen ordentlichen Richter gilt. Dieselbe Auffassung findet sich in der Lehre (WIGET in Komm. STRÄULI/MESSMER, N. 3 zu § 244 ZPO; Komm. BAUMBACH/LAUTERBACH/ALBERS/HARTMANN, 37. Aufl., N. 2/A zu § 1032 der (deutschen) ZPO; Komm. STEIN/JONAS, 19. Aufl., N. 2 zu § 1032 der (deutschen) ZPO. Die im Komm. LEUCH zur Bern. ZPO (3. Aufl., N. 2 zu § 384) und in der 1957 erschienenen Dissertation von GEISER (Über den Ausstand des Richters im schweizerischen Zivilprozessrecht, S. 84 f) vertretene Meinung, für die Annahme von Befangenheit sei beim Obmann und bei den übrigen Schiedsrichtern ein differenzierter Massstab anzuwenden, muss damit als überholt gelten.
Das Bundesgericht verkennt nicht, dass in der Praxis die von den Parteien ernannten Schiedsrichter dem Erfordernis der Unbefangenheit nicht immer in vollem Masse gerecht werden. Dabei handelt es sich jedoch um eine Erscheinung ausserhalb des Gesetzes. Es besteht kein Grund anzunehmen, das Bundesgericht würde, hätte es über die Ablehnung oder Abberufung solcher Schiedsrichter zu entscheiden, von der in BGE 92 I 271 ff. vertretenen Auffassung abweichen. Unparteilichkeit ist nicht nur vom Schiedsgericht als Ganzem und damit vom Obmann, sondern von jedem einzelnen Schiedsrichter zu verlangen. Werden aber Schiedsrichter, die mit einer Partei besonders verbunden sind, von der Rechtsprechung nicht toleriert, so besteht auch kein Anlass, an die Unbefangenheit des Obmanns ganz besonders hohe Anforderungen zu stellen.