BGE 107 Ia 273 |
56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Mai 1981 i.S. Lauber gegen Gemeinde Täsch und Staatsrat des Kantons Wallis (staatsrechtliche Beschwerde) |
Regeste |
Art. 4 BV; kommunale Zonenplanung, Gehörsanspruch des Grundeigentümers. |
Sachverhalt |
Erwin Lauber führt auf seinem in der Gemeinde Täsch liegenden Grundstück einen Parkingbetrieb mit Garage und Werkstätte. Die Liegenschaft Laubers lag nach der kommunalen Bau- und Zonenordnung vom 9. Dezember 1971 in der Dorferweiterungszone gemäss Art. 48 des Baureglementes (BR). Am 23. September 1979 beschloss die Gemeinde eine Abänderung der Bau- und Zonenordnung und stimmte zugleich einem neugeschaffenen Verkehrsreglement (VR) zu. Nach der neuen Bau- und Zonenordnung liegt das Grundstück Laubers in der Wohn- und Gewerbezone A, in welcher Autoeinstellhallen zwar unter gewissen Beschränkungen gestattet sind (Art. 48bis BR), offene Parkierungen jedoch in eine Parkierungszone verwiesen werden (Art. 51bis BR). Parkierungsflächen, die den neuen Bestimmungen nicht entsprechen, sind gemäss Art. 26 VR innert zwei Jahren nach Inkrafttreten des Verkehrsreglementes aufzuheben. |
Gegen diese Neuordnung führten Erwin Lauber und andere Grundeigentümer Beschwerde beim Staatsrat des Kantons Wallis. Der Staatsrat homologierte jedoch die Bau- und Zonenordnung mit Entscheid vom 21. Mai 1980 und das Verkehrsreglement mit Entscheid vom 25. Juni 1980. Keiner dieser Entscheide enthält im Dispositiv eine Bestimmung hinsichtlich der eingereichten Beschwerden. Einzig in der Erwägungen des Entscheides vom 21. Mai 1980 wird ausgeführt, die Bürger hätten nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen im Homologationsverfahren selbst keine Einsprachemöglichkeit und könnten nur Beschwerde einreichen, wenn Abstimmungsvorschriften verletzt worden seien. Solche Rügen seien jedoch nicht erhoben worden. Auf die Einsprachen könne daher nicht eingetreten werden.
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Erwin Lauber hat gegen den Homologationsentscheid des Staatsrates staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, die vom Bundesgericht gutgeheissen worden ist.
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Aus den Erwägungen: |
2. Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs unter anderem darin, dass der Staatsrat im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen sei, er könne keine materielle Änderung einer von der Gemeinde beschlossenen Zonenordnung auf Beschwerde eines Bürgers hin vornehmen. Der Staatsrat hat in dieser Hinsicht ausgeführt, solange ein Gemeindereglement nicht durch den Staatsrat genehmigt sei, liege noch kein Erlass und auch keine rekursfähige Verfügung vor. Die Eingabe Laubers habe daher nicht als Beschwerde im eigentlichen Sinne behandelt werden müssen. Ein Rechtsmittel stehe dem betroffenen Grundeigentümer erst im Anschluss an das Homologationsverfahren in Form der staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht zu. |
a) Nach Art. 33 Abs. 2 und 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) hat das kantonale Recht wenigstens ein Rechtsmittel gegen Nutzungspläne vorzusehen und die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde zu gewährleisten. In Anwendung dieser Bestimmungen hat der Walliser Gesetzgeber in der Verordnung zur vorläufigen Regelung der Einführung des RPG vom 7. Februar 1980 (VRPG) für den Erlass, die Änderung oder Aufhebung von Zonenplänen ein Einspracherecht der Grundeigentümer mit Beschwerdemöglichkeit an den Staatsrat geschaffen (Art. 6-8 VRPG). Allerdings sind die Art. 5-9 VRPG gemäss Art. 24 Abs. 2 VRPG auf jene Reglemente und Pläne nicht anwendbar, die - wie der hier angefochtene Zonenplan der Gemeinde Täsch - im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung von der Urversammlung bereits genehmigt waren. Dass diese Übergangsbestimmung verfassungswidrig sei, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Es ist daher einzig zu prüfen, ob der Walliser Staatsrat mangels einer anderslautenden kantonalen Bestimmung die materielle Behandlung der Beschwerde Laubers verweigern durfte oder ob er von Verfassungs wegen auf diese hätte eintreten müssen.
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b) Die Auffassung des Staatsrates, dem Grundeigentümer stehe erst im Anschluss an das Homologationsverfahren ein Rechtsmittel gegen die kommunale Bau- und Zonenordnung zu, wäre zutreffend, wenn mit dem Homologationsentscheid ausschliesslich rechtsetzende Erlasse der Gemeinde, das heisst Normen genereller und abstrakter Natur genehmigt würden. Tatsächlich sind die kantonalen Behörden bei Fehlen einer entsprechenden kantonalen Bestimmung aufgrund der Bundesverfassung nicht verpflichtet, die allenfalls betroffenen Bürger im Gesetzgebungsverfahren anzuhören bzw. ihnen Gelegenheit zur Einsprache oder Beschwerde zu bieten (BGE 106 Ia 79 mit Hinweisen). Mit dem Genehmigungsentscheid des Walliser Staatsrates erwachsen indessen nicht nur die generell-abstrakten Baubestimmungen der Gemeinde, sondern auch der Zonenplan und die dazugehörigen Zonenvorschriften in Rechtskraft. Zonenplan und Zonenvorschriften stellen aber, wie das Bundesgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung erneut betont hat, Anordnungen eigener Natur dar, die hinsichtlich der Anfechtungs- und Äusserungsmöglichkeiten des betroffenen Bürgers weder dem Rechtssatz noch der Verfügung generell gleichgestellt werden können (BGE 106 Ia 79 f., 316 E. 3, 387 E. 3c, BGE 104 Ia 67 E. 2b). Zur Frage des Gehörsanspruches des Privaten bei Schaffung oder Änderung eines Zonenplanes hat das Bundesgericht in BGE 104 Ia 65 ff. und BGE 106 Ia 76 ff. insbesondere dargelegt, dass die betroffenen Grundeigentümer in geeigneter Form zu Worte kommen müssen, bevor über die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird. Dieses Recht auf Anhörung umfasst auch den Anspruch des Eigentümers darauf, dass sich die Gemeinde- oder kantonale Behörde in ihrem Entscheid bzw. im Einsprache- oder Beschwerdeverfahren mit den formgerecht und innert Frist erhobenen Einwendungen materiell befasse. |
c) Die Gemeindebehörden von Täsch haben ihren eigenen Angaben gemäss kein Auflageverfahren mit Einsprachemöglichkeit durchgeführt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung war der Staatsrat daher gehalten, die beschwerdeführenden Grundeigentümer im Homologationsverfahren anzuhören und die erhobenen Rügen materiell zu prüfen. Ohne eine solche Prüfung der eingegangenen Beschwerden wird übrigens die kantonale Regierung, die die kommunalen Baureglemente und Zonenpläne nicht nur auf ihre Rechtmässigkeit, sondern auch auf ihre Zweckmässigkeit hin untersucht, ihrer Aufgabe als Genehmigungsbehörde kaum im vollen Umfange gerecht werden können. Der Staatsrat ist denn auch in anderen Fällen, so im Entscheid in Sachen Hoirie Marcel Etienne vom 29. Mai 1978, unter analogen Voraussetzungen auf die Beschwerde der Grundeigentümer eingetreten. Unter diesen Umständen erscheint der Beschluss des Staatsrates, die Beschwerde Laubers nicht zu behandeln, als formelle Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 4 BV und ist der angefochtene Entscheid, soweit er den Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben. Daran ändert nichts, dass der Staatsrat in seinen Erwägungen zusätzlich angeführt hat, die neue Zone bringe den Liegenschaftseigentümern auch wesentliche Vorteile; eine solche beiläufige Bemerkung ersetzt selbstverständlich eine einlässliche Prüfung der Beschwerde nicht. Der Walliser Staatsrat wird daher das durch die Beschwerde Laubers vom 12. Oktober 1979 eingeleitete Verfahren aufzunehmen und über die erhobenen Einwendungen materiell zu befinden haben.
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