51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Oktober 1990 i.S. K. gegen Gemeinde Stäfa und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
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Art. 4 BV und Art. 15 RPG; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone gemäss § 65 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich.
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2. Bei der Bauzonendimensionierung auf 15 Jahre ist auch das gehortete Bauland der Wohnbaulandreserve anzurechnen (E. 4).
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Sachverhalt
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BGE 116 Ia 328 (329):
K. ist Eigentümer der 18 743 m2 grossen Parzelle Nr. 8553 im Gebiet Rütihof/Fangen des Ortsteils Uerikon der Gemeinde Stäfa. Die Parzelle ist Bestandteil eines rund 5,5 ha grossen Gebiets, das sich im Süden vom Rand der bestehenden Überbauung und vom untern Rand der Geländekuppe bis zum Rebhang im Norden und zum Torlentobel im Osten erstreckt. Nach dem bisherigen Zonenplan der Gemeinde Stäfa vom 7. Februar 1974 war dieses Gebiet der zweigeschossigen Wohn- und der Landhauszone zugeteilt. Das Gebiet ist praktisch unüberbaut, aber groberschlossen und mit einem vom Regierungsrat am 20. August 1980 genehmigten, rechtskräftigen und vollzugsbereiten Quartierplan versehen. Die Kosten für das Quartierplanverfahren wurden bereits geleistet.
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Am 4. Juli 1985 beschloss die Gemeindeversammlung von Stäfa einen neuen kommunalen Nutzungsplan. Dabei teilte sie das fragliche Gebiet einer Reservezone zu. Auf Beschwerden von Grundeigentümern hob die Baurekurskommission II des Kantons Zürich die Reservezone in den Bereichen Torlen (Parzelle Nr. 5928) und des Rebhanges (Parzelle Nr. 8493), die nördlich des hier in Frage stehenden Gebiets liegen, auf, ebenso für die südlich der Rütihofstrasse gelegenen Quartierplangrundstücke. Dagegen bestätigte die Baurekurskommission die Reservezone im hier streitigen Bereich. Einen gegen diesen Entscheid u.a. von K. eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 20. Dezember 1989 ab, soweit er darauf eintrat.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Februar 1990 beantragt K., der Entscheid des Regierungsrats vom 20. Dezember 1989 sei insoweit aufzuheben, als sein Grundstück Nr. 8553 und das insgesamt vom Quartierplan Rütihof/Fangen erfasste Gebiet BGE 116 Ia 328 (330):
der Reservezone zugewiesen werden. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen:
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a) Das Raumplanungsgesetz sieht in erster Linie Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen vor (Art. 14 Abs. 2 RPG). Es ermächtigt die Kantone, weitere Nutzungszonen vorzusehen und Vorschriften zu erlassen über Gebiete, deren Nutzung noch nicht bestimmt ist oder in denen eine bestimmte Nutzung erst später zugelassen wird (Art. 18 Abs. 1 und 2 RPG). Darunter fallen kantonalrechtliche Reservezonen, die dazu dienen, übergrosse Bauzonen zu verkleinern (BGE 115 Ia 347 ff. E. 5d und e, BGE 114 Ia 366 ff. E. 3; ALFRED KUTTLER, Festsetzung und Änderung von Nutzungsplänen, in: Festschrift für Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, Zürich 1989, S. 491 f.).
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Das Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich vom 7. September 1975 (PBG) stellt für die Reservezone in § 65 folgende Vorschriften auf:
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"Die Reservezone umfasst jene Flächen, welche keiner andern Zone zugewiesen sind.
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Bauten und Anlagen sind nur zulässig, wenn sie der in den Richtplänen vorgesehenen Zweckbestimmung nicht zuwiderlaufen, keine sonstigen überwiegenden öffentlichen Interessen verletzt werden und ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen wird.
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Für Bauten und Anlagen besteht kein Erschliessungsanspruch gegenüber dem Gemeinwesen; vorbehalten bleiben besondere Bestimmungen. Gleiches gilt für die Inanspruchnahme öffentlicher Versorgungs- und Erschliessungsanlagen."
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b) Solche Reservezonen dürfen jedoch nur ausgeschieden werden, wenn sie die Ordnung der bundesrechtlichen Nutzungsausscheidung (Art. 14 ff. RPG) nicht verletzen (BGE 110 Ib 267). Das bedeutet einerseits, dass die Reservezone die zwingende, bundesrechtliche Beschränkung der Bauzone nicht durchbrechen darf.
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BGE 116 Ia 328 (331):
Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall nicht, da die zürcherische Reservezone eine Nichtbauzone ist. Andererseits darf die Reservezone nicht auf Kosten der Bau-, Landwirtschafts- oder Schutzzone ausgeschieden werden; die Reservezonierung setzt eine bundesrechtskonforme Ausscheidung dieser Grundnutzungszonen voraus. Insbesondere ist Land, das nach der gesetzlichen Vorschrift in die Bauzone gehört, in eine Bauzone und nicht in eine Reservezone einzuweisen. Das hat das Bundesgericht insbesondere hinsichtlich Land entschieden, das weitgehend überbaut ist (Art. 15 lit. a RPG; BGE 115 Ia 338 f. E. 4), das benötigt wird (Art. 15 lit. b RPG; BGE 112 Ia 156 ff.) und das erschlossen wird (Art. 15 lit. b RPG; BGE 110 Ia 53 f. E. 4).
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a) Zu Recht macht der Beschwerdeführer nicht geltend, ein Gesamtplan stehe dem Regierungsratsentscheid entgegen. Nach dem kantonalen Gesamtplan befindet sich das fragliche Gebiet im Siedlungsgebiet bzw. teilweise im Anordnungsspielraum und nach dem kommunalen Gesamtplan im Trenngebiet, was einer Reservezone nicht entgegensteht (BGE 110 Ia 53 E. 4a). Umgekehrt lassen sich weder aus dem kommunalen noch aus dem kantonalen Gesamtplan Gründe für eine Erweiterung der Bauzone im Gebiet Rütihof/Fangen ableiten.
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b) Bauzonen sollen Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und das weitgehend überbaut ist (Art. 15 lit. a RPG) oder voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird (Art. 15 lit. b RPG). An Massnahmen, die geeignet sind, das Entstehen überdimensionierter Bauzonen zu verhindern oder solche zu verkleinern, besteht ein öffentliches Interesse (BGE 115 Ia 386 f. E. 4a, BGE 114 Ia 369, BGE 107 Ia 242 E. 3a). Im vorliegenden Fall ist streitig, wie der Baulandbedarf der nächsten 15 Jahre zu ermitteln ist.
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aa) Es ist unbestritten, dass der Regierungsrat den Bedarf an sich korrekt durch einen Vergleich des Baulandverbrauchs der letzten Jahre mit den vorhandenen Baulandreserven ermittelt hat. Er gelangte so aufgrund des Baulandverbrauchs der letzten 12 1/2 Jahre (Mitte 1976-1988) zu einem durchschnittlichen Bedarf von 2,14 ha pro Jahr, dem er eine Reserve von 57,85 ha unüberbauter Wohnzonenfläche gegenüberstellte. Daraus schloss er, der BGE 116 Ia 328 (332):
Baulandbedarf für die nächsten 15 Jahre werde bei weitem abgedeckt.
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bb) Der Beschwerdeführer greift diese Berechnungsmethode als solche an, weil sie nicht den tatsächlichen Marktverhältnissen von Angebot und Nachfrage entspreche. Im streitigen Gebiet hätten nach den Berechnungen des Regierungsrates 150 Einwohner Platz. Tatsächlich würden dort einmal nur 34 Personen leben, wenn man den heute vorhandenen und den noch möglichen Baubestand in Betracht ziehe. Die regierungsrätliche Methode dürfe nicht massgebend sein, da sie auf praxisfernen, irrealen und theoretischen Kriterien beruhe. Das als Wohnbaureserve ausgewiesene Land von rund 57 ha sei tatsächlich gar nicht käuflich. Es werde gehortet und müsse erst noch in einem Quartierplanverfahren baureif gemacht werden, so dass es in den nächsten zehn Jahren bestimmt nicht überbaut werden könne. Es sei willkürlich, das zur Überbauung bereite Land des bauwilligen Beschwerdeführers von der Bauzone auszuschliessen und gleichzeitig Land, das in absehbarer Zeit gar nicht überbaut werden könne, in die Bauzone aufzunehmen.
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cc) Das effektive Angebot kann die tatsächliche Nachfrage nach Bauland klarerweise nicht befriedigen. Dies wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft so sein, da die pessimistische Beurteilung der Attraktivität Stäfas durch die Gemeinde aufgrund ihrer ausgezeichneten Lage und des erfolgten Ausbaus der Infrastruktur in der Agglomeration Zürich (S-Bahn) kaum verständlich ist.
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Dass das Land des Beschwerdeführers nach Quartierplanung, Erschliessung und Bauinteresse unmittelbar überbaut werden kann, rechtfertigt für sich allein eine Einzonung nicht. Die Gemeinde ist von Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Bauzone zeitgerecht zu erschliessen und gegebenenfalls eine Landumlegung anzuordnen und durchzuführen (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 RPG). Die kantonale Behörde hat darüber zu wachen, dass sie ihre Erschliessungsaufgaben erfüllt (Art. 21 f. RPV). Die Gemeinde Stäfa ist insgesamt groberschlossen; einzig die Feinerschliessung ist noch nicht abgeschlossen. Die Erschliessungspflicht gilt indessen auch für die Feinerschliessung (Art. 4 und 5 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974). In der Gemeinde Stäfa bestehen zur Zeit 15 Quartierpläne, wovon acht noch nicht rechtskräftig sind. In diesem Umfang wird somit weiteres Bauland baureif werden oder durch Veranlassung der Gemeinde baureif gemacht werden müssen. Es ist allerdings einzuräumen, dass sich BGE 116 Ia 328 (333):
das Problem der Baulandverknappung so nur mildern, nicht jedoch eigentlich lösen lässt.
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Das fehlende Baulandangebot ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass aus privaten Überlegungen kein Bauland freigegeben, sondern dieses gehortet wird. Nach den Aussagen an der Instruktionsverhandlung werden von der Wohnbaulandreserve von rund 57 ha etwa 20 bis 30 ha oder mehr, das heisst ungefähr die Hälfte, gehortet. Der Beschwerdeführer will jedoch nicht horten, sondern sein Land auf den Markt bringen. Er wendet im Grunde ein, es sei widersprüchlich, über Baulandknappheit zu klagen, aber gleichzeitig mit theoretischen und weltfremden Kriterien den Bedarf zu bestreiten.
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c) Solche Spannungen zwischen der Nachfrage nach Bauland und der Begrenzung der Bauzone hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen; sonst hätte er zusätzlich Instrumente für die Baulandverflüssigung anbieten müssen. Daraus folgt nicht, dass sich die Bauzonenfläche ausschliesslich nach den privaten Wünschen der jeweils interessierten Privaten richtet. Die Bauzone nach dem Verhältnis von Baulandverbrauch zur Baulandreserve zu dimensionieren heisst nicht, allein dem Marktautomatismus zu gehorchen. Würde man das gehortete Land nicht der Wohnbaulandreserve anrechnen, hätte dies einerseits einen weiteren Anreiz zur Baulandhortung zur Folge und andererseits würde die Bauzonenplanung dem Gemeinwesen entzogen und in die Hand der hortungswilligen Grundeigentümer gelegt. Auch sachlich ist eine rein an Bauinteressen orientierte Planung unmöglich. In einer gut gelegenen Agglomerationsgemeinde findet sich nie genug Bauland, um die Nachfrage ganz zu befriedigen. Sie wird regional oder überregional immer neu genährt; die Baulandnachfrage lässt sich aus bloss lokaler Sicht meist nicht sachgerecht beurteilen. Der Boden ist knapp und der Lebensraum beschränkt, weshalb die Bauzonen nicht überall, gleichzeitig und unbeschränkt wachsen können. Deshalb gilt es, die natürlichen Gegebenheiten sowie die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft gesamthaft zu betrachten (Art. 1 Abs. 1 Satz 3 RPG) und den Boden haushälterisch zu nutzen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG).
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Raumplanung bedingt, dass das Gemeinwesen in einem rechtlich geleiteten, sachlich-politischen Entscheid eine Ordnung der Besiedlung schafft, die auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtet ist (Art. 22quater Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG). Dieses Konzept verlangt eine umfassende Abwägung und BGE 116 Ia 328 (334):
Abstimmung aller räumlich wesentlichen Interessen und Gesichtspunkte (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG, Art. 1-3 RPV; BGE 115 Ia 386, BGE 114 Ia 368 f. E. 4).
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Die Dimensionierung der Bauzonenfläche auf 15 Jahre (Art. 15 lit. a RPG) will einen Massstab schaffen, der dieser Ordnungsidee gerecht wird: sie soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten, als auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen, um eine ausgewogene Lösung zustande zu bringen. Ein blosser Nachfrageüberhang rechtfertigt eine Bauzonenerweiterung noch nicht. Zusätzlich wären besondere Gründe erforderlich, die sich aufgrund einer umfassenden Abwägung und Abstimmung sowie aufgrund der vorwiegend regional und überregional erwünschten Entwicklung aufdrängen. Diese Anforderung hatte der Regierungsrat im Auge, als er von einer objektivierten Methode sprach. Der Regierungsrat ist daher zu Recht vom Vergleich zwischen dem Wohnbaulandverbrauch und der Wohnbaulandreserve ausgegangen.
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d) Im vorliegenden Fall fehlt es an solchen besonderen Gründen für eine Bauzonenerweiterung; sie lässt sich auch mit keinen übergeordneten Vorstellungen im Gesamtplan rechtfertigen. Der Regierungsrat durfte im Gegenteil ohne Willkür die Nichteinzonung des 5,5 ha grossen, zusammenhängenden, durch Gelände, Strasse, Tobel und Wald sinnvoll abgegrenzten, praktisch unüberbauten, am Siedlungsrand gelegenen Gebiets schützen. Erschliessungsstand und Lage verlangen keine Einzonung. Würde das Interesse an erhältlichem Bauland sowie am Schutz des privaten Kostenaufwandes stärker gewichtet, liesse sich das bundesrechtliche Gebot der Baulandbegrenzung unter solchen Umständen generell nicht mehr durchsetzen.
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Ein Entscheid ist schliesslich nur dann aufzuheben, wenn er im Ergebnis unhaltbar ist und nicht schon dann, wenn sich die Begründung als willkürlich erweist (BGE 113 Ib 311 f. E. 2a). Darum ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob der Antragsteller an der Gemeindeversammlung einem "planerischen Missverständnis" unterlegen sei.
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