31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Januar 1992 i.S. B. gegen K. und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde).
|
Regeste
|
Art. 88 OG und Art. 381 ZGB.
|
Sachverhalt
|
BGE 118 Ia 229 (229):
Am 19. November 1990 beantragte die Vormundschaftsbehörde X. die Errichtung einer kombinierten Beiratschaft über Hanna B.-F. nach Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB. Der Sohn der zu Verbeiratenden, M. B., wurde auf Wunsch der Betroffenen als Beirat bestimmt. Dem Antrag auf Verbeiratung wurde mit Verfügung des Bezirksrates vom 20. Dezember 1990 entsprochen.
|
Die Tochter von Hanna B.-F., Lena K.-B., focht die Wahl ihres Bruders zum Beirat an und verlangte, dass ein neutraler Beirat BGE 118 Ia 229 (230):
bestellt werde. Der Bezirksrat hiess die Anfechtung der Wahl am 27. Februar 1991 gut und wies die Vormundschaftsbehörde an, einen geeigneten Beirat zu suchen und zu bestellen. Gegen diese Anordnung des Bezirksrates erhob Hanna B.-F. Beschwerde. Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Verfügung vom 22. August 1991 ab.
|
Hanna B.-F. reichte gegen diese Verfügung beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Lena K.-B. und die Direktion der Justiz beantragen die Abweisung der Beschwerde.
|
Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
|
Aus den Erwägungen:
|
|
Nach Art. 88 OG steht die Befugnis zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde Bürgern (Privaten) hinsichtlich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist demnach nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Hoheitsakt in rechtlich geschützten eigenen Interessen beeinträchtigt wird; zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen ist die Beschwerde nicht gegeben (BGE 115 Ia 78 E. 1c, BGE 114 Ia 311 E. 3b, BGE 113 Ia 249 E. 2 und 428 E. 1, mit Hinweisen).
|
Es trifft zu, dass das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung entschieden hat, aus dem in Art. 381 ZGB vorgesehenen Vorschlagsrecht des Mündels oder dessen Eltern dürfe kein Anspruch auf die Wahl der vorgeschlagenen Person hergeleitet werden.
|
BGE 118 Ia 229 (231):
Art. 381 ZGB sei ausschliesslich im öffentlichen und nicht im privaten Interesse derjenigen Personen, die einen Vormund vorschlagen können, aufgestellt worden. Die Vormundschaft (wie auch die Beiratschaft, siehe Art. 397 ZGB) sei eine öffentliche Angelegenheit; ihre Ausgestaltung lasse die persönliche Rechtsstellung der Eltern des Mündels unberührt. Zumindest den Eltern eines Mündels oder weiteren Verwandten hat das Bundesgericht deshalb stets die Beschwerdelegitimation abgesprochen (vgl. BGE 117 Ia 506; Entscheid vom 25. Mai 1990 i.S. M. gegen Justizdirektion des Kantons Zürich; BGE 107 II 506 E. 3 und BGE 107 Ia 344 /345). Diese Rechtsprechung muss auch für die Wahl eines Beirats gelten (Art. 397 ZGB; SCHNYDER/MURER, N 113 zu Art. 380/381 ZGB).
|
In BGE 107 II 506 hat das Bundesgericht hinsichtlich der Legitimation des Mündels die Frage aufgeworfen, ob nicht dem Mündel selbst (und entsprechend auch der zu verbeiratenden Person) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahl der von ihm vorgeschlagenen Person zuzuerkennen wäre, sofern keine wichtigen Gründe gegen diese Person sprächen. Denn dem Wunsch des zu Bevormundenden komme insbesondere bei erwachsenen Entmündigten stärkeres Gewicht zu als bei Unmündigen. Letztlich hat es aber diese Frage im zitierten Entscheid offengelassen, weil in jenem Fall ausschliesslich über die Legitimation der Mutter eines Mündels zu befinden war. Auch in den andern zitierten Entscheiden ging es stets um die Beschwerdelegitimation naher Verwandter des zu Entmündigenden oder der zu verbeiständenden Person.
|
Zu dieser Frage ist in einem einzigen nicht publizierten Urteil (Entscheid vom 11. September 1985 i.S. W. gegen Obergericht des Kantons Aargau) insofern Stellung genommen worden, als dort zwar die Anrufung des Grundrechts der persönlichen Freiheit als unstatthaft zurückgewiesen worden ist; es ist aber auch festgehalten worden, die Verletzung von Art. 381 ZGB könne nur mit Willkürbeschwerde vor Bundesgericht gerügt werden.
|
Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Wie die Kommentatoren SCHNYDER/MURER (N 70 zu Art. 388 ZGB) mit Recht annehmen, ist für das Mündel ein rechtlich geschütztes Interesse und dementsprechend die Beschwerdelegitimation gestützt auf Art. 381 ZGB zu bejahen. Die Kommentatoren gehen davon aus, dass das Vorschlagsrecht den zu Entmündigenden oder den zu verbeiratenden Personen auch um ihrer Persönlichkeit willen zusteht; sie weisen zutreffend darauf BGE 118 Ia 229 (232):
hin, dass ganz allgemein sich in solchen Fällen das öffentliche und das private Interesse überschneiden können. Zwar kann es entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht auf den Grund der Verbeiratung ankommen, um über die Beschwerdelegitimation zu befinden. Wie die Direktion der Justiz mit Recht ausführt, liesse sich aus dem blossen Umstand, dass die Massnahme auf eigenes Begehren und nicht auf Vorschlag einer Behörde, des Arztes oder Verwandter ergriffen wird, nicht die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde herleiten. Entscheidend ist vielmehr, dass im Falle einer Entmündigung oder einer Verbeiratung ein gesetzlicher Vertreter für die betroffene Person zu ernennen ist, der in wesentlichen Bereichen mit dieser zusammenzuarbeiten hat (vgl. Art. 395 ZGB). Eine solche Massnahme berührt in ausgeprägtem Masse die Persönlichkeit des Betroffenen; und es liegt in seinen rechtlich geschützten Interessen, dass die notwendigerweise enge Mitwirkung eines Dritten nach Möglichkeit auf einem Vertrauensverhältnis zwischen dem Mündel beziehungsweise Verbeiratetem und seinem Vormund oder Beirat beruht. Selbst wenn in diesem Zusammenhang nicht geradezu das Grundrecht der persönlichen Freiheit angerufen werden kann, ist der Eingriff in den Kernbereich der betroffenen Person doch so gross, dass die Ernennung oder Verweigerung der Wahl einer Vertrauensperson wenigstens mittels Willkürbeschwerde dem Bundesgericht zur Prüfung unterbreitet werden muss. Dem Betroffenen gleich wie etwa den Eltern diese Befugnis zu versagen, wäre ungerecht und unverständlich. Dem Mündel oder Verbeirateten selbst muss deshalb die Legitimation zur Einreichung einer Willkürbeschwerde im Sinne von Art. 88 OG entgegen der Auffassung der Direktion der Justiz zugestanden werden. Auf die Beschwerde ist daher unter diesem Gesichtspunkt einzutreten.
|