52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Oktober 1992 i.S. W. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
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Art. 22ter BV, §§ 96 ff. PBG ZH, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Festsetzung von Verkehrsbaulinien.
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2. Aktuelles Bedürfnis für die Landsicherung, Prüfung von Varianten für die Strassenführung, öffentliches Interesse an der Aufhebung von Bahn-Niveauübergängen (E. 4b-d).
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3. Bei der Linienfestsetzung muss geprüft werden, ob ein zukünftiges Ausführungsprojekt den Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung wird Rechnung tragen können; auch muss feststehen, ob dessen Realisierung zum Abbruch von Bauten führen wird (E. 5).
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4. Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen Baulinienpläne der Verwaltung, die dem Werkträger das Enteignungsrecht einräumen; Rechtsschutz nach Bundesrecht und zürcherischem Recht (E. 6).
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Sachverhalt
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BGE 118 Ia 372 (373):
W. ist Eigentümerin von zwei Grundstücken an der Mittelwiesstrasse/Ecke Bergstrasse in der Gemeinde Männedorf. Mit Verfügung Nr. 1632 vom 7. Juli 1989 setzte die Baudirektion des Kantons Zürich Verkehrsbau- und Niveaulinien an der Bergstrasse im Teilstück Seestrasse bis Alte Landstrasse fest. Die beiden Grundstücke von W. liegen zu knapp 50% ihrer Gesamtfläche innerhalb der Baulinien. Ziel der Bau- und Niveaulinienvorlage ist es in erster Linie, den Niveauübergang beim Bahnhof Männedorf/Bergstrasse aufzuheben, um eine flüssige Verkehrsführung im Zusammenhang mit dem Ausbau der SBB-Bahnlinie Zürich-Rapperswil und der zukünftigen Bedeutung der Bergstrasse als Zubringer zur Seestrasse sicherzustellen.
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BGE 118 Ia 372 (374):
Gegen die Verfügung der Baudirektion erhob W. Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Sie beantragte, es sei auf die Festsetzung der geplanten Verkehrsbau- und Niveaulinien zu verzichten. Der Regierungsrat wies den Rekurs ab.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt W. die Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen:
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Die Bau- und Niveaulinien des Zürcher Rechts dienen in erster Linie der Sicherung bestehender und geplanter Anlagen und Flächen und damit der Freihaltung des künftigen Strassenraumes (§ 96 Abs. 1 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 mit Änderungen vom 1. September 1991 [Planungs- und Baugesetz, PBG]; BGE 110 Ib 51 E. 5; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Aufl., Zürich 1992, S. 84; ROBERT E. FLAACH, Baulinien im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1979, Bd. I/2, S. 900). In zweiter Linie dienen sie unter anderem der Sicherung des Landerwerbs und damit der Vorbereitung der formellen Enteignung; gemäss § 110 PBG steht dem Werkträger mit der Rechtskraft der Bau- und Niveaulinien im Rahmen ihrer Zweckbestimmung das Enteignungsrecht zu (ROBERT E. FLAACH, a.a.O., S. 922 f.). Zum Teil ähnlichen Zwecken dient die Projektierungszone gemäss den Art. 14 ff. des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (Nationalstrassengesetz, NSG; SR 725.11). Diese kann zur Sicherung der Planung und des späteren Landerwerbs für den Strassenbau zur vorsorglichen Freihaltung des Strassenraumes erlassen werden (in BGE 101 Ia 328 nicht publizierte E. 1; ALFRED KUTTLER, Das Strassengesetz des Kantons Basel-Stadt im Dienste des städtischen Expressstrassenbaues, ZBl 61/1960, S. 442). Während indes Projektierungszonen spätestens mit dem Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Festsetzung dahinfallen und innert dieser Zeit durch die rechtskräftige Festsetzung der Baulinien abzulösen sind (Art. 17 Abs. 1, Art. 22 ff. NSG), kennt das zürcherische Recht für Verkehrsbaulinienpläne keine entsprechende Befristung.
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BGE 118 Ia 372 (375):
Es ergibt sich hieraus, dass mit Rücksicht auf die schweren Eigentumsbeschränkungen, zu denen die Linienfestsetzung führt, konkrete Vorstellungen für den künftigen Strassenbau jedenfalls im Sinne eines generellen Projektes vorliegen müssen (BGE 103 Ia 44 E. 3b). Für die blosse Projektsicherung im Sinne des Nationalstrassenrechts wären wohl Planungszonen gestützt auf § 346 PBG in Verbindung mit Art. 27 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) festzulegen.
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Mit Bezug auf die Funktion der Baulinien, das Enteignungsverfahren vorzubereiten, ist beizufügen, dass gemäss § 110 PBG dem Werkträger zwar mit der Rechtskraft der Verkehrsbaulinien das Enteignungsrecht an sich zusteht. Doch kann dieses im jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgeübt werden. § 110 PBG verweist auf den Rahmen der Zweckbestimmung der Bau- und Niveaulinien. Dieser Rahmen ergibt sich mit der für die Ausübung des Enteignungsrechtes erforderlichen Präzision erst aus dem Ausführungsprojekt, das für Staatsstrassen von der Baudirektion erst noch auszuarbeiten (§ 12 des Gesetzes über den Bau und den Unterhalt der öffentlichen Strassen vom 27. September 1981 [Strassengesetz, StrG]) und nach dessen Bereinigung durch den Regierungsrat zu genehmigen sein wird (§ 16 StrG). Im vorliegenden Fall wird aller Voraussicht nach das Strassenprojekt erst nach dem Jahre 2000 verwirklicht; an der Instruktionsverhandlung nannte der Vertreter des Tiefbauamtes als frühesten Termin das Jahr 2005. Die Beschwerdeführerin macht deshalb geltend, es fehle ein ausreichendes aktuelles Interesse, um ihre Liegenschaft mit der schwerwiegenden Eigentumsbeschränkung zu belasten.
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b) Es trifft zu, dass das Bundesgericht in BGE 79 I 230 bei der Überprüfung von Baulinien von der Notwendigkeit eines aktuellen Bedürfnisses spricht. Doch bezieht sich diese Forderung, wie sich aus den Erwägungen des Entscheids unmissverständlich ergibt, auf das Bedürfnis, künftige Hindernisse der Strassenausführung durch die Ziehung von Baulinien auszuschalten. Wie das Bundesgericht anerkannt hat, sind Baulinien nicht erst zu ziehen, wenn die Strasse erstellt werden muss. Vielmehr ist das aktuelle Bedürfnis für die Landsicherung schon dann gegeben, wenn ersichtlich ist, dass die Erstellung über kurz oder lang notwendig sein wird.
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Das Strassenprojekt bezieht sich auf überbautes Gebiet in der Nähe des Ortskernes von Männedorf und die Linienführung belastet zahlreiche Liegenschaften. Die betroffenen Parzellen liegen innerhalb von Bauzonen. Auch wenn das Strassenprojekt erst in zehn bis zwanzig BGE 118 Ia 372 (376):
Jahren ausgeführt wird, ist die Landsicherung, welche mit den Baulinien bezweckt wird, gerechtfertigt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Bauvorhaben die spätere Bauausführung erschweren und verteuern. Um dies zu verhindern, sieht das Baugesetz das Bauverbot und das Änderungsverbot vor, die sich aus der Baulinienfestsetzung ergeben (§§ 99-101 PBG; vgl. BGE 109 Ib 119 E. 4b). Für die Anordnung dieser Rechtswirkungen ist das von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangte aktuelle Bedürfnis entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gegeben.
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c) Die Beschwerdeführerin wendet sodann ein, der Nachweis eines ausreichenden öffentlichen Interesses setze die Prüfung von Varianten voraus. Es müsse feststehen, dass andere Lösungen, welche zu weniger schwerwiegenden Eingriffen führen würden, nicht gefunden werden könnten. Die Beschwerdeführerin ist namentlich der Meinung, die bestehende Strassenunterführung der Kugelgasse könne ausgebaut werden, womit die geplante neue Strassenführung mit einer teilweisen Untertunnelung der Strasse vermieden werden könne.
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Der angefochtene Entscheid lässt in der Tat nicht klar erkennen, ob und welche weiteren Lösungsmöglichkeiten geprüft wurden, wie dies der Regierungsrat im Beschwerdeverfahren versichert und die dem Bundesgericht zugestellten Akten bestätigen. Doch hat der Augenschein ergeben, dass der Ausbau der Unterführung Kugelgasse von den Behörden mit Grund als unbefriedigende Lösung verworfen werden durfte. Eine entsprechende Strassenführung würde durch den Ortskern führen, was unerwünscht ist. Auch wäre ein Ausbau der Einmündung der Kugelgasse in die Seestrasse erforderlich, was zu erheblichen Eingriffen in die bestehende Bausubstanz führen müsste. Für die Erschliessung der Überbauung oberhalb der Bahn müssten zum Teil neue Anschlüsse gesucht werden. Die gleiche Konsequenz ergäbe sich aus völlig neuen Strassenführungen, welche andere Wohngebiete oder Freihaltezonen beanspruchen würden. Nicht zu beanstanden ist ebenfalls, dass eine Unterführung der Bergstrasse an der jetzigen Lage verworfen wurde. Diese Variante würde wegen der starken Steigung, welche nach der Unterführung der Strasse bergseits in Kauf genommen werden müsste, zu kaum lösbaren Schwierigkeiten führen, wie der Augenschein bestätigt hat. Die kantonale Baudirektion und der Regierungsrat durften daher, ohne das ihnen zustehende Planungsermessen zu missbrauchen, der jetzt vorgeschlagenen Lösung, der auch der Gemeinderat Männedorf zustimmt, den Vorzug geben.
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BGE 118 Ia 372 (377):
d) An der Aufhebung des Niveauüberganges der Bergstrasse besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, auch wenn zur Zeit die Bergstrasse noch keine aussergewöhnliche Verkehrsbelastung aufweist, wie sich dies aus den Erhebungen über die Verkehrsfrequenzen der Strasse und der Bahn ergibt. Die Aufhebung von Niveauübergängen dient nicht nur der Flüssigkeit des Verkehrs, sondern in erster Linie der Verkehrssicherheit. Aus diesem Grunde fördert der Bund die Aufhebung oder Sicherung von Niveauübergängen. Den Vorrang haben dabei Massnahmen, welche die Verkehrssicherheit rasch und wirksam heben, sowie solche, die dem Umweltschutz dienen (Art. 18 des Treibstoffzollgesetzes vom 22. März 1985 [SR 725.116.2]; Verordnung über Beiträge an die Aufhebung oder Sicherung von Niveauübergängen und an andere Massnahmen zur Trennung von öffentlichem und privatem Verkehr vom 6. November 1991 [Verkehrstrennungsverordnung; SR 725.121]).
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Die rechtsverbindliche Festlegung der Bau- und Niveaulinien für die neue Strassenführung hat allerdings ausser dem Anliegen der Verkehrssicherheit alle übrigen öffentlichen Interessen, welche die Strassenführung berühren, sowie die privaten Interessen der betroffenen Eigentümer in ausreichendem Masse zu berücksichtigen. Zu den öffentlichen Interessen zählen, wie dies aus Art. 18 des Treibstoffzollgesetzes hervorgeht, die Interessen des Umweltschutzes. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, die Linienfestsetzung trage diesen Interessen nicht oder jedenfalls in ungenügendem Masse Rechnung. Wie es sich damit verhält, ist nachfolgend zu prüfen.
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BGE 118 Ia 372 (378):
b) § 14 StrG verlangt die Beachtung des Umweltschutzes ausdrücklich. Die Vorschrift lautet wie folgt:
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"Die Strassen sind entsprechend ihrer Bedeutung und Zweckbestimmung nach den jeweiligen Erkenntnissen der Bau- und Verkehrstechnik, mit bestmöglicher Einordnung in die bauliche und landschaftliche Umgebung sowie unter Beachtung der Sicherheit, des Umweltschutzes, der Wirtschaftlichkeit und mit sparsamer Landbeanspruchung zu projektieren; die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs, der Fussgänger, der Radfahrer sowie der Behinderten und Gebrechlichen sind angemessen zu berücksichtigen."
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Wesentliche Anforderungen an die Projektierung werden nach dieser Vorschrift bereits mit der Linienfestsetzung verbindlich festgelegt, wie dies für die Gebote der bestmöglichen Einordnung in die bauliche und landschaftliche Umgebung sowie der sparsamen Landbeanspruchung zutrifft. Im vorliegenden Falle tragen die ausgearbeiteten generellen Projektstudien diesen Anforderungen Rechnung. Wie den Akten des Tiefbauamtes entnommen werden kann, wurden sowohl Einwendungen der kantonalen Natur- und Heimatschutzkommission als auch des von der Linienfestsetzung betroffenen Kreisspitales Männedorf soweit wie möglich berücksichtigt. Sodann ist dem Bericht des Tiefbauamtes zur Bau- und Niveaulinienvorlage vom 28. März 1989 zu entnehmen, dass die dem Baulinienplan zugrunde liegenden Elemente des generellen Strassenprojektes nach den VSS-Normalien bestimmt und für die Querschnittselemente (Fahrbahn- und Gehwegbreiten, Kreisverbreiterungen, Lichtraumprofil) durchwegs Minimalwerte gewählt wurden, woraus sich ein mittlerer Baulinienabstand von ca. 25 m ergibt.
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Hingegen können den Akten keine Überlegungen in bezug auf den Lärmschutz und die Luftverunreinigung entnommen werden.
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c) Der Bau- und Niveaulinienplan ist ein Sondernutzungsplan, der den planungsrechtlichen Anforderungen wie jeder Nutzungsplan entsprechen muss. Die Planfestsetzung hat nicht nur die Plankoordination mit der kantonalen, regionalen und kommunalen Planung zu beachten, der - wie dargelegt - in ausreichendem Masse nachgekommen wurde. Vielmehr ist bei der Planfestsetzung umfassend zu berücksichtigen und abzuwägen, ob das mit der Linienfestsetzung festgelegte Projekt in bestmöglicher Weise allen zu berücksichtigenden Interessen Rechnung trägt. Hiezu zählen die Interessen des Umweltschutzes (Art. 3 Abs. 4 lit. c RPG, Art. 2 Abs. 1 lit. d und Art. 3 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 [RPV; SR 700.1]). Die Behörden haben in der Begründung ihrer Beschlüsse nachzuweisen, dass sie die massgebenden Interessen BGE 118 Ia 372 (379):
berücksichtigt und abgewogen haben (Art. 3 Abs. 2 RPV). Auch hat die für die Genehmigung von Nutzungsplänen zuständige Behörde speziell darauf zu achten, ob der Nutzungsplan die Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung beachtet (Art. 26 Abs. 1 RPV).
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d) Diese raumplanungsrechtlichen Anforderungen decken sich mit den Geboten der Umweltschutzgesetzgebung. Zwar ordnet das kantonale Recht im Unterschied zu den Anforderungen des Bundesrechts für die Nationalstrassenplanung keine mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung (Ziff. 11.1 des Anhanges zur Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 [UVPV; SR 814.011]) an. Doch schliesst dies nicht aus, dass bei der rechtsverbindlichen Linienfestsetzung, welche das Ausführungsprojekt in erheblichem Masse vorbestimmt, geprüft werden muss, ob dieses der Umweltschutzgesetzgebung, insbesondere den Geboten der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; 814.41) und den Vorschriften der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1), wird Rechnung tragen können.
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Es ist freilich nicht zu verlangen, dass im Zeitpunkt der Linienfestsetzung bereits ein Ausführungsprojekt ausgearbeitet werden muss. Hingegen ist die Möglichkeit darzutun, dass das Projekt innerhalb des durch die Linien gesicherten Rahmens in Berücksichtigung der bestehenden Lärmbelastung, der massgebenden Lärmempfindlichkeitsstufen und der Belastung der Luft mit Schadstoffen so ausgearbeitet werden kann, dass es den Umweltvorschriften des Bundesrechts zu genügen vermag. Die im umstrittenen Baulinienplan vorgesehene Untertunnelung der Strasse, namentlich die Tunnelausfahrt im Bereiche der Liegenschaft der Beschwerdeführerin und in nächster Nähe von weiteren Wohn- und Gewerbebauten, wird Massnahmen bedingen, welche einer untragbaren Konzentration von Schadstoffen und von Lärmeinwirkungen entgegenwirken, auch wenn es Sache des Ausführungsprojektes sein wird, diese Massnahmen im einzelnen vorzusehen. Mit einer solchen Anforderung an die Baulinienfestsetzung wird weder die Planung noch die Ausführung ungebührlich erschwert, vielmehr werden spätere Schwierigkeiten und unliebsame Überraschungen vermieden.
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e) In diesem Zusammenhang kommt den betroffenen privaten Interessen der Beschwerdeführerin erhebliches Gewicht zu. Der angefochtene Entscheid geht davon aus, dass der Strassenbau sehr wahrscheinlich die Beseitigung ihres Wohn- und Geschäftshauses zur Folge haben werde, doch würden jedenfalls mittels eines Gestaltungsplans die Grundstücke der Beschwerdeführerin überbaubar BGE 118 Ia 372 (380):
bleiben. Durch die vertikale Beschränkung der Baulinien werde ermöglicht, dass im fraglichen Bereich ausserhalb des Lichtraumprofils über die Strasse gebaut werden könne.
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Der Augenschein hat bestätigt, dass aller Voraussicht nach der Abbruch des bestehenden Gebäudes unvermeidlich sein wird, auch wenn der Vertreter des Tiefbauamtes die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen hat, dass bei der Strassenprojektierung Lösungen gefunden werden könnten, die es erlauben würden, das bestehende Haus beizubehalten. Sowohl für den Fall einer Neuüberbauung auf den verbleibenden Parzellenflächen wie auch im unwahrscheinlichen Fall der Erhaltung des Wohngebäudes ist es für die Beschwerdeführerin von erheblicher Bedeutung, Klarheit darüber zu erhalten, ob es zum Abbruch kommen wird oder nicht, sowie unter welchen Annahmen das Projekt den Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung tragen kann. Die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, eine für ihre Liegenschaften tragbare Lösung könne nicht gefunden werden, sind nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Die Vorinstanzen widerlegen sie auch nicht, sondern sie verweisen einzig auf die Ausführungsprojektierung in der Meinung, erst diese habe den Nachweis der Umweltverträglichkeit des Projektes zu erbringen. Mit diesem Vorgehen wird dem Gebot der Abstimmung raumwirksamer Tätigkeiten nur in unzureichendem Masse Rechnung getragen; auch ist eine ausreichende Interessenabwägung und Überprüfung der Verhältnismässigkeit des Eingriffes nicht möglich.
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Weiter ist zu beachten, dass die Geltendmachung des Heimschlagsrechtes (§ 103 PBG) zeitlich befristet ist. Gemäss § 104 PBG kann es innert zehn Jahren geltend gemacht werden, nachdem die endgültige Unüberbaubarkeit des betroffenen Grundstücks feststeht oder behördlich festgestellt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden Rechtswirkungen der Baulinien, welche das bestehende Wohn- und Geschäftshaus annähernd zur Hälfte anschneiden, darf verlangt werden, dass der Kanton im Zeitpunkt der Linienfestsetzung jedenfalls grundsätzlich die Frage klärt, ob und unter welchen Voraussetzungen im Bereiche des bergseitigen Tunnelportals eine bauliche Lösung gefunden werden kann, die den Umweltschutzvorschriften entspricht. Ist der Abbruch des Wohn- und Geschäftshauses der Beschwerdeführerin unvermeidlich - wie dies aufgrund der Linienbelastung zuzutreffen scheint -, so ist sie zur rechtzeitigen Ausübung des Heimschlagsrechtes auf die Klarstellung der Auswirkungen auf ihre Liegenschaft angewiesen.
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BGE 118 Ia 372 (381):
f) Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit gutzuheissen, da die vom Regierungsrat geschützte Linienfestsetzung auf einer unzureichenden Berücksichtigung und Abwägung aller massgebenden öffentlichen und privaten Interessen beruht. Die Gutheissung hat namentlich zur Folge, dass ergänzende Erhebungen über die künftige Unweltverträglichkeit des dem Baulinienplan zugrunde liegenden Strassenprojektes angestellt und in der Begründung des Festsetzungsbeschlusses sichtbar gemacht und dass die Auswirkungen des Projekts auf die Liegenschaften der Beschwerdeführerin präziser ermittelt werden müssen.
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Das Bundesrecht gewährleistet diesen Rechtsschutz bei Enteignungen nach dem eidgenössischen Enteignungsrecht (Art. 30, 35, 50 und 55 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 [EntG; SR 711] sowie die einschlägige Spezialgesetzgebung, wie zum Beispiel Art. 27 NSG, je in Verbindung mit Art. 97 und 99 lit. c OG; BGE 111 Ib 231 f. E. 2e). Soweit ihn das kantonale Recht nicht in vollem Umfange gewährleistet, vermag im Einzelfall allenfalls das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren dem verlangten Gerichtsschutz gegenüber öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen zu genügen, wenn der Sachverhalt nicht bestritten ist und wenn die sich aus der Verfassungskontrolle ergebende Beschränkung auf den Blickwinkel der Willkür nicht zum Zuge kommt, sondern das Bundesgericht frei und umfassend prüft, ob eine klare gesetzliche Grundlage vorliegt und ob die massgebenden öffentlichen und privaten Interessen, welche die Beschränkung rechtfertigen, vollständig berücksichtigt und richtig abgewogen wurden (BGE 117 Ia 501 ff. E. 2c-e). In diesem Falle stellt sich auch die Frage nicht, ob BGE 118 Ia 372 (382):
die Präzisierung der auslegenden Erklärung der Schweiz zu Art. 6 EMRK, die der Bundesrat am 27. Dezember 1988 dem Generalsekretär des Europarates übermittelt hat, gültig ist. Es könnte ohnehin die Frage aufgeworfen werden, ob der entsprechende Anspruch auf Rechtsschutz unter den heutigen Verhältnissen nicht zu den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen zu zählen ist, die das Bundesgericht aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 22ter BV herleitet (BGE 112 Ib 177 f. E. 3a).
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b) Soweit die Beschwerdeführerin zufolge der Baulinienfestsetzung einen Anspruch aus materieller Enteignung geltend macht (§ 102 PBG), steht ihr auf kantonaler Ebene mit dem Klageverfahren vor Verwaltungsgericht (§ 46 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 [Abtretungsgesetz; AbtrG] in Verbindung mit § 82 lit. g VRG; ALFRED KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, N 27 ff. zu § 82) der volle Gerichtsschutz zu. In Streitigkeiten über materielle Enteignungen urteilt das Verwaltungsgericht sowohl über die Frage, ob eine Eigentumsbeschränkung vorliegt, die einer Enteignung gleichkommt (Art. 5 Abs. 2 RPG), als auch über die Höhe der Entschädigung. In diesen Fällen ist ausserdem die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben (Art. 5 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 RPG).
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Das kantonale Recht räumt der Beschwerdeführerin unter gewissen Voraussetzungen als Folge der Belastung ihrer Liegenschaft mit Baulinien ein Heimschlagsrecht ein (§§ 103 f. PBG). Übt sie dieses Recht aus, steht ihr ebenfalls voller Gerichtsschutz zu (§ 82 lit. h PBG; ALFRED KÖLZ, a.a.O., N 50 ff. zu § 82; dazu auch BGE 114 Ia 18 f. betreffend das gesetzliche Vorkaufsrecht). Auch über Ausnahmen vom Bauverbot gemäss § 100 PBG und über die Bewilligung von Vorkehren, die nach § 101 PBG dem Veränderungsverbot unterstehen, entscheidet kantonal letztinstanzlich das Verwaltungsgericht (§ 2 lit. c und § 329 Abs. 1 lit. a PBG in Verbindung mit § 43 lit. b und § 44 lit. b VRG; ALFRED KÖLZ, a.a.O., N 7 zu § 43).
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c) Sollte zu gegebener Zeit der Staat das formelle Enteignungsrecht ausüben (§ 110 PBG; vorstehende Erw. 4a), so richtet sich das Verfahren nach dem Abtretungsgesetz in Verbindung mit dem Verwaltungsrechtspflegegesetz. Das Verwaltungsgericht hat gemäss § 44 lit. d VRG Streitigkeiten über die Pflicht zur zwangsweisen Abtretung von Grundeigentum und dinglichen Rechten zu beurteilen. Doch steht heute nicht mit Sicherheit fest, ob das Verwaltungsgericht im gegebenen Zeitpunkt eine Art. 6 Ziff. 1 EMRK entsprechende BGE 118 Ia 372 (383):
Kontrolle der Baulinienfestsetzung ausüben wird. ALFRED KÖLZ (a.a.O., N 11 zu § 44) legt dar, dass die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der Überprüfung von Baulinienplänen teilweise eingeschränkt sei. Indes schliesst diese Unsicherheit nicht aus, dass das Verwaltungsgericht möglicherweise seine Rechtsprechung so ausüben oder weiterentwicklen wird, dass sie den Anforderungen des Bundesrechts (einschliesslich der EMRK) genügt. Sollte dies wider Erwarten zu gegebener Zeit nicht zutreffen, wären bundesgerichtliche Anordnungen nicht von vorneherein ausgeschlossen (BGE 118 Ia 227 E. 1c, 358 E. 2c).
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d) Der dargelegte umfassende Gerichtsschutz, wie ihn das Zürcher Recht, allenfalls ergänzt durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, vorsieht, entspricht zweifellos den Anforderungen der EMRK. Er könnte akzessorisch auf die Rechtsgültigkeit der Baulinienfestsetzung ausgedehnt werden (dazu BGE 116 Ia 209 ff. E. 2 und 3 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichtes vom 26. Oktober 1983, publiziert in ZBl. 87/1986 S. 502 f.), falls die Beschwerdeführerin eine entsprechende Einwendung erheben oder etwa eine Überprüfung des Nutzungsplanes gestützt auf Art. 21 RPG verlangen sollte. Dennoch ist dem Kanton Zürich namentlich aufgrund des Umstandes, dass der das Enteignungsrecht gewährende Baulinienplan ein Verwaltungsplan ist, gegen dessen Festsetzung ein voller Gerichtsschutz gewährleistet sein muss (Urteil Sporrong und Lönnroth des EGMR vom 23. September 1982, Série A vol. 52 = EuGRZ 1983, S. 523; Urteil Bodén des EGMR vom 27. Oktober 1987, Série A vol. 125 = EuGRZ 1988 S. 452), zu empfehlen, eine direkte Beschwerde an eine kantonale Instanz, die den Anforderungen eines Gerichts im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK entspricht, zu schaffen. Dies würde auch den raumplanungsrechtlichen Anforderungen besser entsprechen, vermag es doch kaum zu befriedigen, wenn erst im späteren Zeitpunkt der Ausübung des Enteignungsrechts, im Falle der Erklärung des Heimschlags oder bei einer sonstigen Streitigkeit über Beschränkungen, die sich aus der Baulinie ergeben, deren Rechtsgültigkeit gerichtlich festgestellt wird. Sodann würde sich ebenfalls nicht die Frage stellen, ob die erwähnte Präzisierung der auslegenden Erklärung gültig ist.
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