98 Ib 404
Urteilskopf
98 Ib 404
60. Urteil vom 19. Mai 1972 i.S. Aktiengesellschaft X.
Regeste
Wehrsteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft. Einschätzung einer Gesellschaft, die zunächst sämtliche Aktien einer anderen Gesellschaft - zum Teil durch Umtausch gegen neu ausgegebene eigene Aktien - erworben und dann - nach dem Ende der Berechnungsperiode - die Tochtergesellschaft auf dem Wege der Fusion nach Art. 748 OR übernommen hat.
1. Kapitaleinlagen der Aktionäre werden von der Ertragssteuer nicht erfasst. Dies gilt auch für das Emissionsagio. Der von der Beschwerdeführerin unter diesem Titel gebuchte Betrag ist jedoch nur insoweit ertragssteuerfreies Agio, als er die Differenz zwischen dem Nennwert der neu ausgegebenen Aktien und dem Börsenwert der eingetauschten Aktien der anderen Gesellschaft nicht übersteigt (Erw. 1-3).
2. Der gebuchte Mehrbetrag ist zwar als vorweggenommener Fusionsgewinn zu betrachten, aber dennoch in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags einzubeziehen. Immerhin wird er als Ertrag einer massgebenden Beteiligung im Sinne des Art. 59 WStB (Holdingprivileg) angerechnet (Erw. 4-6).
A.- Die Gesellschaft Y. hatte im Jahre 1966 ein statutarisches Aktienkapital von Fr. 96 708 000. Im Umlauf befanden sich 110 390 voll einbezahlte Aktien im Nennwert von je Fr. 500; die übrigen Aktien waren im Eigenbesitz des Unternehmens und stillgelegt. Die Aktiengesellschaft X. war seit Jahren der grösste Aktionär der Gesellschaft Y. Am 9. September 1966 besass sie 14 982 Y-Aktien. Sie wollte sich auch die übrigen umlaufenden Aktien verschaffen, in der Absicht, dann die AG Y. auf dem Wege der Fusion nach Art. 748 OR zu übernehmen. Im September 1966 schlug sie den anderen Aktionären den Umtausch der ihnen gehörenden Y-Aktien in neue X-Aktien vor. Die Offerte hatte Erfolg. Im November 1966 erhöhte die AG X. ihr Grundkapital um Fr. 60 Mio auf Fr. 260 Mio durch Ausgabe von 120 000 Inhaberaktien im Nennwert von je Fr. 500. Gegen diese neuen Titel tauschte sie 60 000 Y-Aktien ein. Die restlichen 35 408 umlaufenden Y-Aktien erwarb sie teils durch Kauf gegen bar, teils durch Austausch gegen alte X-Aktien, die sie zu diesem Zweck gekauft hatte. Ende 1966 war sie praktisch alleiniger Aktionär der AG Y.
Sie verbuchte die anders als durch Tausch gegen die neuen X-Aktien erworbenen 50 390 (14 982+35 408) Y-Aktien zum Betrage der Anschaffungskosten von Fr. 214 051 780. Im Zusammenhang mit der Erhöhung ihres Grundkapitals um Fr. 60 Mio schrieb sie dem gesetzlichen Reservefonds Fr. 310
BGE 98 Ib 404 S. 406
Mio als Emissionsagio gut. In ihrer Bilanz per 31. Dezember 1966 setzte sie das "Gesamtaktivum der AG Y. als Gegenwert von 110 390 Y-Aktien" mit dem Betrage von Fr. 584 051 780 (Fr. 214 051 780 + Fr. 60 Mio + Fr. 310 Mio) auf dem Konto "sonstige Aktiven" ein.Der in Aussicht genommene Fusionsvertrag wurde am 3. Februar 1967 abgeschlossen. Er wurde in den Generalversammlungen der AG Y. vom 20. Februar 1967 und der AG X. vom 10. März 1967 genehmigt. Darauf wurde die Auflösung der AG Y. im Handelsregister eingetragen.
B.- Bei der Einschätzung der AG X. für die Wehrsteuer der 14. Periode (Steuerjahre 1967/68, Berechnungsperiode 1965/66) ging die Veranlagungsbehörde davon aus, dass im November 1966 der Börsenwert der Y-Aktien Fr. 5000 betragen habe. Sie nahm daher an, die AG X. habe von den Empfängern ihrer neu ausgegebenen Aktien Gegenleistungen im Gesamtwert von Fr. 300 Mio erhalten. Deshalb anerkannte sie nur Fr. 240 Mio (300 Mio-60 Mio) als ertragssteuerfreies Agio. Den darüber hinaus verbuchten Agiobetrag von Fr. 70 Mio (310 Mio-240 Mio) bezog sie in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags ein. Sie setzte diesen auf Fr. 116 530 800 fest. Weil sie den aufgerechneten Betrag von Fr. 70 Mio nicht als Ertrag einer massgebenden Beteiligung im Sinne des Art. 59 WStB betrachtete, beschränkte sie den Holdingabzug aufo,98%. Die Veranlagung wurde im Einspracheverfahren bestätigt.
C.- Die Beschwerde der AG X. gegen den Einspracheentscheid wurde von der kantonalen Rekurskommission am 4. Dezember 1970 teilweise gutgeheissen. Die Rekursinstanz teilte grundsätzlich die Auffassung der Veranlagungsbehörde, dass die Beschwerdeführerin ein übersetztes Agio verbucht habe und für den Überschuss steuerpflichtig sei. Sie stellte indes nicht auf den Börsenwert, sondern auf den Substanzwert der Y-Aktien ab. Sie bezifferte das Nettovermögen der AG Y. per 30. November 1966 auf Fr. 576 625 182 und den Wert der einzelnen Y-Aktie auf Fr. 5223. Nach ihrer Meinung ergab sich daher ein objektiv gerechtfertigtes Agio von Fr. 253 380 000 (Fr. 5223-Fr. 1000=Fr. 4223 x 60 000) und ein in die Berechnung der Ertragssteuer fallender Aufwertungsgewinn von Fr. 56 620 000. Sie reduzierte deshalb den steuerbaren Reinertrag um Fr. 7 Mio (70-56= 14 Mio: 2) auf Fr. 109 530 800. Im übrigen bestätigte sie den Einspracheentscheid.
D.- In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die AG X., es seien in Abänderung des Entscheids der Rekurskommission festzusetzen
gemäss Hauptantrag: der steuerbare Reinertrag auf
Fr. 81 530 800;
gemäss 1. Eventualantrag: der steuerbare Reinertrag auf
Fr. 101 325 300 und der Holdingabzug auf 5'1299%;
gemäss 2. Eventualantrag: der steuerbare Reinertrag auf
Fr. 103 567 800 und der Holdingabzug auf 5,6%.
Es wird geltend gemacht, allerdings sei nicht der Börsenpreis, sondern der Substanzwert der Y-Aktien massgebend, doch habe die Rekurskommission ihn nicht richtig ermittelt. Er betrage im ganzen Fr. 607 901 182 oder mindestens Fr. 599 651 182. Für eine umlaufende Y-Aktie ergebe sich daher eine mögliche Agioleistung von Fr. 4506.85 (Fr. 607 901 182: 110 390 = Fr. 5506.85-Fr. 1000) bzw. Fr. 4432.10 (Fr. 599 651 182: 110 390 = Fr. 5432.10-Fr. 1000). Demnach hätte für die Gesamtheit der 110 390 Titel ein Aufgeld von Fr. 497 511 171 bzw. Fr. 489 259 519 gebucht werden können. Das tatsächlich gebuchte Agio von Fr. 310 Mio könne somit nicht als übersetzt erachtet werden, weshalb es nicht angehe, einen Teil dieses Betrages in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags einzubeziehen.
Folge man der Auffassung der Rekurskommission, dass ein steuerfreies Aufgeld nur für die gegen neue X-Aktien eingetauschten 60 000 Y-Aktien in Betracht komme, so ergebe sich bei richtiger Berechnung des innern Wertes der AG Y. ein objektiv gerechtfertigter Agiobetrag von Fr. 270 411 000 (60 000 x Fr. 4506.85) oder mindestens Fr. 265 926 000 (60 000 x Fr. 4432.10). Der Überschuss von Fr. 39 589 000 (Fr. 310 Mio -Fr. 270 411 000) bzw. Fr. 44 074 000 (Fr. 310 Mio-Fr. 265 926 000) wäre dann aber als "vorweggenommener Fusionsgewinn" auf den übrigen 50 390 Y-Aktien anzusehen und aus diesem Grunde bei der Berechnung des steuerbaren Reinertrags ausser Betracht zu lassen.
Würde er gleichwohl in diese Berechnung embezogen, so wäre er als Ertrag einer massgebenden Beteiligung im Sinne des Art. 59 WStB zu qualifizieren und daher der Holdingabzug entsprechend zu erhöhen.
E.- Die kantonale Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen und den Einspracheentscheid wiederherzustellen,
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eventuell den Entscheid der Rekurskommission zu bestätigen.Die Rekurskommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Die Eidg. Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen und den Einspracheentscheid wiederherzustellen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 49 WStB ist Grundlage für die Ermittlung des steuerbaren Reinertrags der Aktiengesellschaft der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung. d.h. das Ergebnis eines nach dem System der doppelten Buchführung erstellten Rechnungsabschlusses, wie ihn das OR für Aktiengesellschaften zwingend vorschreibt. Die Steuer vom Reinertrag erfasst demnach den ganzen während der massgebenden Geschäftsperiode erzielten Zuwachs des Geschäftsvermögens, den der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung in einer ordnungsgemäss geführten doppelten Buchhaltung ausweist. Gegenstand der Steuer ist also nicht ein blosser Betriebsgewinn, sondern ein Vermögensstandsgewinn (BGE 71 I 406, BGE 88 I 274).
Kapitaleinlagen der Aktionäre berühren die Erfolgsrechnung der Gesellschaft nicht und sind dementsprechend bei der Berechnung des nach Art. 49 WStB steuerbaren Reinertrags nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für solche von Aktionären geleistete Einlagen, die nicht dem Aktienkapitalkonto, sondern einem Reservekonto der Gesellschaft gutgeschrieben werden, insbesondere für das Aufgeld (Agio), das bei einer Erhöhung des Grundkapitals die Zeichner neuer Aktien erlegen müssen, um sich in die vorhandenen Gesellschaftsreserven einzukaufen (KÄNZIG, Wehrsteuer-Kommentar, N. 38-40 zu Art. 49 WStB). In der Praxis der Wehrsteuerbehörden wird das Emissionsagio denn auch nicht in die Ermittlung des steuerbaren Reinertrags einbezogen (MASSHARDT, Kommentar zur Wehrsteuer 1971- 1982, N. 9d zu Art. 49 WStB). An der gegenteiligen Auffassung, die in BGE 74 I 395 (E. 4b) beiläufig vertreten wurde, kann nicht festgehalten werden.
2. Lässt eine Aktiengesellschaft die bei einer Erhöhung des Grundkapitals ausgegebenen neuen Aktien durch Sacheinlagen liberieren, so muss sie diese für die Verbuchung bewerten. Wenn der richtig ermittelte Wert der Einlagen den Nominalwert der ausgegebenen Aktien übersteigt, stellt der Überschuss ein
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Agio dar, das nicht in die Berechnung des wehrsteuerpflichtigen Reinertrags der Gesellschaft fällt. Verbucht diese aber als Agio einen über den massgebenden Wert der Einlagen hinausgehenden Betrag, so nimmt sie im Umfange der Differenz eine Aufwertung von Aktiven vor. Der Betrag dieser Aufwertung kann nicht mehr als ertragssteuerfreies Aufgeld betrachtet werden. Vielmehr ist er in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags einzubeziehen, es wäre denn, dass er aus einem anderen Grund - etwa wegen Verstosses gegen eine zwingende zivilrechtliche Bewertungsvorschrift (vgl. Urteil vom 28. April 1961, ASA Bd. 30 S. 193 Z. 3) - von der Ertragssteuer auszunehmen wäre. Fehlt ein solcher Grund, so ist der Aufwertungsbetrag auch dann als Ertrag zu erfassen, wenn die Gesellschaft ihn direkt, ohne Gutschrift in der Gewinn- und Verlustrechnung, einem Reservekonto zugewiesen hat.Nimmt die Gesellschaft von den Zeichnern der neuen Aktien Sacheinlagen entgegen, so ist für die Berechnung des ertragssteuerfreien Agios der Verkehrswert des Eingebrachten massgebend. Für Wertpapiere - z.B. Aktien einer anderen Gesellschaft -, die an der Börse kotiert sind und dort regelmässig gehandelt werden, ist als Verkehrswert der durchschnittliche Kurswert (Börsenwert) anzurechnen, den die Titel um die Zeit der Einbringung hatten (vgl. Art. 34 WStB). Es wäre - jedenfalls in der Regel - nicht sachgemäss, auf einen vom Kurswert abweichenden Substanzwert abzustellen. Abgesehen davon, dass die Ermittlung des Substanzwertes vielfach - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - auf Schwierigkeiten stossen kann, ist zu beachten, dass die Aktiengesellschaft die Wertpapiere, die sie für die von ihr ausgegebenen neuen Aktien empfängt, durch Eintausch erwirbt, d.h. durch ein Geschäft, das einem Kauf gleichzustellen ist. Massgeblich ist daher der Wert, zu dem die Zeichner die von ihnen in Tausch gegebenen Titel im Zeitpunkt des Einbringens hätten verkaufen können. Das ist bei Wertpapieren mit regelmässiger Kursnotierung an der Börse eben der durchschnittliche Kurswert, zu dem sie dazumal gehandelt worden sind. Die Aktiengesellschaft, die solche Wertpapiere in Tausch nimmt, erhielte ebenfalls den Börsenpreis, wenn sie dieselben wieder veräussern wollte. Höchstens zu diesem Wert darf sie die Titel bilanzieren (Art. 667 OR). Bucht sie einen höheren Betrag, so liegt eine Aufwertung vor, die in der Regel in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags einbezogen
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werden muss. Auf den Börsenwert wäre allenfalls dann nicht abzustellen, wenn Gründe für die Annahme beständen, dass er - entgegen dem gewöhnlichen Lauf der Dinge - nicht Ausdruck des wirklichen Verkehrswertes sei (vgl. BGE 77 I 298).
3. Die Beschwerdeführerin hat auf Grund des Beschlusses ihrer Generalversammlung vom 14. November 1966, das Grundkapital um Fr. 60 Mio zu erhöhen, 120 000 neue Aktien im Nennenwert von je Fr. 500 ausgegeben und dafür von den Zeichnern 60 000 Y-Aktien entgegengenommen. Dabei hat sie ein Agio erhalten, das von der Wehrsteuer für den Reinertrag nicht erfasst wird. Sie meint, dass ein solches Aufgeld hinsichtlich aller von ihr erworbenen 110 390 Y-Aktien in Rechnung gestellt werden könne. Dieser Standpunkt ist offensichtlich unbegründet. Nur beim Eintausch der 60 000 Y-Aktien gegen die neu ausgegebenen eigenen Aktien hat die Beschwerdeführerin ein Agio empfangen, nicht auch beim Erwerb der übrigen 50 390 Y-Aktien; denn diese Titel hat sie sich ausserhalb der Kapitalerhöhung verschafft.
Die Y-Aktie wurde seinerzeit an der Börse regelmässig gehandelt. Im Monat vor der Generalversammlung der AG X. vom 14. November 1966 lagen die Tagesschlusskurse der Zürcher Börse wenig unter Fr. 5 000. Es wird nicht behauptet und ist nicht anzunehmen, dass der damalige Börsenpreis durch irgendwelche sachfremde Einwirkungen manipuliert worden sei und daher nicht als Ausdruck des wirklichen Verkehrswertes gelten könne. Er ist mithin der Berechnung des ertragssteuerfreien Agios zugrunde zu legen. Die Veranlagungsbehörde hat ihn auf Fr. 5 000 aufgerundet, was nicht zu beanstanden ist.
Die Beschwerdeführerin wendet vergeblich ein, auf den Börsenkurs könne nicht abgestellt werden, da "der Tausch von Aktien im Rahmen eines Fusionsvorganges nicht als Realisation zu betrachten" sei. Allerdings sollte mit dem Umtausch der 60 000 Y-Aktien gegen neue X-Aktien die Fusion der beiden Gesellschaften vorbereitet werden; doch ändert dies nichts daran, dass man es mit einem Tausch, also mit einem Veräusserungsgeschäft, zu tun hat. Es ist nicht einzusehen, weshalb hier nicht der den Verkehrswert ausdrückende Börsenpreis, zu dem die Y-Aktien einzeln hätten gekauft werden können, massgebend sein sollte.
Die Beschwerdeführerin hat ein Agio von Fr. 310 Mio eingebucht. Da von einem Börsenwert von Fr. 5 000 für eine
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Y-Aktie auszugehen ist, kann aber nur ein Betrag von Fr. 240 Mio (60 000 x Fr. 5 000 = Fr. 300 Mio-Fr. 60 Mio Nennwert der neuen X-Aktien) als ertragssteuerfreies Aufgeld anerkannt werden. Zu Unrecht hat die Beschwerdeführerin weitere Fr. 70 Mio ebenfalls unter der Bezeichnung "Agio" gebucht. In Wirklichkeit hat sie mit dieser Buchung ein Aktivum aufgewertet, nämlich das "Gesamtaktivum der AG Y. als Gegenwert von 110 390 Y-Aktien". Die vorgenommene Aufwertung ist für die Beschwerdeführerin wie auch für den Fiskus verbindlich, da kein Anlass besteht, ihre Begründetheit in Zweifel zu ziehen.Wären die Fr. 70 Mio als gewöhnlicher Aufwertungsgewinn zu qualifizieren, so wäre ohne weiteres klar, dass sie in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags der AG X. fallen, und ferner, dass sie nicht als Beteiligungsertrag im Sinne des Art. 59 WStB angerechnet werden können (vgl. KÄNZIG, Wehrsteuer-Kommentar, N. 9 zu diesem Art.). Indessen fragt sich, ob ein vorweggenommener Fusionsgewinn vorliege, wie die Beschwerdeführerin eventuell geltend macht, und welche steuerlichen Folgen sich ergeben, wenn dies zutrifft.
4. Ein Fusionsgewinn kann entstehen, wenn in den Büchern einer Aktiengesellschaft, die eine Tochtergesellschaft im Verfahren nach Art. 748 OR übernehmen will, die Aktien der Tochtergesellschaft tiefer bewertet sind als das Reinvermögen derselben in deren Übernahmebilanz. In der Fusionsschlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft tritt an die Stelle ihrer bisherigen 100%igen Beteiligung das in der Übernahmebilanz ausgewiesene Reinvermögen der annektierten Gesellschaft. Daraus ergibt sich für die übernehmende Gesellschaft ein Gewinn besonderer Art, der als Fusionsgewinn bezeichnet wird.
a) Die AG X. war Ende 1966 praktisch alleiniger Aktionär der AG Y. Die Fusion (Annexion der AG Y. durch die AG X.) ist im folgenden Jahr zustande gekommen. Diesem Sachverhalt hätte es entsprochen, wenn die AG X. in ihre Bilanz per 31. Dezember 1966 noch ihre 100%ige Beteiligung an der AG Y. eingesetzt hätte; dafür hätte ein Gesamtbetrag von Fr. 514 051 780 (Fr. 214 051 780 für 50 390 Aktien + Fr. 300 Mio für 60 000 Aktien) in Rechnung gestellt werden können. Indessen hat die AG. X auf Ende 1966 bereits das "Gesamtaktivum der AG Y." zum Werte von Fr. 584 051 780 bilanziert. Damit hat sie den inneren Wert der AG Y. zum Ausdruck bringen wollen. Das hat sie offensichtlich im Hinblick auf die Fusion getan, die damals
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in sicherer Aussicht stand. Der gebuchte Aufwertungsbetrag von Fr. 70 Mio kann demnach als vorweggenommener Fusionsgewinn betrachtet werden. Die Vorinstanz und die Eidg. Steuerverwaltung bestreiten es zu Unrecht.b) Die Vorinstanz führt aus, die Fusion könne hier schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht bereits in der massgebenden Berechnungsperiode 1965/66, sondern erst im Jahr 1967 zustande gekommen ist. Sie fügt bei, auf jeden Fall könnten die mit der Fusion zusammenhängenden Dispositionen der Beschwerdeführerin für die Besteuerung nur dann als Einheit behandelt werden, wenn sie in einem besonderen Zwischenkonto (Fusionskonto) entsprechend dargestellt worden wären. Das sei jedoch nicht geschehen. Die Erläuterungen im Geschäftsbericht 1966 der AG X. genügten nicht. Die für eine abschliessende Beurteilung der Fusionsvorgänge erforderlichen buchhalterischen Unterlagen fehlten.
Diese Ausführungen überzeugen nicht. Die Fusion wurde allerdings erst im Jahr 1967 vollzogen, doch wurde sie bereits im Vorjahr vorbereitet. Das ganze Vorgehen war einheitlich geplant, und es ist mehr oder weniger ein Zufall, dass das Ende der Berechnungsperiode 1965/66 mitten in die Vorgänge zu liegen kam. Entscheidend kann auch nicht sein, dass die Beschwerdeführerin die Vorfälle nicht genau so verbucht hat, wie sie es nach der Auffassung, auf die sich die Vorinstanz stützt, hätte tun sollen. Es darf nicht übersehen werden, dass auf diesem Gebiete noch eine gewisse Unsicherheit besteht, die auch einem Grossunternehmen mit einem qualifizierten Mitarbeiterstab zugute zu halten ist. Die Bilanz der AG X. per 31. Dezember 1966 wurde in der bestimmten Erwartung der Fusion aufgestellt und weist deshalb bereits das "Gesamtaktivum der AG Y." zu dem ihm zugeschriebenen inneren Wert aus, wie es in einer eigentlichen Fusionsschlussbilanz eingestellt sein müsste. Sie hat insofern die Funktion einer Fusionsschlussbilanz. Sie wurde denn auch von der Generalversammlung der AG X. vom 10. März 1967 zusammen mit dem am 3. Februar 1967 abgeschlossenen Fusionsvertrag genehmigt.
c) Die Eidg. Steuerverwaltung wendet ein, die Beschwerdeführerin sei Ende 1966 keineswegs verpflichtet gewesen, die ins Auge gefasste Fusion zu verwirklichen. Sie hätte es beim blossen wirtschaftlichen Zusammenschluss, der ihr die Beherrschung der AG Y. als Tochtergesellschaft eintrug, bewenden lassen können.
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Umgekehrt hätte die Fusion ohne dieses Zwischenstadium vollzogen werden können. Die Beschwerdeführerin habe also keine Veranlassung gehabt, schon im Jahre 1966 im Hinblick auf die Fusion eine Aufwertungsbuchung zu treffen; sie habe diese Buchung aus freien Stücken vorgenommen.
Auch diese Argumentation schlägt nicht durch. Wie die Beschwerdeführerin den Zusammenschluss mit der AG Y. durchführen wollte, war ihre Sache. Sie entschloss sich zu einem Weg, der über den Erwerb der gesamten umlaufenden Y-Aktien zur Annexion der Tochtergesellschaft führte. Dieses Vorgehen war eine Einheit. Sobald der Erfolg des Umtauschangebotes der Beschwerdeführerin feststand, war es klar, dass die Fusion in der geplanten Weise durchgeführt werden konnte. Die Eidg. Steuerverwaltung übersieht, dass die Beschwerdeführerin einen Mehrwert auf jeden Fall buchen musste, wenn sie in der Fusionsschlussbilanz die Bilanzkontinuität wahren wollte. Mit der Ende 1966 vorgenommenen Buchung des Differenzbetrages von Fr. 70 Mio hat die AG X. einen Gewinn, der infolge der Fusion schliesslich ohnehin in Erscheinung treten musste, vorweg ausgewiesen.
5. Überträgt eine juristische Person Aktiven und Passiven auf eine andere, so sind nach Art. 12 Abs. 2 WStB die von ihr für die laufende Veranlagungsperiode geschuldeten Wehrsteuern von der übernehmenden juristischen Person zu entrichten. Aus dieser Bestimmung ist zu schliessen, dass nach dem System des Wehrsteuerrechtes die übernehmende juristische Person in die Steuerpflicht der übernommenen eintritt. Sie hat nicht nur, was Art. 12 Abs. 2 WStB ausdrücklich festhält, die Wehrsteuer der untergehenden juristischen Person für die ganze laufende Veranlagungsperiode zu bezahlen; ausserdem werden ihr bei der Veranlagung für die auf die Vermögensübertragung folgende Periode auch die Geschäftsergebnisse der aufgelösten juristischen Person angerechnet, wie wenn es ihre eigenen wären, und ferner hat sie die Steuerpflicht für die stillen Reserven, die infolge der Vermögensübertragung auf sie übergegangen sind, auf sich zu nehmen. Sofern sie die Aktiven und Passiven der untergehenden juristischen Person zu den bisherigen Buchwerten in ihrer eigenen Bilanz einstellt, kommt es bei der Vermögensübertragung noch nicht zu einer Realisierung stiller Reserven dieser Person. In einem solchen Fall besteht kein Grund, über diese Reserven sogleich steuerlich abzurechnen; sie werden
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später, wenn die übernehmende juristische Person sie durch buchmässige oder tatsächliche Realisierung auflöst, als Ertrag erfasst (MASSHARDT, Besteuerung von Liquidationsgewinnen bei der Wehrsteuer, ASA Bd. 28 S. 196 ff.; KÄNZIG, Wehrsteuer-Kommentar, N. 5, 7-9 zu Art. 12 WStB). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine Aktiengesellschaft von einer anderen auf dem Wege der Fusion nach Art. 748 OR annektiert und damit ohne Liquidation aufgelöst wird (Urteil vom 3. Juni 1960, ASA Bd. 29 S. 441).Führt die Annexion einer Tochtergesellschaft bei der übernehmenden Muttergesellschaft zu einem Fusionsgewinn, so ergeben sich für die Ertragsbesteuerung Schwierigkeiten. Im vorliegenden Fall ist ein Fusionsgewinn dadurch entstanden, dass die Muttergesellschaft (AG X.) durch Einbuchung offener Reserven der Tochtergesellschaft (AG Y.) im Betrage von Fr. 70 Mio ihre eigenen offenen Reserven erhöht hat. In der Literatur ist umstritten, ob ein solcher Gewinn in die Berechnung der Wehrsteuer vom Reinertrag der Muttergesellschaft fällt und ob er gegebenenfalls als Beteiligungsertrag im Sinne des Art. 59 WStB zu qualifizieren ist.
a) In einem von der Schutzorganisation der privaten Aktiengesellschaften im Jahre 1970 herausgegebenen Gutachten einer Expertenkommission über steuerrechtliche Fragen beim Zusammenschluss von Unternehmungen vertritt die Mehrheit der Kommission die Auffassung, die offenen Reserven könnten "genau wie die übrigen Aktiven und Passiven ohne steuerrechtliche Folgen auf die Muttergesellschaft übergehen". Es mache das Wesen der Fusion aus, "dass die übernommene Gesellschaft ihre Existenz zivilrechtlich, wirtschaftlich und steuerrechtlich in der übernehmenden Gesellschaft fortsetzt". "Dies rechtfertigt es, alle Aktiven und Passiven der übernommenen Gesellschaft zu ihren bisherigen Bilanzansätzen steuerfrei auf die übernehmende Gesellschaft übergehen zu lassen. Es ist nicht einzusehen, weshalb von dieser Regel für den Bilanzposten,Reserven'eine Ausnahme gemacht werden sollte. Macht man eine solche Ausnahme, so bedeutet dies, dass in bezug auf die offenen Reserven der übernommenen Gesellschaft statt einer Fusion eine Liquidation angenommen wird. Das scheint der Kommissionsmehrheit nicht statthaft zu sein." (Gutachten S. 174 f.).
b) Andere Steuerfachleute sind der Meinung, die Muttergesellschaft habe die übernommenen offenen Reserven als
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Vermögenszugang zu versteuern, könne aber dafür das sog. Holdingprivileg (Art. 59 WStB) beanspruchen; denn es liege ein ausserordentlicher Ertrag der Beteiligung an der Tochtergesellschaft vor, der dem Ertrag gleichzustellen sei, den die Muttergesellschaft bei einer "eigentlichen" Liquidation der Tochtergesellschaft erzielt hätte (MASSHARDT in ASA Bd. 28 S. 201; derselbe, Fusion, transformation et scission d'entreprises, ASA Bd. 32 S. 183, 1. Hypothese; FLEISCHLI, Die steuerlichen Auswirkungen der Fusion von Aktiengesellschaften auf die beteiligten Unternehmen, St. Galler Diss. 1969, S. 256 ff., 266 ff.; Gutachten Schutzorganisation S. 174, These einer Minderheit der Expertenkommission).c) Dagegen hält KÄNZIG dafür, es handle sich nicht um einen Ertrag der Beteiligung, sondern um einen echten, auf der Beteiligung realisierten Kapitalgewinn der Muttergesellschaft, der im Zeitpunkt der Fusion der Ertragssteuer unterworfen werden müsse, weil er später nie mehr damit belegt werden könnte, und für den das Holdingprivileg nicht beansprucht werden könne. "Es ist nicht folgerichtig, den Übergang der stillen Reserven als fusionsweise Vermögensübernahme, den Übergang der offenen Reserven dagegen als Vermögenszugang aus Gewinnausschüttung zu betrachten. Es ist sachwidrig, die Übernahme einer Tochter- durch die Muttergesellschaft ohne Liquidation steuerrechtlich zwar grundsätzlich als eine erfolgsneutrale Fusion, den Übergang der offenen Reserven aber als eine Liquidationsmassnahme zu behandeln." (Unternehmenskonzentrationen, 1971, S. 83 f., 86 f.; Wehrsteuer-Kommentar N. 146 zu Art. 49, N. 10 zu Art. 53, N. 9 zu Art. 59 WStB.)
d) Durch Verbuchung eines Fusionsgewinns der hier in Frage stehenden Art weist die Muttergesellschaft einen Wert aus, der ihr als Inhaberin der Aktien der Tochtergesellschaft schon vorher gehört hat, von ihr aber bisher nicht bilanziert worden ist. Der Gewinn ergibt sich daraus, dass das Aktienpaket bei der Muttergesellschaft unterbewertet war und diese nun das Vermögen der Tochtergesellschaft mit einem entsprechend höheren Wert in der Bilanz einstellt. Würde die Muttergesellschaft, statt eine Fusion vorzunehmen, die Aktien veräussern oder das Vermögen der Tochtergesellschaft liquidieren, so hätte sie den dabei erzielten Gewinn nach dem Wehrsteuerrecht zweifellos als Ertrag zu versteuern. Mit einem Fusionsgewinn, wie er hier vorliegt, kann es sich aber nicht anders verhalten. Es lässt sich
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nicht bestreiten, dass die Muttergesellschaft mit der Buchung eines solchen Gewinns einen nicht aus Kapitaleinlagen ihrer Gesellschafter herrührenden, von ihr bisher nicht bilanzierten Vermögenszuwachs sichtbar macht. Den derart buchmässig realisierten Gewinn muss sie sich nach der für gebuchte Wertvermehrungen geltenden Regel des Wehrsteuerrechts als Ertrag des Jahres, in dem sie ihn ausgewiesen hat, anrechnen lassen. Es geht nicht an, die von der Muttergesellschaft eingebuchten offenen Reserven des Tochterunternehmens den auf sie übergehenden stillen Reserven gleichzustellen. Diese werden bei der übernehmenden Gesellschaft der Ertragssteuer solange nicht unterworfen, als sie unverändert bestehen bleiben; sie werden als Ertrag erst erfasst, wenn die Uebernehmerin sie durch tatsächliche oder buchmässige Realisierung auflöst. Dagegen realisiert die Muttergesellschaft bei der Uebernahme offener Reserven der annektierten Tochtergesellschaft schon mit der Einbuchung einen Gewinn. Dafür ist sie sofort zur Ertragssteuer heranzuziehen; später ist dies, im Gegensatz zu den übernommenen stillen Reserven, nicht mehr möglich.Immerhin ist ein derartiger Fusionsgewinn als Ertrag einer massgebenden Beteiligung im Sinne des Art. 59 WStB zu betrachten. In der Tat wirkt sich die Uebernahme der offenen Reserven für die annektierende Gesellschaft wie eine letzte Ertragszuweisung der untergehenden Tochtergesellschaft aus. Ein durch Veräusserung oder buchmässige Aufwertung der Beteiligung realisierter Gewinn fällt allerdings nicht unter das Holdingprivileg (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1940 betr. Krisenabgabe, ASA Bd. 10 S. 29); fliessen doch dabei keine Vermögenswerte aus der beherrschten Gesellschaft in die Holdinggesellschaft. Dagegen findet bei Fusionsgewinnen der hier in Rede stehenden Art ein Uebergang von Vermögenswerten - offenen Reserven - aus der untergehenden in die aufnehmende Gesellschaft statt. Es ist deshalb gerechtfertigt, solche Gewinne zu den Beteiligungserträgen zu rechnen. Dies ist auch die Auffassung der Eidg. Steuerverwaltung, die freilich im Fall der AG X. das Vorliegen eines Fusionsgewinnes - zu Unrecht- verneint.
6. Der strittige Fusionsgewinn von Fr. 70 Mio ist daher bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin für die Wehrsteuer der 14. Periode in die Berechnung des steuerbaren Reinertrags einzubeziehen. Dieser ist somit auf den von der Veranlagungsbehörde
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ermittelten Betrag von Fr. 116 530 800 festzusetzen. Anderseits ist jener Gewinn als Beteiligungsertrag gemäss Art. 59 WStB anzurechnen. Die Angelegenheit ist an die Veranlagungsbehörde zur entsprechenden neuen Einschätzung zurückzuweisen.Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben. Der steuerbare Reinertrag wird auf Fr. 116 530 800 festgesetzt. Der damit aufgerechnete Gewinnbetrag von Fr. 70 000 000 (Fr. 35 000 000 im Jahresdurchschnitt) ist als Beteiligungsertrag im Sinne des Art. 59 WStB zu berücksichtigen. Die Sache wird zur neuen Einschätzung auf dieser Grundlage an die Veranlagungsbehörde zurückgewiesen.
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