BGE 98 Ib 442
 
64. Urteil vom 8. Dezember 1972 i.S. Intercorn gegen Schweiz. Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) und Eidg. Volkswirt.. schaftsdepartement (EVD)
 
Regeste
Erhöhung eines Gesamtfuttermittelkontingentes.
 
Sachverhalt


BGE 98 Ib 442 (443):

Die Beschwerdeführerin, eine im Jahre 1967 gegründete Aktiengesellschaft, die sich mit der Herstellung von und dem Handel mit Getreide, Futtermitteln, Hülsenfrüchten, Düngemitteln, Sämereien und ähnlichen Produkten befasst, ist Mitglied der GGF. Kurz nach ihrer Gründung wurde ihr durch die GGF ein Gesamtfuttermittelkontigent von 2000 t eröffnet. Die Beschwerdeführerin ersuchte im Rekurs- und Beschwerdeverfahren erfolglos um ein höheres Kontingent.
Anlässlich der generellen Revision der Kontingente im Jahre 1970 wurde dasjenige der Beschwerdeführerin auf 2708 t erhöht. Diese Erhöhung wurde nicht angefochten.
Mit Eingabe vom 14. Dezember 1970 stellte die Beschwerdeführerin bei der GGF das Gesuch um Erhöhung ihres Kontingentes auf 12 000 t. Die GGF wies dieses Begehren ab. Die Beschwerdeführerin wandte sich daraufhin an das EVD, welches die Beschwerde abwies. Gegen diesen Entscheid erhebt sie Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Erwägungen:
1. a) Gemäss befristetem Bundesbeschluss vom 17. Dezember 1952, letztmals revidiert und verlängert am 29. September 1966 (BB 1952/1966), besteht unter der Bezeichnung "Schweizerische Genossenschaft für Getreide- und Futtermittel (GGF)" eine vom Bundesrat gegründete Genossenschaft des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 829 OR. Mitglieder der GGF sind Importeure von Futtermitteln, Stroh und Streue sowie von Waren, bei deren Verarbeitung Futtermittel anfallen können. Aufgaben und Tätigkeit der GGF, der das alleinige Einfuhrrecht von Futtermitteln zusteht, sind im BB 1952/1966 (Art. 1 Abs. 2, 3 und 4) festgelegt. Art. 1 Abs. 4 bestimmt, dass Einzelkontingente sowie der Verteilungsschlüssel für Pflichtbezüge periodisch zu

BGE 98 Ib 442 (444):

überprüfen und wesentlich veränderten Verhältnissen anzupassen sind.
Gestützt auf den Bundesbeschluss von 1952 erging am 18. Dezember 1953 der Bundesratsbeschluss über die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel. Dieser bestimmt in Art. 3, dass Organisation und Tätigkeit der Genossenschaft sich nach deren Statuten richten. Die Statuten, welche im Laufe der Jahre verschiedentlich abgeändert und vom Bundesrat genehmigt wurden, sehen in Art. 4 vor, wer als Mitglied der GGF beitreten kann. Art. 5 der Statuten regelt die Kontingentseröffnung, wobei Abs. 3 bestimmt, dass das EVD sich vorbehält, die durch die Handelspolitik, den Schutz der nationalen Produktion und die Vorratshaltung gebotenen allgemeinen Weisungen für die Erteilung, Neuordnung und Erhöhung von Einzelkontingenten zu erlassen; es hört in der Regel vorher die beteiligten Kreise an. Art. 6 der Statuten regelt die Berechnung und Zuteilung der Einzelkontigente. Art. 7 der Statuten sieht vor, dass der Vorstand nach seinem Ermessen im Rahmen pflichtgemässer Geschäftsführung nach Anhören der beteiligten Kreise sowohl über die Höhe der gemäss Art. 5 neu zu eröffnenden Einzelkontingente als auch über die ausnahmsweise Erhöhung bestehender Einzelkontingente entscheidet.
b) Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des EVD, mit welchem der GGF die Erhöhung ihres Kontingentes auf 12 000 t pro Jahr verweigert wird. Dieser Entscheid stützt sich auf öffentliches Recht des Bundes und stellt eine Verfügung im Sinne von Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwG dar (BGE 97 I 296 und 741; Urteil vom 30. April 1971 i.S. Gr., überall Erw. 1). Da keiner der Ausschlussgründe der Art. 99 bis 102 zutrifft, die Beschwerdeführerin als unmittelbar Betroffene an der Änderung der angefochtenen Verfügung ein schutzwürdiges Interesse hat (Art. 103 lit. a OG) und die prozessualen Erfordernisse erfüllt sind (Art. 106 und Art. 108 OG), ist auf die Beschwerde einzutreten.
Mit dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass Art. 1 Abs. 4 BB 1952/1966 und Art. 7 der Statuten verschiedene Probleme regeln. Während Art. 1 Abs. 4 die generelle periodische Überprüfung und Anpassung aller Kontingente an wesentlich veränderte Verhältnisse zum Gegenstand hat (vgl. hierzu Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1966 in BBl 1966 I 442 f.), betrifft Art. 7 der Statuten jene Einzelfälle, da über die Höhe eines neu zu eröffnenden Einzelkontingentes einerseits, über die ausserhalb der periodischen Anpassung sämtlicher Kontingente ausnahmsweisen Erhöhung eines bestehenden Einzelkontingentes anderseits zu befinden ist.
Wenn Art. 7 daher bestimmt, dass eine solche einzelne Kontingentserhöhung nur "ausnahmsweise" erfolgen kann, tritt er damit nicht in Widerspruch zu Art. 1 Abs. 4 BB 1952/1966. Das EVD und die GGF verletzen diese letzte Bestimmung nicht, wenn sie in der Annahme einer Ausnahmesituation Zurückhaltung üben. Es entspricht nämlich dem Sinn und Zweck der als gesetzlich anerkannten Kontingentsordnung (BGE 97 I 298 und 744), dass ausserhalb der periodischen Anpassung der Kontigente an wesentlich veränderte Verhältnisse, einzelne Änderungen in der bestehenden Kontingentsstruktur nur ausnahmsweise und mit Zurückhaltung vorgenommen werden. Damit steht namentlich nicht im Widerspruch, dass die statutarischen Bestimmungen der GGF so auszulegen sind, dass die verfassungsmässige Handels- und Gewerbefreiheit nicht weiter eingeschränkt wird, als die Erreichung der Ziele, die sich der Gesetzgeber gesetzt hat, es erforderlich macht (BGE 97 I 299 mit Hinweisen). Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass das EVD allgemeine Weisungen über die Erteilung von Einzelkontingenten erlassen kann, seiner Auslegung der statutarischen Bestimmungen demnach erhöhtes Gewicht beizumessen ist (ebenda).
Die Beschwerdeführerin beruft sich - wie bereits in den vorangegangenen Verfahren - im wesentlichen darauf, es bestehe bei ihr heute eine starke Diskrepanz in ihren Geschäftsbereichen;

BGE 98 Ib 442 (446):

während sie im Bereich der nichtkontingentierten Produkte die Funktion eines Grossimporteurs ausübe, übe sie im Bereich der kontingentierten Produkte nur jene eines Kleinimporteurs aus.
Die seit der Gründung in der Tat stark erweiterte Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin im Bereich der nichtkontingentierten Produkte bildet jedoch keinen Ausnahmegrund im Sinne von Art. 7 der Statuten. Es liegt in der Natur der Kontingentierung selbst, dass die Ausweitung der Geschäftstätigkeit im Geschäftsbereich, welcher von der Kontingentierung erfasst wird, beschränkt ist und beschränkt bleibt. Wer daher seine Geschäftstätigkeit entfalten will - und dies ist bei einem jungen, aufstrebenden Unternehmen in der Regel der Fall -, ist darauf beschränkt, dies in jenem Bereich zu versuchen, der von der Kontingentierung nicht erfasst wird. Aus dem guten Geschäftsgelingen und der zunehmenden Geschäftstätigkeit im nichtkontingentierten Bereich nun einen Anspruch auf individuelle Kontingentserhöhung ableiten zu wollen, ist verfehlt. Dies führte nämlich dazu, dass Einzelkontingente ständig und von Fall zu Fall den veränderten Geschäfts- und Marktverhältnissen angepasst werden müssten. Für eine solche Anpassung bietet nur Art. 1 Abs. 4 BB 1952/1966, d.h. die periodische Anpassung aller Kontingente, nicht aber Art. 7 der Statuten Hand (vgl. auch BGE 97 I 747).
Die ursprüngliche Kontingentszuteilung an die Beschwerdeführerin (2000 t) steht nicht mehr zur Diskussion; die Beschwerdeführerin hat sich ohne Erfolg dagegen gewehrt. Eine generelle Neuanpassung der Kontingente ist im Jahre 1970 erfolgt. Das ursprüngliche Kontingent der Beschwerdeführerin wurde dabei um etwa 35% erhöht. Diese Erhöhung hat die Beschwerdeführerin nicht angefochten. Sie verlangte in der Folge am 14. Dezember 1970, also im selben Jahr noch, da die generelle Kontingentsanpassung erfolgt war, eine massive Erhöhung ihres Einzelkontingents. Dass in der Zeit zwischen der generellen Kontingentsanpassung und ihrem Kontingentserhöhungsbegehren besondere Umstände eingetreten sind, welche eine Ausnahme im Sinne von Art. 7 der Statuten zu rechtfertigen vermöchten, ist weder dargetan noch begründet. Es muss daher bei der Kontingentszuteilung vom Jahr 1970 sein Bewenden haben.