Urteilskopf
99 Ib 493
68. Urteil vom 16. November 1973 i.S. Dillier AG gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
Regeste
BRB vom 6. Juli 1973 über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer; "Verfügung" vom 6. Juli 1973 betreffend den Vollzug dieses BRB.
1. Begriff des Betriebes mit saisonalem Charakter im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a des BRB.
2. Begriff der Saisonarbeitskraft im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der VV zum BRB.
3. Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 lit. b des BRB.
Sachverhalt:
A.- Die Firma Dillier AG Sarnen betreibt ein Car- und Transportunternehmen. Neben dem Transport von Waren und der Organisation von Carreisen führt sie für die PTT seit Jahren die Postautokurse Sarnen-Melchtal-Stöckalp, Sarnen-Wilen und Sachseln-Flüeli. Auf den 1. Januar 1973 hat sie ausserdem die Kehrichtabfuhr in sechs Gemeinden übernommen.
Die Firma erzielt während der Sommermonate regelmässig wesentlich höhere Monatsumsätze als während des übrigen Jahres.
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Auch der Personalbestand unterliegt gewissen Schwankungen.
Laut einer Erklärung des kantonalen Arbeitsamtes Obwalden hat die Firma Dillier AG zur Bewältigung der in den Sommermonaten anfallenden zusätzlichen Arbeiten bisher schon auch ausländische Saisonarbeitskräfte eingestellt. Im Jahre 1971 hatte sie um Bewilligung der Einstellung eines italienischen Mechanikers als Saisonarbeitskraft nachgesucht, ihr Gesuch aber in der Folge wieder zurückgezogen mit der Erklärung, der Chauffeurmangel sei durch intensiven Einsatz der beiden Firmeninhaber und zweier Söhne überbrückt worden. Für 1972 kündigte sie damals ein neues Gesuch an.
B.- Am 23. März 1973 ersuchte die Eidg. Fremdenpolizei das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA), zu einem Gesuch der Firma Dillier AG um Bewilligung von zwei Saisonarbeitskräften Stellung zu nehmen. Das BIGA stellte daraufhin am 10. April 1973 fest, der Firma fehle der Saisoncharakter im Sinne von Art. 18 Abs. 2 lit. c ANAG, Art. 18 Abs. 5 ANAV und Art. 8 lit. a des BRB über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer vom 21. April 1971. Damit falle jeder Anspruch auf Erteilung von Bewilligungen zur Beschäftigung von Saisonarbeitskräften dahin.
Das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) hat diese Verfügung auf Beschwerde der Firma Dillier AG hin am 27. Juli 1973 bestätigt. Dabei stützte es sich auf den am 6. Juli 1973 erlassenen und am 15. Juli 1973 in Kraft getretenen BRB über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer sowie auf die Vollziehungsverordnung dazu. Es führt u.a. aus, die Beschwerdeführerin befinde sich in der gleichen Lage wie andere Betriebe in Fremdenorten. Ob dem durch die Übernahme der Kehrichtabfuhr in sechs Gemeinden erhöhten Arbeitsanfall durch Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zulasten des kantonalen Kontingents für Jahresaufenthalter Rechnung getragen werden könne, hätten die kantonalen Behörden zu entscheiden.
C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma Dillier AG, den Entscheid des EVD aufzuheben und ihr die Anstellung von Saisonarbeitskräften "im nachgesuchten Umfang" zu bewilligen. In tatsächlicher Hinsicht macht sie geltend, sie müsse für die Postautokurse im Sommer einen bis zwei zusätzliche Wagenführer einsetzen; die sechs Gemeinden, deren Kehricht sie abführe, zählten im Sommer
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bis doppelt so viele Einwohner wie im Winter: der Reisecarbetrieb liege im Winter zum grössten Teile still, würden doch jeweils vier der insgesamt sieben Cars stillgelegt: der Lastwagenbetrieb ermögliche keinen Ausgleich dieser Ausfälle, liege doch die Beschäftigungsspitze auch dieses Betriebszweiges in den Sommermonaten.Erwägungen:
1. Der BRB vom 21. April 1971 über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer ist durch den gleich betitelten BRB vom 6. Juli 1973 aufgehoben. Der neue Erlass will insbesondere die Zahl der Saisonarbeitskräfte wirksam begrenzen (Art. 1 Abs. 1). Der Bundesrat bestimmt zu diesem Zwecke für jedes Jahr die zulässige Höchstzahl von Saisonarbeitskräften pro Kanton und für die ganze Schweiz (Art. 7 Abs. 1 und 2). Saisonbewilligungen dürfen innerhalb der Höchstzahlen nur erteilt werden, wenn
"a. es sich um einen Betrieb handelt, der saisonalen Charakter hat;
b. der nachgesuchte Ausländer in diesem Betrieb tatsächlich eine Saisontätigkeit ausübt" (Art. 8 Abs. 1).
a) Zunächst fragt sich, was unter einem Betrieb mit saisonalem Charakter im Sinne der zitierten Vorschrift zu verstehen ist.
Nach Art. 6 Abs. 1 der Vollzugsverordnung zum BRB vom 6. Juli 1973 dürfen Saisonbewilligungen erteilt werden "für Saisonbetriebe der Bauwirtschaft und des Gastgewerbes sowie für Saisonbetriebe in den übrigen Erwerbszweigen, die regelmässig Saisonarbeitskräfte beschäftigen".
Als Betriebe saisonalen Charakters im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a BRB sind demnach neben den ausdrücklich erwähnten Betrieben der Bauwirtschaft und des Gastgewerbes nicht einfach alle übrigen Betriebe mit saisonbedingter Tätigkeit zu betrachten, sondern nur die Betriebe ganz bestimmter Erwerbszweige, nämlich der Erwerbszweige, die regelmässig Saisonarbeitskräfte beschäftigen. Dass ein bestimmter Betrieb jedes Jahr Saisonarbeitskräfte benötigt, genügt deshalb nicht für die Erteilung einer Saisonbewilligung. Die Bewilligung darf vielmehr nur erteilt werden, wenn der Betrieb einem Erwerbszweig angehört, in dem regelmässig Saisonarbeitskräfte beschäftigt werden.
Mit dieser Beschränkung lehnt sich die Vollzugsverordnung
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an Art. 7 des ausser Kraft gesetzten BRB vom 21. April 1971 an. Dass sie damit den BRB vom 6. Juli 1973 in unzulässiger Weise einschränke, lässt sich umso weniger sagen, als dieser BRB gegenüber dem BRB vom 21. April 1971 ja eine weitere Erschwerung der Zulassung von Saisonarbeitskräften bezweckt.Der Begriff der Saisonarbeitskraft im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung zum BRB vom 6. Juli 1973 ist auf Grund des BG über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG) und der dazugehörigen Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 (ANAV) zu bestimmen, stützt sich der BRB doch ausdrücklich auf Bestimmungen des ANAG. Nach Art. 18 Abs. 5 ANAV sind Saisonarbeiter und -angestellte "Ausländer, deren Beruf ausgesprochene Saisonzeiten hat und die in einem solchen Beruf eine Saisonstelle bekleiden".
Unter einem Betrieb mit saisonalem Charakter im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a des BRB vom 6. Juli 1973 ist somit ein Betrieb zu verstehen, der zu einem Erwerbszweig gehört, in dem regelmässig Saisonarbeitskräfte, also Ausländer, die in einem Saisonberuf saisonweise tätig sind, beschäftigt werden. Ob der Betrieb, der um eine Saisonbewilligung nachsucht, bereits früher Saisonarbeitskräfte beschäftigt hat, ist ebenso bedeutungslos wie, ob er zu bestimmten Perioden des Jahres regelmässig Beschäftigungsspitzen aufweist. Für die Erteilung einer Saisonbewilligung ist nötig und genügt, dass er die dargelegten Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 1 lit. a des BRB vom 6. Juli 1973 erfüllt.
b) Art. 8 Abs. 1 lit. b verlangt überdies, dass der Ausländer, für den die Saisonbewilligung beantragt wird, im betreffenden Betrieb tatsächlich eine Saisontätigkeit ausübt. Diese Bedingung ist aber, wie sich aus dem Gesagten ergibt, bereits in der ersten Bedingung enthalten und entbehrt deshalb eigener Bedeutung.
2. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung von zwei Saisonbewilligungen wurde im vorliegenden Falle mit Rücksicht auf den dargelegten Sinn der anwendbaren Bestimmungen zu Recht abgewiesen.
Keiner der Betriebszweige der Beschwerdeführerin zählt zu einer Branche, in der regelmässig Saisonarbeitskräfte beschäftigt werden. Weder die Führung von Reisecars oder Lastwagen, noch die Kehrichtabfuhr sind in der Schweiz im allgemeinen Saisonarbeitskräften übertragen. All dies sind vielmehr grundsätzlich ganzjährige Beschäftigungen, mit denen - jedenfalls zu
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einem grossen Teil - einheimische Arbeitskräfte betraut sind. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin während der Sommermonate einen verhältnismässig wesentlich höheren Umsatz erzielt, als während des übrigen Jahres, macht sie noch nicht zu einem Betrieb mit saisonalem Charakter im Sinne der zitierten Vorschrift. Das EVD bringt übrigens zu Recht vor, dass die Zuteilung von Saisonarbeitskräften an alle Betriebe, die in Fremdenverkehrsgebieten saisonale Umsatzspitzen aufweisen, den Erfolg der Stabilisierungspolitik des Bundesrates gefährden würde.Die beiden Ausländer, die in die Dienste der Beschwerdeführerin treten sollten, können ausserdem nicht als Saisonarbeitskräfte im Sinne der massgebenden Vorschriften betrachtet werden. Einer der beiden wird als Garagearbeiter, der andere als Garagearbeiter/Chauffeur bezeichnet. Keiner dieser beiden Berufe hat aber als solcher "ausgesprochene Saisonzeiten". Das EVD weist auch darauf hin, dass es nicht üblich ist, Ausländer für die Führung von Reisecars einzustellen.
Die Beschwerde wird deshalb abgewiesen.