BGE 101 Ib 1 |
1. Auszug aus dem Urteil vom 26. März 1975 in Sachen Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Gemeinde Pontresina |
Regeste |
Garantiegesetz. |
- Es kann nicht angenommen werden, eine Liegenschaft sei im Sinne von Art. 10 GarG unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt, wenn die Nutzung der Liegenschaft gemäss dem Bundeszweck, für den sie erworben worden ist, nicht bloss vorübergehend, sondern für eine längere, unbestimmte Zeit unwahrscheinlich oder doch zumindest zweifelhaft erscheint und die Überlassung der Liegenschaft an Dritte einen selbständigen Zweck verfolgt, namentlich der Erzielung eines wirtschaftlichen Entgeltes dient. |
Sachverhalt |
Die Klägerin, die Schweizerische Eidgenossenschaft, ist Eigentümerin des neuen Postgebäudes in Pontresina, das sie im Juli 1973 bezog. Das Gebäude umfasst ein Untergeschoss, ein Erdgeschoss und einen ersten Stock. Untergeschoss und Erdgeschoss enthalten neben den eigentlichen Postlokalitäten fünf Doppelgaragen (Untergeschoss) und einen Kioskraum (Erdgeschoss). Der erste Stock weist eine 4 1/2 Zimmerwohnung, eine Einzimmerwohnung, ein Doppelzimmer sowie zwei Einzelzimmer mit Küchenbenutzung, eine 3 1/2 Zimmerwohnung und eine 2 1/2 Zimmerwohnung auf, die - nach den Angaben der Klägerin - wie folgt belegt sind: die 4 1/2 Zimmerwohnung durch einen Betriebsassistenten der PTT, die Einzimmerwohnung durch eine Postgehilfin, das Doppel- und die Einzelzimmer durch Assistentinnen und Lehrtöchter der PTT; die 3 1/2 Zimmerwohnung und die 2 1/2 Zimmerwohnung sind Ferienwohnungen für PTT-Personal. Die Schweizerische Eidgenossenschaft erhebt verwaltungsrechtliche Klage beim Bundesgericht gegen die Gemeinde Pontresina mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass sie für das neue Postgebäude in Pontresina von der Liegenschaftssteuer befreit sei. Die Gemeinde Pontresina widersetzt sich diesem Begehren und vertritt die Auffassung, dass die Klägerin für jene Gebäudeteile, die nicht unmittelbar der postdienstlichen Aufgabe dienten, die Liegenschaftssteuer entrichten müsse. Das Bundesgericht heisst die Klage insoweit gut, als festgestellt wird, dass die Klägerin für das neue Postgebäude in Pontresina nicht liegenschaftssteuerpflichtig ist, mit Ausnahme der 7 an PTT-fremde Interessenten vermieteten Einstellplätze im Untergeschoss, der an den Kioskbetrieb vermieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoss sowie der beiden Ferienwohnungen im ersten Stock des Postgebäudes. |
Aus den Erwägungen: |
Die Beklagte hat im Einspracheentscheid in Frage gestellt, ob die Liegenschaftssteuer der Gemeinde Pontresina eine direkte Steuer sei. Sie hat dies verneint und das Vorliegen einer Vorzugslast angenommen. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden in seinem Entscheid zum Ergebnis gelangt ist, es handle sich bei der von der Gemeinde Pontresina erhobenen Liegenschaftssteuer um eine direkte Steuer, hat die Beklagte in Klageantwort und Duplik sich zur rechtlichen Qualifikation der fraglichen Abgabe nicht mehr geäussert und sich damit offenbar der Ansicht von Verwaltungsgericht und Klägerin angeschlossen. Diese betrachten die Liegenschaftssteuer zu Recht als direkte Steuer im Sinne von Art. 10 GarG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt nämlich eine direkte Steuer im Sinne dieser Bestimmung in der Regel vor, wo nicht ein bestimmter Verkehrsvorgang Grundlage der Besteuerung bildet, insbesondere, wenn die Steuer periodisch erhoben wird (vgl. BGE 99 Ib 232). Dies trifft für die Liegenschaftssteuer der Gemeinde Pontresina zu. Sie wird nach dem Liegenschaftswert bemessen und nicht nach den Vorteilen, die den Pflichtigen aus Werken erwachsen, die angeblich über diese Steuer finanziert werden.
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3. Die Klägerin macht geltend, das neue Postgebäude in Pontresina sei unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmt; sie dürfe daher für dieses Gebäude nicht mit direkten Steuern belastet werden. Die Beklagte bestreitet im vorliegenden Verfahren nicht, dass das Gebäude, soweit es für die eigentlichen postdienstlichen Verrichtungen belegt ist, nicht mit der Liegenschaftssteuer belastet werden darf. Sie hebt indes hervor, dass verschiedene Gebäudeteile nicht unmittelbar Bundeszwecken dienten: Im Untergeschoss werde beinahe ein Drittel der Gesamtfläche als Garagenareal fremdvermietet; im Erdgeschoss werde ein Kiosk betrieben; im ersten Stock würden rund 185 m2 als Ferienwohnungen vermietet. Für jene Gebäudeteile, die nicht unmittelbar der postdienstlichen Aufgabe dienten und als Ferienwohnungen, Garagen, Kiosk usw. fremdvermietet würden, sei die Liegenschaftssteuer zu entrichten. |
a) In dem Masse, als das neue Postgebäude in Pontresina dazu dient, die von einer örtlichen PTT-Stelle benötigten Räumlichkeiten aufzunehmen, ist die in Art. 10 GarG aufgestellte Bedingung erfüllt: Die Liegenschaft ist unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmt; sie soll die im öffentlichen Interesse liegende und gestützt auf das Postregal vom Bund zu erbringende Dienstleistung in Pontresina sicherstellen. Fraglich ist, ob das Steuerprivileg des Art. 10 GarG auch für die Räumlichkeiten des neuen Postgebäudes beansprucht werden kann, die nicht postdienstlichen Verrichtungen im engeren Sinne des Wortes dienen, d.h. die vorübergehend oder dauernd anderweitig genutzt werden.
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Die Steuerbefreiung richtet sich, wie aus Art. 10 GarG hervorgeht, darnach, ob eine Liegenschaft unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt ist. Wie das Bundesgericht im Urteil vom 31. Mai 1974 in Sachen Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Gemeinde Düdingen (BGE 100 Ib 236) erkannt hat, setzt die Steuerbefreiung nicht voraus, dass die Liegenschaft tatsächlich unmittelbar Bundeszwecken dient, sondern lediglich, dass sie unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt ist. Diese generelle Formulierung des Steuerbefreiungsgrundes bedarf - wie im erwähnten Urteil ausgeführt - der Präzisierung, denn die Frage ist offen, ob auch dann angenommen werden kann, eine Liegenschaft sei im Sinne von Art. 10 GarG unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt, wenn sie (bzw. Teile derselben) dem Bundeszweck, für den sie erworben worden ist, nicht oder erst nach längerer Zeit zugeführt wird, vorderhand also noch nicht zum Verwaltungsvermögen des Bundes gezählt werden kann. Diese Frage ist sicher dann zu verneinen, wenn die Umstände im Einzelfall erkennen lassen, dass eine Nutzung gemäss dem Bundeszweck, für den die Liegenschaft erworben worden ist, nicht bloss vorübergehend, sondern für eine längere, unbestimmte Zeit unwahrscheinlich oder doch zumindest zweifelhaft erscheint und die Überlassung der Liegenschaft (bzw. Teile derselben) an Dritte einen selbständigen Zweck verfolgt, namentlich der Erzielung eines wirtschaftlichen Entgeltes (Gewinn) dient. Entscheidend ist also in derartigen Fällen, was mit der Liegenschaft in der Zwischenzeit geschieht, es kommt m.a.W. wesentlich auf die tatsächliche Nutzung der Liegenschaft an. |
Dass die Steuerbefreiung in solchen Fällen von der tatsächlichen Nutzung abhängig gemacht wird, erscheint als logische Konsequenz aus Art. 10 GarG. So hat das Erfordernis der "Unmittelbarkeit" auch seinen guten Sinn. Aus Art. 10 GarG abzuleiten, dass die unmittelbar für Bundeszwecke bestimmten Liegenschaften auch dann Steuerfreiheit geniessen sollen, wenn sie vorübergehend (d.h. bis zu ihrer bestimmungsgemässen Verwendung) oder dauernd wirtschaftlich anderweitig durch Vermietung oder Verpachtung gegen ortsübliches Entgelt genutzt werden, würde dem Zweck der Steuerbefreiung, die nur das eigentliche Verwaltungsvermögen des Bundes erfassen will, nicht gerecht; wenn der Bund nämlich eine Liegenschaft oder Teile einer solchen zu einem andern als dem Verwaltungszweck nutzbringend verwendet, erscheint es auch billig, dass er dafür besteuert wird, wie für eine dem Fiskalvermögen angehörende Liegenschaft. Damit wird nicht die Regel des Art. 10 GarG restriktiv ausgelegt. Ausgangspunkt auch dieser Betrachtungsweise ist, dass dem Bund gehörende Liegenschaften von der Steuerpflicht enthoben sind und nur in Ausnahmefällen die Steuerhoheit der Kantone anzuerkennen ist. Die wirtschaftliche Nutzung zu verwaltungsfremden Zwecken ist aber gerade ein solcher Ausnahmefall (vgl. hierzu die Darstellung von Einzelfällen aus der Gerichts- und Verwaltungspraxis zur Steuerbefreiung nach Massgabe des Garantiegesetzes bei BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. 1, Nrn. 261 ff. S. 575 ff.).
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Dies trifft vorab unbestrittenermassen für alle Räumlichkeiten zu, welche für die postdienstlichen Verrichtungen im engern Sinn genutzt werden. Die Beklagte bestreitet im vorliegenden Verfahren auch nicht, dass jene Wohnungen, welche zur Zeit an ortsansässiges PTT-Personal vermietet werden, im Sinne von Art. 10 GarG von der Liegenschaftssteuer befreit sind. Daran von Amtes wegen etwas zu ändern, besteht kein Anlass. Die Annahme ist durchaus gerechtfertigt, es würden durch das Zurverfügungstellen von Wohnungen, Angestelltenzimmern und Garagen an ortsansässiges Personal Bedingungen geschaffen, die für die Erfüllung der Betriebsaufgaben der PTT günstig sind. Ob dies geradezu unentbehrlich ist, ist nicht ausschlaggebend und braucht hier nicht entschieden zu werden; auch besteht unter den Parteien diesbezüglich offenbar kein Streit mehr. |
Anders verhält es sich mit jenen Gebäudeteilen, die an Dritte vermietet werden und wo die Vermietung zum Anstaltszweck keine direkte Beziehung mehr hat. Hier kann die Steuerbefreiung nicht mit der Begründung erwirkt werden, die Liegenschaft als Gesamtheit sei für Bundeszwecke bestimmt und daher zum Verwaltungsvermögen des Bundes zu zählen. Entscheidend erscheint, wie die einzelnen Räumlichkeiten der Liegenschaft heute und in absehbarer Zukunft genutzt werden.
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Einstellplätze im Untergeschoss: Die im Untergeschoss an PTT-fremde Interessenten vermieteten Einstellplätze bilden Bestandteil der Raumreserve und sind als solche - nach Ansicht der Klägerin - unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt und nicht für fiskalische Zwecke gebaut worden. Dies mag zutreffen, ist jedoch nicht entscheidend. Wesentlich ist, dass die derzeitige Nutzung wirtschaftlicher (fiskalischer) Art ist und es auch auf unbestimmte Zeit bleiben wird. Die Klägerin macht nicht geltend, sie überlasse diese Garagen unentgeltlich oder nur gegen ein symbolisches Entgelt vorübergehend Dritten zum Gebrauch, weil demnächst mit einer betriebseigenen Nutzung gerechnet werden könne und müsse. Solange daher die heutige entgeltliche Überlassung an PTT-fremde Interessenten anhält, entfällt das Steuerprivileg und ist die Gemeinde berechtigt, auf den fraglichen Gebäudeteilen die Liegenschaftssteuer zu erheben.
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Kiosk im Erdgeschoss: Die Vermietung von Räumlichkeiten für den Betrieb eines Kiosks im Erdgeschoss des Postgebäudes betrachtet die Klägerin als notwendig für den Postbetrieb in Pontresina. Sie weist auf BGE 60 I 149 hin, wo das Bundesgericht auf Steuerfreiheit für die Räumlichkeiten des Bahnhofskiosks im internationalen Bahnhof von Chiasso erkannte. Die Beklagte bestreitet, dass in Pontresina ein dringendes Bedürfnis für das Zurverfügungstellen eines Kiosks im neuen Postgebäude bestehe. Sie hebt hervor, dass Pontresina von fahrplanmässigen Postkursen nur von ca. Mitte Juni bis ca. Mitte/Ende September bedient werde; im Winter halte lediglich der lokale Sportbus vor dem Postgebäude; auch verfüge Pontresina bereits über fünf Kioske, wovon einer sich kaum 150 Meter vom neuen Postgebäude entfernt befinde. In der Tat ist mit der Beklagten der Klägerin entgegenzuhalten, dass ein Vergleich zwischen der Situation eines internationalen Bahnhofs wie Chiasso und einer Postautohaltestelle wie Pontresina nur schwer hält. Das Fehlen eines Kiosks würde - wie in BGE 60 I 151 ausgeführt - von den Benützern des Bahnhofs von Chiasso als schwerer Mangel empfunden. Dies dürfte nicht im selben Masse für die Postreisenden in Pontresina zutreffen. Weit weniger als Durchgangsreisende in einem Bahnhof, sind diese darauf angewiesen, innerhalb des Postgebäudes selber sich mit Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren und dergleichen eindecken zu können. Die Kundschaft des Postkiosks von Pontresina wird sich auch kaum ausschliesslich aus Postreisenden zusammensetzen. Ob sich für einen derart beschränkten Kundenkreis überhaupt ein Interessent für den Betrieb dieses Kiosks gefunden hätte, erscheint fraglich. |
Die Annahme, dass die Räumlichkeiten für den Betrieb eines Kiosks aus PTT-betriebsfremden Gründen vermietet wurden, dass die Vermietung m.a.W. der Erreichung wirtschaftlicher Ziele dient, erscheint daher gerechtfertigt. Es ist auch nicht vorgesehen, die Kioskräumlichkeiten in absehbarer Zukunft für PTT-eigene Zwecke zu benutzen. Ebenfalls für diese Räumlichkeiten entfällt demnach das Steuerprivileg und ist die Gemeinde berechtigt, solange diese anderweitige Verwendung anhält, darauf die Liegenschaftssteuer zu erheben.
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Ferienwohnungen im ersten Stock: Was die zu Ferienzwecken an nicht ortsansässiges PTT-Personal vermieteten Wohnungen im ersten Stock des Gebäudes betrifft, ist nicht zu bestreiten, dass das Zurverfügungstellen von Ferienwohnungen an das Personal öffentlicher Betriebe eine personalpolitische Massnahme des Bundes (als Arbeitgeber) darstellt. Das genügt indes nicht, um annehmen zu dürfen, diese Massnahme diene unmittelbar dem mit dem Postgebäude verbundenen Bundeszweck. Die Steuerfreiheit im Sinne von Art. 10 GarG reicht nur soweit, als es sich um Massnahmen und Einrichtungen handelt, die dem PTT-Betrieb auch wirklich dienen; anders zu entscheiden, hiesse den Begriff der Unmittelbarkeit übermässig ausdehnen. Dass die Wohnungen dem PTT-Personal für Ferienzwecke zur Verfügung gestellt werden und wie die an PTT-fremde Interessenten vermieteten Garagen zur Raumreserve des Postgebäudes gehören, ändert an diesem Ergebnis nichts; solange die PTT-Betriebe einerseits nicht nachweisen können, dass die Überlassung der beiden Ferienwohnungen an PTT-Personal nur vorübergehenden Charakter hat und sie anderseits diese Räumlichkeiten gegen ortsübliches Entgelt vermieten, rechtfertigt sich die Annahme, dass sie mit der Überlassung der Ferienwohnungen an PTT-Personal einen selbständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Das Steuerprivileg entfällt daher aufgrund des heutigen Verwendungszweckes auch für diesen Gebäudeteil. |