Art. 4 VStGB (1) schafft die bisher fehlende Rechtsgrundlage für den Vollzug kurzer Freiheitsstrafen in der Form der Halbgefangenschaft, die schon früher vereinzelt Anwendung fand. Die Kantone werden indessen zur Einführung dieser Vollzugsform nur ermächtigt, nicht verpflichtet. Abgesehen davon, dass der Bund den zulässigen Maximalrahmen festsetzt, wird die den Kantonen erteilte Ermächtigung in keiner Richtung eingeschränkt oder mit Auflagen versehen. Sie sind also nicht bloss frei, die Halbgefangenschaft einzuführen oder davon abzusehen, sondern es wird ihnen auch anheimgestellt, in welcher Weise und in welchem Umfang sie von der Befugnis
BGE 102 Ib 137 (139):
Gebrauch machen wollen. Das schliesst auch die Möglichkeit ein, die Halbgefangenschaft auf einzelne der in der Verordnung genannten Strafarten zu beschränken oder nur für Strafen von kürzerer Dauer einzuführen. Ein Kanton, der einen Versuch mit der Halbgefangenschaft machen will, ist also nicht gehalten, sie für Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten zu gewähren, sondern kann, wie es im Kanton Luzern geschehen ist, die Grenze der Strafdauer z.B. auf einen Monat herabsetzen. Gegen die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, dass die Kantone nur die Wahl hätten, entweder die bundesrechtliche Höchstdauer der Strafen anzunehmen oder aber auf die Einführung der Halbgefangenschaft überhaupt zu verzichten, spricht schon der Wortlaut der Verordnung, der den Ausdruck "gestatten" verwendet, der weiter geht als das Wort "können", und dass die Verordnung nur die Art der Freiheitsstrafen und die obere Grenze der Strafdauer festlegt, im übrigen aber keine abschliessende Ordnung aufstellt, sondern die Regelung der Voraussetzungen und Bedingungen der Halbgefangenschaft den Kantonen überlässt. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Auslegung würde sich auch mit dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht vertragen. Die Einrichtung der Halbgefangenschaft ist bei der grossen Mehrheit der Kantone auf Widerstand gestossen, und vor einer obligatorischen Einführung müssen, wie aus den Erläuterungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 7. November 1973 hervorgeht, vorerst Erfahrungen gesammelt werden, die unter den gegebenen Umständen nur zu erhalten sind, wenn den Kantonen ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Dass eine fakultative Ordnung der vorliegenden Art eine unterschiedliche Behandlung der Verurteilten zur Folge hat, ist unvermeidlich und muss in Kauf genommen werden.