103 Ib 76
Urteilskopf
103 Ib 76
15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. März 1977 i.S. Mitglieder der Eigentümer-Gemeinschaft Wohnanlage S., Meggen, gegen L. und Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern
Regeste
Art. 647 Abs. 1 ZGB; Anmerkung der Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Miteigentümer im Grundbuch.
Die Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Miteigentümer kann im Grundbuch nur dann angemerkt werden, wenn ihr sämtliche Miteigentümer zugestimmt haben, selbst wenn das bisherige Reglement die Abänderbarkeit durch Mehrheitsbeschluss vorsah (E. 2, E. 3).
Die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nrn. 1223-1236, Grundbuch Meggen, die zusammen die "Eigentümer-Gemeinschaft Wohnanlage S., Meggen" bilden, sind Miteigentümer des Grundstücks Nr. 640/GB Meggen. Dieses Grundstück enthält gemeinsame Anlagen, wie Plätze, Wege, Spielwiesen, Autoeinstellhalle, zentrale Heizung usw. Für die Gemeinschaft besteht ein Benutzungs- und Verwaltungs-Reglement vom 26. September 1969, das auf den einzelnen Grundbuchblättern angemerkt ist. Dieses Reglement, dem sämtliche Miteigentümer zugestimmt haben, kann nach seinem Art. 3 Abs. 3 Ziff. 5 durch eine Mehrheit von 2/3 der Miteigentümer abgeändert werden.
Am 1. Juni 1976 nahmen die Miteigentümer ein neues Reglement an und verlangten dessen Anmerkung im Grundbuch. Mit Verfügung vom 29. Juni 1976 wies das Grundbuchamt Luzern-Land die Anmeldung ab. Zur Begründung führte es aus, nach Art. 647 Abs. 1 ZGB bedürfe die durch die Miteigentümer vereinbarte Nutzungs- und Verwaltungsordnung zu ihrer Gültigkeit der Annahme durch sämtliche Miteigentümer. Diese Vorschrift sei zwingender Natur und könne daher durch Art. 3 Abs. 3 Ziff. 5 des alten Reglements nicht ausser Kraft gesetzt werden. Ein Miteigentümer habe aber dem neuen Reglement nicht zugestimmt; zudem fehle es an der Zustimmung der Ehemänner zweier Miteigentümerinnen. Das Reglement könne deshalb nicht angemerkt werden.
Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wurde von der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern als Aufsichtsbehörde im Grundbuchwesen mit Entscheid vom 29. Oktober 1976 abgewiesen.
Gegen den Entscheid des Obergerichts führen die Mitglieder der Eigentümer-Gemeinschaft Wohnanlage S., Meggen, vertreten durch ihren Präsidenten G. und ihren Vizepräsidenten L., Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, das Grundbuchamt Luzern-Land sei anzuweisen, das Reglement vom 1. Juni 1976 auf den Grundstücken Nr. 640 sowie Nrn. 1223-1236/GB Meggen anzumerken.
Das Obergericht sowie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde, während der opponierende Miteigentümer beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
BGE 103 Ib 76 S. 78
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
1. Der Beschwerdegegner begründet seinen Nichteintretensantrag damit, dass in der Beschwerdeschrift als Beschwerdeführer "die Mitglieder der Eigentümer-Gemeinschaft Wohnanlage S." bezeichnet würden; unter dieser Bezeichnung bestehe aber weder eine juristische Person noch eine parteifähige Handelsgesellschaft wie die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft noch eine Stockwerkeigentümergemeinschaft, der das Gesetz ebenfalls Parteifähigkeit einräume (Art. 712l ZGB); die Gemeinschaft als solche könne daher nicht Beschwerde führen; hätten die Mitglieder der Gemeinschaft Beschwerde führen wollen, so hätten sie in der Beschwerdeschrift einzeln aufgeführt werden müssen; dass Präsident G. und Vizepräsident L. namentlich aufgeführt seien, genüge nicht, denn diese bezeichneten sich selbst ausdrücklich als Vertreter der nicht parteifähigen Miteigentümergemeinschaft.
Dass beim gewöhnlichen Miteigentum - anders als beim Stockwerkeigentum - die Miteigentümer unter sich keine Gemeinschaft bilden, die unter ihrem Namen vor Gericht klagen und verklagt werden könnte, ist zutreffend. In den Art. 646 ff. ZGB findet sich keine Bestimmung, die derjenigen des Art. 712l ZGB, der sich auf das Stockwerkeigentum bezieht, entsprechen würde. Fehlt es aber an einer solchen Vorschrift, so vermag der Umstand, dass die Miteigentümer Vereinbarungen über die Verwaltung und Nutzung der Sache abschliessen können, die dem Gesellschaftsvertrag ähnlich sind (MEIER-HAYOZ, N. 29 zu Art. 647 ZGB), und dass sie sich nach dem Vorbild des Vereinsrechts körperschaftsähnlich organisieren können (MEIER-HAYOZ, N. 16 zu Art. 647 ZGB), der gewöhnlichen Miteigentümergemeinschaft weder die juristische Persönlichkeit noch auch nur die Parteifähigkeit zu verschaffen. Die Beschwerde hätte daher richtigerweise im Namen der einzeln bezeichneten Miteigentümer erhoben werden sollen.
Nun enthält aber das OG keine Bestimmung, welche die Gültigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von der förmlichen Angabe der Namen der Beschwerdeführer abhängig
BGE 103 Ib 76 S. 79
macht. Art. 108 Abs. 2 OG schreibt einzig vor, dass die Beschwerdeschrift die Unterschrift des Beschwerdeführers zu enthalten habe. Kann dieser ohne weiteres mit Sicherheit bestimmt werden, so schadet es nichts, wenn die Bezeichnung im Kopf der Beschwerdeschrift unrichtig ist. Die vorliegende Beschwerde wurde im Namen der nicht näher bezeichneten Mitglieder der Eigentümer-Gemeinschaft Wohnanlage S., vertreten durch Präsident G. und Vizepräsident L., erhoben. Die Anwaltsvollmacht wurde von G. und L. unterzeichnet. Da diese beiden selbst Mitglieder der Gemeinschaft sind, handelten sie nicht nur im Namen der übrigen Mitglieder, sondern auch im eigenen Namen. Nach Art. 82a Abs. 1 GBV ist aber jeder Miteigentümer zur Anmeldung der Anmerkung der Benutzungs- und Verwaltungsordnung und damit auch zur Beschwerde gegen die die Anmeldung abweisende Verfügung des Grundbuchverwalters befugt. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sie von G. und L. in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer erhoben worden ist.
2. Nach Art. 647 Abs. 1 ZGB können die Miteigentümer eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren (convenir) und im Grundbuch anmerken lassen. Von einer Vereinbarung kann klarerweise nur gesprochen werden, wenn sämtliche Miteigentümer dem Reglement zustimmen. Hinsichtlich der Anmeldung zur Anmerkung im Grundbuch schreibt dementsprechend Art. 82a Abs. 1 GBV vor, die Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Miteigentümer sei versehen mit den Unterschriften aller Beteiligten einzureichen. Demgegenüber genügt bei der Stockwerkeigentümergemeinschaft für die Annahme des Reglementes über die Verwaltung und Benutzung ein Mehrheitsbeschluss der Stockwerkeigentümer (Art. 712g Abs. 3 ZGB, Art. 82a Abs. 2 GBV). Diese unterschiedliche Behandlung von Stockwerkeigentum und gewöhnlichem Miteigentum ist gewollt. Da das Stockwerkeigentum grundsätzlich auf Dauer ausgerichtet ist und die Stockwerkeigentümergemeinschaft eine grosse Zahl von Mitgliedern aufweisen kann, wollte der Gesetzgeber die Errichtung und die Abänderung der Reglemente erleichtern. Diese Überlegung spielt beim gewöhnlichen Miteigentum, das häufig nur vorübergehenden Charakter hat und dessen Aufhebung in der Regel jederzeit verlangt werden kann (Art. 650 ZGB), nicht die
BGE 103 Ib 76 S. 80
gleiche Rolle. Das Erfordernis der Einstimmigkeit für eine vom Gesetz abweichende Ordnung erscheint hier durchaus als gerechtfertigt.Nun ist freilich das vorliegende Miteigentumsverhältnis von besonderer Art, ist doch das Miteigentum dauernd mit dem Eigentum an einem Nachbargrundstück verknüpft. Die Anlagen auf der Miteigentumsparzelle sollen den Nachbarn und Miteigentümern permanent zur Verfügung stehen; zum Teil sind sie für die Nachbargrundstücke sogar unentbehrlich, wie dies etwa für die gemeinsame Heizanlage zutrifft. Bei derartigem unselbständigem Miteigentum besteht nach Art. 650 Abs. 1 ZGB kein Anspruch auf Teilung, da die Sache für einen dauernden Zweck bestimmt ist (MEIER-HAYOZ, N. 19 zu Art. 650 ZGB; LIVER, Die Anmerkung, ZBGR 50/1969 S. 15; B. SCHNEIDER, Probleme des subjektiv-dinglichen Miteigentums, ZBGR 57/1976 S. 1 ff., 11). Das Bedürfnis, allenfalls gegen die Opposition eines Miteigentümers eine Verwaltungs- oder Nutzungsordnung einführen bzw. abändern zu können, zeigt sich daher hier in ähnlicher Weise wie beim Stockwerkeigentum. Der Gesetzgeber hat sich indessen bei der Revision des Miteigentumsrechts im Jahre 1963 nicht veranlasst gefühlt, für Miteigentum mit Dauercharakter besondere Regeln aufzustellen, obwohl ihm durchaus bekannt war, dass es solche Miteigentumsverhältnisse gibt, wie aus der Botschaft des Bundesrats vom 7. Dezember 1962 hervorgeht (BBl 1962 II S. 1480 ff.). Vielmehr hat er sich damit begnügt, die Bestimmungen über die Verwaltung und Nutzung der Sache (Art. 647 ff. ZGB) allgemein sachgerechter zu gestalten (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 3 ff. zu Art. 647 ZGB; LIVER, Das Eigentum, in Schweiz. Privatrecht, Bd. V/I, S. 65 ff.). Dass die Abänderbarkeit der Nutzungs- und Verwaltungsordnung durch Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer auf die Stockwerkeigentümergemeinschaft beschränkt ist, beruht somit auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Die Anmerkung des nicht einstimmig angenommenen Reglementes wurde daher zu Recht verweigert.
3. Die Beschwerdeführer machen geltend, das alte Reglement, dem sämtliche Miteigentümer zugestimmt hätten, enthalte eine Revisionsklausel, wonach es mit einer Mehrheit von 2/3 der Miteigentümer abgeändert werden könne. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass die einstimmige Statuierung des
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Mehrheitsprinzips innerhalb der Miteigentümergemeinschaft ausgeschlossen sei. Bei Personenverbindungen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit sei es allgemein zulässig, in der zugrundeliegenden, einstimmig beschlossenen Satzung das Mehrheitsprinzip zu statuieren. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Interessen des Mitgliedes einer Miteigentümergemeinschaft schützenswerter sein sollten als diejenigen eines Vereinsmitglieds, eines einfachen Gesellschafters oder eines Stockwerkeigentümers. Ein Miteigentümer, der bei Erstellung des Reglementes der Anwendung des Mehrheitsprinzips für Satzungsänderungen zugestimmt habe, gebe damit grundsätzlich zu erkennen, dass er sich im Falle von Änderungsbeschlüssen der Mehrheit unterwerfen wolle. Wäre das Mehrheitsprinzip für die Abänderung des Reglementes unzulässig, so hätte übrigens das alte Reglement wegen widerrechtlichen Inhalts im Grundbuch gar nicht angemerkt werden dürfen.Indessen ergibt sich aus Art. 647 Abs. 1 ZGB klar, dass eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung nur auf einer Vereinbarung beruhen kann, also der Zustimmung sämtlicher Beteiligter bedarf. Diese Bestimmung ist zwingender Natur und kann von den Miteigentümern auch durch einstimmigen Beschluss, sich in Zukunft dem Mehrheitsprinzip zu unterwerfen, nicht abgeändert werden. Dem entspricht Art. 82a Abs. 1 GBV, wonach die Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Grundbuch nur angemerkt werden kann, wenn sie von sämtlichen Miteigentümern unterzeichnet ist. Die Beschwerdeführer machen zu Recht nicht geltend, diese Vorschrift sei gesetzwidrig. Schon deshalb musste der Grundbuchverwalter die Anmeldung abweisen. Inwiefern sich sodann das gewöhnliche Miteigentum vom Stockwerkeigentum unterscheidet, wurde bereits in E. 2 dargetan. Mit dem Verein, dem juristische Persönlichkeit zukommt, lässt es sich zum vornherein nicht vergleichen, und bei der einfachen Gesellschaft besteht die Möglichkeit, für Abänderungen des Gesellschaftsvertrags das Mehrheitsprinzip vorzusehen, nur innert gewisser Grenzen (SIEGWART, N. 9 zu Art. 534 OR; V. STEIGER, Die Personengesellschaften, in Schweiz. Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 395/396). Fehl geht auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf Art. 648 Abs. 2 ZGB; dass in der Verwaltungsordnung hinsichtlich der Verfügung über die Sache vom Einstimmigkeitsprinzip abgewichen
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werden darf, besagt nicht, dass die Verwaltungsordnung selbst durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werden kann. Unerheblich ist schliesslich, dass das alte Reglement, welches die Abänderbarkeit durch Mehrheitsbeschluss vorsah, im Grundbuch angemerkt wurde, denn die Anmerkung der Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Grundbuch hat bloss deklaratorische Wirkung und vermag allfällige Mängel dieser Ordnung nicht zu heilen.Referenzen
Artikel: Art. 647 Abs. 1 ZGB, Art. 647 ZGB, Art. 82a Abs. 1 GBV, Art. 712l ZGB mehr...