BGE 104 Ib 337
 
54. Auszug aus dem Urteil vom 28. November 1978 i.S. Burgergemeinden Saas-Almagell, Saas-Balen, Saas-Fee und Saas-Grund gegen Kraftwerke Mattmark AG und Staatsrat des Kantons Wallis
 
Regeste
Art. 46, 71 WRG; Art. 7, 39, 55 Abs. 2 EntG.
Voraussetzungen der Zulassung von nachträglichen Einsprachen im Sinne von Art. 39 EntG; im vorliegenden Falle nicht erfüllt (E. 3a-c).
Möglichkeit der Aufhebung eines mit schweren Mängeln behafteten Enteignungsverfahrens von Amtes wegen (E. 3d).
Zuständigkeit des Walliser Staatsrates zum Entscheid über die Frage, ob zusammen mit der Wasserrechtskonzession eine Bodennutzungskonzession verliehen worden sei, die das eingeleitete Enteignungsverfahren als gegenstandslos erscheinen liesse (E. 4).
Enteignung von Grundstücken, die einem öffentlichen Zweck dienen (E. 6a).
 
Sachverhalt


BGE 104 Ib 337 (338):

Am 10. Juni 1954 unterzeichneten die Vertreter der Munizipal- sowie der Burgergemeinden Saas-Almagell, Saas-Balen, Saas-Fee und Saas-Grund einen Konzessionsvertrag, mit welchem der Elektro-Watt AG zu Handen einer noch zu gründenden Gesellschaft das Recht verliehen wurde, die Wasserkraft der Saaser Vispe und ihrer Zuflüsse auf dem Gebiet der Talgemeinschaft Mattmark für die Dauer von 80 Jahren ab Inbetriebnahme der Anlagen zu nutzen. Der Konzessionsvertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"Art. 10 Bodenabtretungen
Die Munizipalgemeinden und die Burgergemeinden von Saas-Almagell, Saas-Fee, Saas-Grund und Saas-Balen treten der Beliehenen den

BGE 104 Ib 337 (339):

für die Erstellung und den Betrieb der Kraftwerkanlagen, der damit in Zusammenhang stehenden Nebenanlagen und der Leitungen für Zu- und Abtransport von der Energie, sowie für die Erstellung von Kommunikationen, Transporteinrichtungen, Materialdeponien usw. erforderlichen unproduktiven Gemeindeboden unentgeltlich und produktiven Gemeindeboden gegen angemessene Entschädigung ab. Sie räumen ihr auch die erforderlichen Durchleitungsrechte auf Gemeindeboden unentgeltlich ein.
Art. 26
Die Munizipal- und die Burgergemeinden von Saas-Almagell, Saas-Fee, Saas-Grund und Saas-Balen haben je die gleiche Verwaltung. Die nachstehenden Unterschriften der Vertreter der Munizipalgemeinden verpflichten daher auch die Burgergemeinden, soweit diese von der vorliegenden Verleihung betroffen werden."
Der Verleihungsvertrag wurde am 28. Juni 1955 vom Staatsrat des Kantons Wallis genehmigt. In seinem Genehmigungsbeschluss setzte der Staatsrat gestützt auf das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 (WRG) und auf das damals geltende kantonale Gesetz über die Konzessionierung von Wasserkräften vom 27. Mai 1896 den Umfang des verliehenen Nutzungsrechtes fest und gewährte der Beliehenen das Enteignungsrecht für die Vorbereitungs- und Ausführungsarbeiten.
Zwischen den vier Burgergemeinden und der Kraftwerke Mattmark AG - der Rechtsnachfolgerin der Elektro-Watt AG - fanden in der Folge langwierige Verhandlungen über die Entschädigung für den Boden statt, der für die Errichtung des Staudammes und des Beckens benötigt wurde. Nach dem Scheitern dieser Verhandlungen leitete die Kraftwerke Mattmark AG beim Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission, (damals) Kreis II, ein Enteignungsverfahren gegen die vier Burgergemeinden als Eigentümerinnen der Alp Mattmark ein. Innert der Einsprachefrist, nämlich am 18. Juli 1963, wandten die Burgergemeinden gegen das Begehren der Kraftwerke Mattmark AG ein, für den Bau des Werkes sei die von der Enteignerin verlangte Übertragung des Grundeigentums nicht notwendig; es genüge, wenn zu Gunsten der Kraftwerke Mattmark AG ein Baurecht gemäss Art. 675 ZGB errichtet werde. Da der Streit über diese Frage an den Einigungsverhandlungen nicht beigelegt werden konnte, überwies der Schätzungskommissionspräsident die Akten an den Bundesrat zum Entscheid über die Einsprache.


BGE 104 Ib 337 (340):

Als das Verfahren vor Bundesrat bereits hängig war, erhoben die Burgergemeinden mit Eingabe vom 10. Juni 1964 einen neuen Einwand gegen die Enteignung, und zwar in dem Sinne, dass die Frage der Abtretung des Gemeindebodens an die Kraftwerke Mattmark AG im Konzessionsakt (Art. 10) geregelt worden sei, der Streit daher ein solcher zwischen Verleihungsbehörde und Beliehenem über die aus dem Verleihungsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten sei, über welchen nach Art. 71 WRG die zuständige kantonale Gerichtsbehörde zu entscheiden habe.
Nach einer - mehrere Jahre dauernden - Sistierung des Verfahrens erklärte sich der Bundesrat für unzuständig und stellte die Akten dem Walliser Staatsrat zu. Dieser wies am 6. Juli 1977 die Einsprache der vier Burgergemeinden vollumfänglich ab und ermächtigte die Kraftwerke Mattmark AG, das Enteignungsverfahren fortzuführen.
Gegen den Entscheid des Walliser Staatsrates haben die vier Burgergemeinden sowohl eine Verwaltungsgerichts- wie auch eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie machen im wesentlichen geltend, der Staatsrat sei zum Entscheid nicht zuständig, da die Streitsache gemäss Art. 71 WRG vom Kantonsgericht beurteilt werden müsse. Die Burgergemeinden hätten der Kraftwerke Mattmark AG mit dem Konzessionsakt bereits ein Sondernutzungsrecht am umstrittenen Boden verliehen, weshalb das eingeleitete Enteignungsverfahren gegenstandslos sei. Selbst wenn aber eine Enteignung zulässig wäre, so verletzte das Begehren der Enteignerin um Übertragung des Grundeigentums das Verhältnismässigkeitsprinzip, da es für den von der Kraftwerke Mattmark AG verfolgten Zweck durchaus genüge, wenn dieser ein Baurecht eingeräumt werde.
Das Bundesgericht weist beide Beschwerden ab.
 
Aus den Erwägungen:
2. a) Das in Art. 1 EntG umschriebene Enteignungsrecht kann entweder vom Bunde selbst ausgeübt oder an Dritte übertragen werden (Art. 2 EntG). Zur Übertragung des Enteignungsrechtes an Dritte genügt, falls die Werke im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teiles des Landes liegen, ein Bundesbeschluss; für andere im öffentlichen Interesse liegende Zwecke muss das Enteignungsrecht durch Bundesgesetz

BGE 104 Ib 337 (341):

eingeräumt werden (Art. 3 Abs. 2 lit. a und b EntG). Für den Bau und den Betrieb von Wasserwerken, welche dem öffentlichen Wohl dienen, ist das Enteignungsrecht dem Beliehenen in jedem Falle ausdrücklich von der Verleihungsbehörde zu erteilen (Art. 46 Abs. 1 WRG). Diese Regelung ist bei der Revision des Enteignungsgesetzes vom 18. März 1971 bestätigt bzw. für die Konzessionen allgemein festgehalten worden (Art. 3 Abs. 3 EntG; vgl. BBl 1970 I 1018 Ziff. 4.5).
Die Kompetenz für die Verleihung von Wasserrechten an innerkantonalen Gewässern bestimmt sich nach kantonalem Recht (Art. 38 Abs. 1 WRG). Steht die Verfügung über die Wasserkraft auf Grund des kantonalen Rechtes Bezirken, Gemeinden oder Körperschaften zu, so bedarf die Verleihung von Wasserrechten nach Art. 4 WRG der Genehmigung der kantonalen Behörde. Aus dieser Bestimmung hat der Bundesrat in ständiger Rechtsprechung - in Übereinstimmung mit der Lehre - den Schluss gezogen, dass bei Wasserrechtsverleihungen durch Bezirke, Gemeinden oder Korporationen ausschliesslich die kantonale Genehmigungsbehörde befugt sei, das Enteignungsrecht im Sinne von Art. 46 Abs. 1 WRG (und nunmehr auch von Art. 3 Abs. 3 EntG) zu erteilen (HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 8 zu Art. 38 WRG, S. 449, und dort zitierte Literatur). Dementsprechend wird in der Walliser Wasserrechtsgesetzgebung der Staatsrat sowohl für die Genehmigung der von den Gemeinden erteilten Konzessionen als auch für die Gewährung des Enteignungsrechtes als zuständig erklärt (Art. 11 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 1 KWRG).
c) (Zuständigkeit des Walliser Staatsrates zur Beurteilung von Einsprachen gegen das von der Kraftwerke Mattmark AG gestellte Enteignungsbegehren.)
3. a) Einsprachen im engeren Sinne (Art. 35 lit. a EntG) und Begehren nach Art. 7 und 10 EntG (Art. 35 lit. b EntG) müssen schriftlich und begründet innerhalb der Eingabefrist beim Gemeinderat eingereicht werden (Art. 35 EntG). Nach Ablauf der Eingabefrist können Einsprachen gegen die Enteignung nur noch geltend gemacht werden, wenn die Ausführung des Werkes noch nicht in Angriff genommen worden ist und die Einhaltung der Frist wegen unverschuldeter Hindernisse nicht möglich war. In diesem Falle kann innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses beim Präsidenten der Schätzungskommission nachträgliche Einsprache erhoben werden

BGE 104 Ib 337 (342):

(Art. 39 EntG). Diese im Gesetz vorgesehenen Fristen zur Einreichung von Einsprachen sind, wie sich aus Art. 30 Abs. 1 Art. 34 Abs. 1 lit. f, Art. 35 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 2 EntG ergibt, Verwirkungsfristen; bei der Prüfung, ob sie eingehalten worden sind, sind strenge Kriterien anzuwenden (HESS, a.a.O., N. 16 zur Art. 35 EntG, S. 107, N. 6 und 7 zu Art. 39 EntG, S. 112; HEINZ HESS, Probleme des enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens aus der Sicht des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes, ZBl 74/1973 S. 394, N. 8).
b) Die Burgergemeinden haben innerhalb der Eingabefrist, nämlich am 18. Juli 1963, zwar Einsprache erhoben, doch beschränkten sie sich damals darauf, gestützt auf Art. 1 Abs. 2 EntG geltend zu machen, die Enteignung dürfe nicht das Eigentum am fraglichen Grundstück betreffen, sondern es sei lediglich ein Nutzungsrecht zugunsten der Enteignerin auf dem Expropriationswege zu bestellen. Die Zulässigkeit des Enteignungsverfahrens an sich wurde in der Einsprache vom 18. Juli 1963 überhaupt nicht in Frage gestellt. Sie wurde vielmehr indirekt anerkannt, indem die Burgergemeinden nicht nur Entschädigungsforderungen, sondern ausdrücklich auch Begehren im Sinne von Art. 7 und 10 EntG stellten. Dagegen findet sich in der damaligen Eingabe keine einzige Bemerkung darüber, dass die Enteignerin das, was sie enteignen wolle, auf anderem Wege bereits erworben habe. Dieser Einwand wurde auch an den Einigungsverhandlungen vom 9. September und 13. November 1963 - jedenfalls gemäss den Protokollen - nicht erhoben, sondern erst im Juni 1964, nachdem die Akten vom Präsidenten der Schätzungskommission bereits dem Bundesrat überwiesen worden waren.
c) Daraus ergibt sich, dass die gegen die Enteignung an sich gerichtete Einsprache nur dann als rechtzeitig betrachtet werden könnte, wenn die in Art. 39 EntG umschriebenen Voraussetzungen erfüllt wären. Dies trifft offensichtlich nicht zu. Einerseits behaupten die Beschwerdeführerinnen nicht einmal, noch tun sie dar, dass sie - etwa in Verkennung der Rechtslage - ohne ihr Verschulden daran gehindert worden wären, die grundsätzliche Zulässigkeit der Enteignung innerhalb der Eingabefrist zu bestreiten. Sie waren übrigens schon im Zeitpunkt des Planauflageverfahrens von einem Rechtsanwalt vertreten, dem das hier behandelte Problem nicht entgehen konnte.


BGE 104 Ib 337 (343):

Andererseits ist auch nicht ersichtlich, was die Burgergemeinden gerade am naheliegendsten Einwand hätte hindern können, es sei kein Enteignungsobjekt mehr vorhanden, weil dieses der Enteignerin bereits durch privates Rechtsgeschäft oder durch einseitige behördliche Verfügung übertragen worden sei. Der Zulassung der nachträglichen Einsprache im Sinne von Art. 35 EntG steht somit das eigene Verschulden der Beschwerdeführerinnen an der Fristversäumnis entgegen.
d) Die Einsprache wäre allerdings trotz ihrer Verspätung zu prüfen, wenn der geltend gemachte Mangel so schwerwiegend wäre, dass er das Enteignungsverfahren geradezu als nichtig erscheinen liesse. Das Bundesgericht hat in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde (Art. 63 EntG) schon verschiedentlich Enteignungsverfahren, die mit schweren Mängeln behaftet waren, von Amtes wegen aufgehoben. So hat es zum Beispiel in einem Streit über die Höhe der Enteignungsentschädigung für eine Starkstromleitung festgestellt, dass es der Präsident der Schätzungskommission unterlassen hatte, der Eigentümerin der Leitung von der zuständigen Verwaltungsbehörde das Enteignungsrecht erteilen zu lassen. Das ganze Verfahren wurde hierauf von Amtes wegen kassiert (BGE 96 I 192 E. 3). Ebenfalls aufgehoben wurde der Entscheid einer Schätzungskommission in einer Streitigkeit, die nach Eisenbahngesetz vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen war (BGE 99 Ib 483 ff.). Ein solcher oder ähnlicher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Einerseits steht fest, dass der Kraftwerke Mattmark AG das Enteignungsrecht gültig verliehen wurde. Andererseits müsste sowohl das Verfahren nach Enteignungsgesetz wie auch jenes nach Art. 71 WRG vor dem Kantonsgericht praktisch zum selben Resultat führen, sofern die Beschwerdeführerinnen mit ihrem - noch zu prüfenden - Standpunkt, der Beliehenen sei lediglich ein Baurecht einzuräumen, durchdringen könnten. Übrigens kann im Anschluss an beide Verfahren die staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes angerufen werden (Art. 71 Abs. 1 WRG; Art. 12 Abs. 1 lit. a OG; Art 46 Abs. 2 WRG; Art. 55 Abs. 2 EntG; Art. 98 lit. g und 99 lit. c OG).
Auch als Aufsichtsinstanz hätte das Bundesgericht demnach auf die verspätet erhobenen, grundsätzlichen Einwendungen gegen das Enteignungsverfahren nicht einzutreten. Die Einwände der Beschwerdeführerinnen sind im übrigen unbegründet;

BGE 104 Ib 337 (344):

wie der Vollständigkeit halber zu zeigen ist, hat sich der Staatsrat zu Recht für zuständig gehalten, über das Bestehen und die Gültigkeit einer die Enteignung hindernden Bodennutzungskonzession zu befinden (vgl. E. 4), und hat die materiellen Vorbringen der Burgergemeinden ohne Gesetzesverletzung abgewiesen (vgl. E. 5).
a) Die Burgergemeinden machen geltend, sie hätten als den Konzessionsakt mitunterzeichnende Partei der Kraftwerke Mattmark AG ein Sondernutzungsrecht am Boden verliehen. Die von den Munizipalgemeinden erteilte Wasserrechts- und die von den Burgergemeinden erteilte Bodennutzungskonzession bildeten eine Einheit, ein einziges Verleihungsverhältnis, das nach Art. 71 WRG der ausschliesslichen Gerichtsbarkeit des Kantonsgerichtes unterstehe. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
Hätte tatsächlich eine Verleihung von Bodennutzungsrechten stattgefunden, so wäre diese mit der Wasserrechtskonzession keineswegs identisch, sondern etwas Eigenes, Verschiedenes. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten denn auch nicht, dass weder die Konzessionsobjekte noch die Verleihungsbehörden die gleichen sind. Werden aber zwei verschiedene Konzessionen uno actu übertragen, so bedeutet das nicht, dass dadurch nur ein einziges Verleihungsverhältnis entstünde. Die von den Beschwerdeführerinnen aufgestellte Behauptung, ohne die Bodennutzungskonzession hätte der Wasserrechtsverleihung die "zureichende Substanz" gefehlt, so dass letztere sogar hätte verweigert werden müssen, ist offensichtlich unrichtig. Die "zureichende Substanz" der Wasserrechtskonzession, nämlich der zum Bau und Betrieb des Wasserwerkes benötigte Boden, hätte von der Kraftwerke Mattmark AG ohne weiteres durch privates Rechtsgeschäft oder notfalls durch Enteignung erworben werden können. Auf diesem Wege hätte ohnehin vorgegangen werden müssen, wenn das fragliche Grundstück im Eigentum irgendeines Privaten gestanden hätte. Ebenfalls unzutreffend ist die These der Burgergemeinden, dass sie ein von der Wasserrechtskonzessionärin eingeleitetes Enteignungsverfahren

BGE 104 Ib 337 (345):

hätten verhindern können, indem sie der Konzessionärin die Bodennutzungsrechte verliehen oder ihr den Abschluss eines entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vertrages angeboten hätten. Ein solches auf Umgehung des eidgenössischen Rechtes hinzielendes Verhalten wäre unvereinbar mit dem Vorrang des öffentlichen Rechts des Bundes vor dem kantonalen Recht, ganz abgesehen davon, dass niemandem eine Konzession oder ein Vertrag aufgezwungen werden kann. Bilden also die Bodennutzungs- und die Wasserrechtskonzession nicht ein einziges Verleihungsverhältnis, so kann der Streit zwischen den Burgergemeinden und der Kraftwerke Mattmark AG über die Nutzung des Bodens unmöglich ein solcher im Sinne von Art. 71 WRG sein und hat daher über diesen nicht das in Art. 71 WRG vorgesehene kantonale Gericht, sondern der Walliser Staatsrat zu entscheiden.
b) Selbst unter der Annahme, die Wasserrechts- und die Bodennutzungskonzession bildeten eine unteilbare Einheit, fiele es dem Staatsrat zu, über Bestehen und Gültigkeit der Bodennutzungskonzession zu urteilen.
Die Einsprache der Burgergemeinden gegen die Durchführung eines Enteignungsverfahrens und gegen das Objekt der Enteignung war auf Grund von Art. 46 Abs. 2 WRG in Verbindung mit Art. 55 Abs. 2 EntG klarerweise vom Walliser Staatsrat zu behandeln. Im Rahmen des Einsprachenentscheides bildete die Frage, ob eine Bodennutzungskonzession bestehe und welche Tragweite sie gegebenenfalls habe, eine reine Vorfrage. Über diese Vorfrage war damals und ist heute beim Walliser Kantonsgericht kein Prozess anhängig, noch hat sich das Gericht bereits früher darüber ausgesprochen. Unter diesen Voraussetzungen schliesst gemäss Lehre und ständiger Rechtsprechung die Zuständigkeit des Staatsrates zum Einsprachenentscheid, sofern keine abweichenden Vorschriften bestehen, die Befugnis mit ein, über Vorfragen anderer Rechtsgebiete zu befinden (BGE 98 Ia 120 E. 6b, BGE 89 I 338, 429 E. 4, BGE 88 I 105, BGE 85 IV 70, 79 I 284; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 93, mit Literaturhinweisen). Dass eine Sonderbestimmung im vorliegenden Fall die Überprüfung der Vorfragen verbiete, behaupten die Beschwerdeführerinnen zu Recht nicht.
Die gleiche Lösung ergibt sich übrigens direkt aus Art. 71 WRG. Nach dieser Bestimmung sind zwar die Streitigkeiten zwischen dem Beliehenen und der Verleihungsbehörde

BGE 104 Ib 337 (346):

über die aus dem Verleihungsverhältnis entstehenden Rechte und Pflichten von der zuständigen kantonalen Gerichtsbehörde (hier gemäss Art. 3 KWRG das Kantonsgericht) zu beurteilen, jedoch nur, sofern das WRG oder die Verleihung nichts anderes bestimmen. Nun wird aber in Art. 46 Abs. 2 WRG der Entscheid über Streitigkeiten betreffend die Abtretungspflicht ausdrücklich der Verleihungsbehörde, hier also dem Staatsrat (vgl. E. 2a), übertragen. Diese Kompetenz umfasst auch die Prüfung aller mit der Abtretungspflicht im Zusammenhang stehenden Vorfragen, eingeschlossen jener, ob die Enteignung infolge vorangegangener privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Parteien oder durch eine Verleihung der fraglichen Rechte an die Enteignerin allenfalls gegenstandslos geworden sei.
Der Systematik des Enteignungsgesetzes lässt sich ausserdem entnehmen, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen die Prüfung einer Vorfrage zur Unterbrechung des Enteignungsverfahrens führen sollte, ausdrücklich vorgesehen hat. So ist nach Art. 69 EntG das Enteignungsverfahren auszusetzen, wenn der Bestand des Rechtes, für das der Enteignete eine Entschädigung verlangt, bestritten wird. Das Schweigen des Gesetzgebers zur hier umstrittenen Frage ist deshalb als qualifiziertes und der Staatsrat als zum Entscheid von Vorfragen befugt zu betrachten.
Nach Art. 1 Abs. 2 EntG kann der Enteignungsanspruch nur insoweit geltend gemacht werden, als es zur Erreichung des Zweckes notwendig ist. Mit dieser Bestimmung wird der sich schon aus der Verfassung ergebende Grundsatz der Verhältnismässigkeit für das Enteignungsrecht noch ausdrücklich statuiert

BGE 104 Ib 337 (347):

(vgl. BGE 104 Ib 31 E. 3a). Unverhältnismässig wäre es nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen, wenn der Enteignerin mehr als ein Baurecht für die Errichtung des Staudammes und des Staubeckens übertragen würde. Die Beschwerdeführerinnen betonen in diesem Zusammenhang, dass sie ein legitimes Interesse daran hätten, die "nuda proprietas" des Grundstückes zu behalten, welches ihrer Meinung nach Bestandteil ihres Verwaltungsvermögens bildet. - Die Auffassung der Beschwerdeführerinnen kann jedoch nicht geteilt werden.
a) Ob das fragliche Grundstück zum Verwaltungsvermögen zu zählen sei, wie in der Beschwerde behauptet wird, oder zum Finanzvermögen, wie der Staatsrat glaubt, braucht nicht näher untersucht zu werden. Die Beschwerdeführerinnen zweifeln zu Unrecht an der Möglichkeit, öffentlichen Boden zu expropriieren. Nach klarer Bestimmung von Art. 7 EntG können auch Rechte an Grundstücken, die einem öffentlichen Zweck dienen, enteignet werden, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt wird (vgl. BGE 71 I 492). Für die Anwendung von Art. 7 EntG ist es unerheblich, ob sich ein Enteignungsbegehren auf privates oder öffentliches Eigentum beziehe und wer Eigentümer sei; massgebend ist einzig die Bestimmung der betreffenden Grundstücke, ihr öffentlicher Zweck (vgl. Sten. Bull. N. 1928 S. 616; HESS, a.a.O. N. 2 zu Art. 7 EntG, S. 21). Selbst wenn man also den Beschwerdeführerinnen darin folgen wollte, dass die Alp Mattmark unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Zwecke der Burgergemeinden diente und daher Verwaltungsvermögen bildete, müsste die Möglichkeit der Enteignung grundsätzlich bejaht werden.
Allerdings ist nach Art. 7 Abs. 2 EntG die Enteignung von Grundstücken, die öffentlichen Zwecken dienen, nur zulässig, falls der Enteigner die Fortbenützung bestehender öffentlicher Einrichtungen sicherstellt, soweit dies durch das öffentliche Interesse gefordert wird. Die Beschwerdeführerinnen räumen nun aber selbst ein, dass das öffentliche Interesse an der Benützung der Alpweiden dem gewichtigeren Interesse am Bau und Betrieb des Kraftwerkes weichen müsse. Indessen machen sie geltend, sie selbst hätten dem Grundstück den neuen öffentlichen Zweck verliehen, der Errichtung des Werkes zu dienen. Dabei scheinen sie zu übersehen, dass die Kraftwerke Mattmark AG als Wasserrechtskonzessionärin diesen Zweck gesetzt hat und ihr dessen Erfüllung obliegt. Die Beschwerdeführerinnen

BGE 104 Ib 337 (348):

können nicht die von der Kraftwerke Mattmark AG verfolgten öffentlichen Interessen als eigene ausgeben und sie der Enteignerin entgegenhalten, so wenig sie das Interesse der Enteignerin am Erwerb der Grundstücke bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung in die Waagschale werfen können (vgl. DUBACH, Die Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach Bundesrecht, ZBl 79/1978 S. 2). - Dass irgendeine andere in Art. 7 Abs. 1 EntG vorbehaltene Gesetzesbestimmung der Enteignung der Alp Mattmark entgegenstünde, machen die Beschwerdeführerinnen zu Recht nicht geltend.
b) (Bestätigung der in BGE 99 Ia 475 ff E. 4 begründeten Rechtsprechung. Der Enteignerin ist demnach das von ihr verlangte Grundeigentum zu übertragen.)