BGE 104 Ib 378
 
59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. November 1978 i.S. Bank Y.
 
Regeste
Spezielle Grundbuchbeschwerde (Art. 103 GBV).
 
Sachverhalt


BGE 104 Ib 378 (378):

Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 21. Mai 1976 vereinbarten X. und die Bank Y., die zugunsten der Bank auf verschiedenen Grundstücken des X. in A. lastende Grundpfandverschreibung auf weitere Grundstücke auszudehnen und von 2,2 auf 2,5 Mio. Franken zu erhöhen. Der Notar wurde ermächtigt und beauftragt, den Vertrag beim Grundbuchamt anzumelden.
Das Grundbuchamt wies die Anmeldung durch Verfügung vom 1. Mai 1978 ab mit der Begründung, im Vertrag vom 21. Mai 1976 sei ein bisher mitverpfändetes Grundstück nicht mehr erwähnt und die Bank Y. habe trotz wiederholter Aufforderung versäumt, der Pfandentlassung zuzustimmen.


BGE 104 Ib 378 (379):

Gegen die Verfügung des Grundbuchamtes erhob die Bank Y. Beschwerde. Die kantonale Beschwerdeinstanz entschied am 31. Mai 1978, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, da der Bank Y. keine Beschwerdebefugnis zukomme.
Hiegegen führt die Bank Y. Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die kantonale Instanz anzuweisen, die Sache materiell zu beurteilen.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt Gutheissung der Beschwerde.
 
Aus den Erwägungen:
1. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Entscheid der letzten kantonalen Instanz, durch den die Anmeldung einer Grundbucheintragung abgewiesen wurde, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (BGE 99 Ib 246 f. E. 1 mit Hinweisen). Zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unter anderem berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a OG). Dies trifft für die Beschwerdeführerin zu, denn sie hatte bei der Vorinstanz verlangt, dass die angemeldete Eintragung vollzogen werde, woran sie als Grundpfandgläubigerin angesichts der Ausdehnung des Pfandrechts auf weitere Grundstücke und der Erhöhung des Pfandbetrages offensichtlich interessiert ist. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach einzutreten.
In einem neueren Entscheid stellte das Bundesgericht indessen fest, es sei unbefriedigend, wenn bei gewissen Streitigkeiten des Bundesverwaltungsrechts ein grösserer Personenkreis zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt sei als zur Beschwerde an die kantonale Behörde und wenn somit je nachdem, wer von

BGE 104 Ib 378 (380):

einer Verfügung betroffen sei, sich ein unterschiedlicher Instanzenzug ergebe. Es hielt deshalb mit Rücksicht auf die Einheit des Prozesses und auf den Rechtsschutz der Betroffenen dafür, die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes, wonach von einem in Art. 103 lit. a OG umschriebenen bundesrechtlichen Begriff der Beschwerdelegitimation auszugehen sei, sei allgemein aufzunehmen. Sehe ein Kanton für eine Streitigkeit des Bundesverwaltungsrechts, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden könne, eine Beschwerdeinstanz vor, dürfe er mithin bezüglich der Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen stellen als sie Art. 103 lit. a OG für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthalte (BGE 103 Ib 147 f. E. 3a mit Hinweis auf BGE 101 V 123 E. 1a und BGE 98 V 54 f. E. 1). Diese Überlegungen gelten hier um so mehr, als das kantonale Beschwerdeverfahren vom Bundesrecht (Art. 956 Abs. 2 ZGB; Art. 103 GBV) geregelt wird.
Die Änderung der bisherigen Rechtsprechung drängt sich aber auch aus andern Gründen auf. Die Beschränkung der Legitimation zur Beschwerde nach Art. 103 GBV auf den Anmeldenden findet nämlich in dem die Grundlage der Grundbuchbeschwerde bildenden Art. 956 ZGB keine Stütze. Sie lässt sich denn auch mit dem Zweck dieser Beschwerde, das materielle Recht zu verwirklichen, nicht vereinbaren (vgl. dazu FRIEDRICH, "Interimstitel" im Hypothekarwesen, in ZBGR 52/1971, S. 13 f.). Zutreffend ist ebenfalls die Bemerkung der Beschwerdeführerin, es sei nicht folgerichtig, die spezielle Grundbuchbeschwerde (Art. 103 GBV) hinsichtlich der Legitimation grundsätzlich anders zu behandeln als die allgemeine Grundbuchbeschwerde (Art. 104 GBV). Offenkundig wird die Unstimmigkeit besonders am Beispiel, dass der Grundstückkäufer zwar befugt ist, mit einer Beschwerde nach Art. 104 GBV der drohenden Übertragung des Kaufobjektes an einen Dritten entgegenzutreten (so BGE 90 I 311 E. 1), dass er sich dagegen bisher mit einer die Anmeldung der Eintragung des Kaufs abweisenden Verfügung des Grundbuchamtes abzufinden hatte.
Das Gesagte berührt die Frage der Befugnis des Verfügenden, über das abgetretene Recht auch nach der Anmeldung beim Grundbuchamt noch zu verfügen. Die Annahme, es stehe dem Verfügenden frei, die Anmeldung wieder zurückzuziehen,

BGE 104 Ib 378 (381):

solange die Grundbucheintragung nicht vollzogen sei (so BGE 87 I 484 f.; 85 I 168 oben; BGE 85 II 571; BGE 83 II 15 E. 3), führt indessen nicht zwangsläufig zum Schluss, der Rechtserwerber könne in einem Fall, da jener sich mit der Abweisung seiner Anmeldung durch das Grundbuchamt abfinde, keine Beschwerdemöglichkeit haben (vgl. HUBER, Anmeldung und Tagebuch im schweizerischen Grundbuchrecht, in ZBGR 59/1978 S. 167), wie aus früheren Urteilen (vgl. BGE 87 I 484 f.; BGE 85 I 168 oben) hervorzugehen scheint. Der Rückzug einer Anmeldung bleibt bei einer vom Rechtserwerber erhobenen Beschwerde durchaus möglich (vgl. BGE 87 I 485). Freilich hat ihn der Verfügende zu erklären, bevor über die Beschwerde rechtskräftig entschieden ist, doch bestand ja im Vollzug des Grundbucheintrages schon bisher eine ähnliche Schranke. Einer Art. 103 lit. a OG entsprechenden Ausdehnung der Legitimation zur Beschwerde nach Art. 103 GBV auf den Begünstigten steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage des Rückzuges einer Anmeldung somit nicht entgegen, so dass hier nicht zu erörtern ist, ob die an ihr geübte Kritik (vgl. FRIEDRICH, a.a.O. S. 9 f.; HUBER, a.a.O. S. 166) begründet sei.