BGE 106 Ib 8
 
2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. März 1980 i.S. Jerie gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Erleichterte Einbürgerung ( Art. 28 BüG).
 
Sachverhalt


BGE 106 Ib 8 (8):

Die Schweizer Bürgerin Beatrix Elisabeth Schneider heiratete am 29. Oktober 1974 den tschechoslowakischen Staatsangehörigen Marek Jerie. Sie erklärte, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Die Ehegatten lebten seit ihrer Heirat bis Ende 1978 nicht zusammen. Der Ehemann wohnte in der Tschechoslowakei, die Ehefrau blieb in Basel. Seit dem 24. November 1978 wohnen sie zusammen in Arlesheim. Am 11. April 1977 wurde in Basel die gemeinsame Tochter Renata Veronika geboren. Am 6. Juli 1978 reichte sie ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung gemäss Art. 28 BüG ein. Sie führte darin aus, sie erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen; insbesondere lebten die Eltern seit mehr als drei Jahren getrennt. Mit Entscheid Vom 4. Dezember 1979 trat das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) auf das Gesuch nicht ein. Das Bundesgericht weist die gegen diesen Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
 
Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. a BüG können unmündige Kinder, deren Mutter bei der Heirat mit einem Ausländer das Schweizerbürgerrecht beibehalten hat, erleichtert eingebürgert werden, wenn sie in der Schweiz wohnen und der Vater gestorben ist oder die Ehe der Eltern ungültig erklärt oder geschieden wurde oder wenn die Ehegatten gerichtlich dauernd getrennt worden sind oder seit drei Jahren getrennt leben. Das EJPD

BGE 106 Ib 8 (9):

führt in seiner Vernehmlassung zu Recht aus, dass im vorliegenden Fall geprüft werden muss, in welchem Zeitpunkt die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sein müssen. In BGE 106 Ib 1 ff erkannte das Bundesgericht, dass es genügt, wenn das Kind im Zeitpunkt der Einreichung des Einbürgerungsgesuches unmündig ist, dass dagegen das Erfordernis des Wohnsitzes in der Schweiz auch noch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheides gegeben sein muss, weil das Wohnsitzerfordernis nach dem Willen des Gesetzgebers einen Hinweis auf die Verbundenheit des Gesuchstellers mit der Schweiz geben soll und diese Verbundenheit auch noch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheides gegeben sein muss.
Das Bundesgericht hatte bisher noch keine Gelegenheit, zur Frage Stellung zu nehmen, in welchem Zeitpunkt die andern alternativen Voraussetzungen des Art. 28 BüG erfüllt sein müssen (Tod des Vaters, Ungültigkeit oder Scheidung der Ehe, dauernde gerichtliche Trennung oder faktisches Getrenntleben während drei Jahren). Sowohl der deutsche als auch der französische Text verwenden bei der Umschreibung der letzten Voraussetzung die Gegenwartsform ("wenn die Ehegatten ... seit drei Jahren getrennt leben", "que les parents sont séparés de fait depuis trois ans", "dopo una separazione di fatto di tre anni"). Bereits aus diesem Umstand ist zu schliessen, dass die letzte Voraussetzung nicht schon erfüllt ist, wenn die Ehegatten drei Jahre getrennt gelebt haben, sondern erst, wenn sie auch noch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheides getrennt leben. Tatsächlich verwendet das Gesetz stets die Vergangenheitsform, wenn der Gesuchsteller eine Voraussetzung lediglich in der Vergangenheit einmal erfüllt haben muss (vgl. Art. 15, 27, 29 BüG).
Die Art. 27 und 28 BüG regeln die Voraussetzungen, unter denen das Kind einer schweizerischen Mutter, welche einen Ausländer geheiratet hat, erleichtert eingebürgert werden kann (vgl. aber auch Art. 5 BüG). Sofem die Eltern verheiratet sind, zusammen leben und der Vater nicht staatenlos ist, kann das Kind erleichtert eingebürgert werden, wenn es mindestens 10 Jahre in der Schweiz gelebt hat (Art. 27 BüG). Art. 28 BüG sieht nur dann eine noch weiter erleichterte Einbürgerung vor, wenn das Kind staatenlos geworden ist oder wenn angenommen werden kann, dass die Bindung des Kindes zum Vater nicht oder nicht mehr besteht. Das ist nach der gesetzlichen

BGE 106 Ib 8 (10):

Vorschrift dann der Fall, wenn die Ehe aufgelöst ist (durch Tod, Ungültigkeit oder Scheidung), oder wenn die Ehegatten dauernd gerichtlich oder während einer bestimmten Frist faktisch getrennt sind. In diesem Fall braucht das Kind nicht 10 Jahre zu warten, sondern kann sofort erleichtert eingebürgert werden, wenn es zur Zeit der Einbürgerung in der Schweiz wohnt. Die unterschiedliche Behandlung zwischen Kindern, die 10 Jahre in der Schweiz wohnen müssen, bevor sie erleichtert eingebürgert werden können und solchen, für die eine solche Frist nicht besteht, erklärt sich aus der Sorge des Gesetzgebers, dem Kinde grundsätzlich nur die Staatsangehörigkeit des Vaters zu geben, um doppelte Bürgerrechte nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Gesetzgeber wollte einem Kind nur dann auch die schweizerische Staatsangehörigkeit der Mutter geben, wenn entweder angenommen werden kann, dass die Beziehung des Kindes zur Schweiz besonders eng ist (Art. 27 BüG) oder aber nachgewiesen ist, dass zumindest keine Beziehung zum Vater und dessen Heimatstaat besteht (Art. 28 Abs. 1 lit. a BüG). Es liefe dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider, wenn das Kind geschiedener, gerichtlich getrennter oder tatsächlich getrennt lebender Eltern, welche nachträglich wieder heiraten oder die Trennung aufheben, nach wie vor unter den zusätzlich erleichterten Voraussetzungen des Art. 28 BüG eingebürgert werden könnte. Die Ansicht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der erleichterten Einbürgerung auch noch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheides erfüllt sein müssen, wird auch in der Lehre vertreten (BURGER, Die erleichterte Einbürgerung, Diss. Bern 1971, S. 76/77).