Urteilskopf
106 Ib 26
6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Januar 1980 i.S. Aktionskomitee N 14 und Mitbeteiligte gegen Kanton Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Projektierung von Nationalstrassen-Anschlüssen.
Legitimation der Grundeigentümer, deren Grundstücke im Perimeter einer nationalstrassenbedingten Landumlegung liegen, zur Anfechtung des Einsprachenentscheides gemäss Art. 28 Abs. 2 NSG (E. 10).
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gerügt werden, es sei zu Unrecht kantonales statt Bundesrecht angewendet worden (E. 11; Bestätigung der Rechtsprechung).
Die Projektierung von Anschlüssen als Bestandteilen der Nationalstrassen ist ausschliesslich gestützt auf das Nationalstrassengesetz vorzunehmen (E. 12). Schwierigkeiten, die bei Anwendung kantonalen Rechtes beim Landerwerbsverfahren entstünden (E. 12d).
Im Dezember 1975 legte der Regierungsrat des Kantons Luzern dem Bundesrat ein abgeändertes generelles Projekt für die Teilstrecke Sedel-Gisikon der Nationalstrasse N 14 zur Genehmigung vor. Die Änderung gegenüber dem ersten Projekt vom Januar 1966 bestand im wesentlichen in einer neuen Linienführung; zudem waren im neuen Projekt bei Sedel und Buchrain zusätzliche Anschlüsse an die N 14 vorgesehen. Der Bundesrat genehmigte am 10. August 1977 das abgeänderte generelle Projekt, hielt jedoch in Ziffer 3 seines Beschlusses folgendes fest:
"Die gegenüber dem genehmigten generellen Projekt vom 4. Januar 1966 neu in die Pläne aufgenommenen Ortsanschlüsse Sedel und Buchrain sind nicht Gegenstand dieser Genehmigung. Es bleibt jedoch dem Kanton Luzern unbenommen, nach kantonalem Recht planerische Massnahmen für einen eventuellen zukünftigen Bau dieser Anschlüsse zu treffen. Für die Ausführung der Anschlüsse und eine eventuelle Kostenbeteiligung des Bundes bleibt ein weiterer Beschluss des Bundesrates vorbehalten."
Das nach der Genehmigung des generellen Projektes erarbeitete Ausführungsprojekt wurde entsprechend den
Art. 26 und 27 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG) im März/April 1978 öffentlich aufgelegt. Gleichzeitig erfolgte eine Planauflage gemäss § 76 des kantonalen Strassengesetzes für ein gegenüber dem ursprünglichen Projekt reduziertes Anschlusswerk in Buchrain, nämlich für einen sog. Halbanschluss mit einer Zu- und einer Wegfahrtspur in bzw. aus Richtung Luzern.
Mit Beschluss vom 14. August 1978 wies der Luzerner Regierungsrat die gegen das Ausführungsprojekt erhobenen Einsprachen grösstenteils ab. Gestützt auf das kantonale Strassengesetz entschied der Regierungsrat am gleichen Tage ebenfalls weitgehend negativ über die Einsprachen, die gegen den Bau des Anschlusses Buchrain eingereicht worden waren (Protokoll Nr. 2004).
Das Aktionskomitee N 14, Buchrain, die Einwohnergemeinde Buchrain und 24 Grundeigentümer haben den
BGE 106 Ib 26 S. 28
Einsprachenentscheid Prot. Nr. 2004 des Luzerner Regierungsrates mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Die Beschwerdeführer rügen im wesentlichen, der Regierungsratsbeschluss sei zu Unrecht gestützt auf kantonales Recht statt in Anwendung von Bundesrecht ergangen; sie stellen den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Halbanschluss Buchrain fallen zu lassen, eventuell sei der Anschluss nach Nationalstrassengesetz zu projektieren und aufzulegen, nachdem ein verkehrstechnisches Gutachten über den in der Gemeinde Buchrain zu erwartenden Verkehr erstellt worden sei. Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid auf.
Aus den Erwägungen:
10. Zur Frage der Legitimation der Beschwerdeführer, den Regierungsratsbeschluss Nr. 2004 anzufechten, mit welchem die gegen den Halbanschluss Buchrain erhobenen Einsprachen beurteilt wurden, enthält die Beschwerde keine besonderen Ausführungen. Es wird einzig auf den Umstand hingewiesen, dass die Beschwerdeführer Eigentümer von in der Nähe der Autobahn liegenden Parzellen seien.
Aus dem angefochtenen Entscheid geht indessen hervor, dass der für den Nationalstrassenbau benötigte Boden auf dem Wege der Landumlegung erworben werden soll und dass auch die Realersatzwünsche der Grundeigentümer, die Land für die Erstellung der nach kantonalem Recht projektierten Anschlüsse abzutreten haben, im Güterzusammenlegungsverfahren berücksichtigt werden sollen; das heisst, dass die für den Bau der Anschlüsse beanspruchten Parzellen faktisch in den Güterzusammenlegungs-Perimeter aufgenommen werden. Wie schon in E. 2 erwähnt, sind die Grundeigentümer, deren Grundstücke im Perimeter eines nationalstrassenbedingten Landumlegungsverfahrens liegen, zur Anfechtung des Einsprachenentscheides legitimiert, wobei unerheblich ist, ob mit der Beschwerde materielle oder Verfahrensfragen aufgeworfen werden (
BGE 97 I 579 E. 1b).
Nun liegt zwar der Perimeterplan nicht bei den Akten und es ist nicht bekannt, ob ein solcher überhaupt schon bestehe. Aus der Landerwerbstabelle und den -plänen geht jedoch hervor, dass verschiedene Grundstücke der Beschwerdeführerin Papierfabrik Perlen AG auf dem Trasse der zukünftigen
BGE 106 Ib 26 S. 29
Nationalstrasse liegen und somit notwendigerweise in das Landumlegungsverfahren einbezogen werden müssen. Ist daher zumindest die Papierfabrik Perlen AG legitimiert, so ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Ob auch die übrigen Beschwerdeführer zur Beschwerde befugt seien, kann offenbleiben, da in der Beschwerdeschrift für alle die gleichen Einwendungen erhoben werden.
11. Die Beschwerdeführer rügen, dass das Ausführungsprojekt für das Anschlusswerk Buchrain nach den Vorschriften des Nationalstrassengesetzes und nicht nach kantonalem Recht hätte aufgelegt werden müssen. Die Anwendung von kantonalem statt von Bundesrecht sei eine Bundesrechtsverletzung. Diese Rüge ist zulässig und kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden (
BGE 96 I 689 f. E. 1a;
BGE 105 Ib 107 E. 1a,
BGE 100 Ib 120, 448 E. 2b).
12. a) Nach
Art. 6 NSG gehören zu den Nationalstrassen neben dem Strassenkörper alle Anlagen, die zur technisch richtigen Ausgestaltung der Strassen erforderlich sind, darunter insbesondere auch die Anschlüsse, d.h. die Bauwerke zur kreuzungsfreien Verbindung wichtiger Strassen mit den Nationalstrassen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 3. Juli 1959, BBl II 1959, S. 110). Art. 3 der Verordnung zum NSG präzisiert, dass "je nach Ausbauform" der Nationalstrassen auch Anschlüsse (lit. c) als deren Bestandteile gelten. Dies trifft jedenfalls für Nationalstrassen erster Klasse, die die höchste Ausbauform aufweisen, aber auch für Nationalstrassen zweiter Klasse zu, da diese gemäss
Art. 3 NSG ebenfalls nur an besonderen Anschlussstellen zugänglich sind.
Die Planung und Projektierung von Anschlüssen als Bestandteile der Nationalstrassen richtet sich nach den Vorschriften des Nationalstrassengesetzes. Die Frage, wo und welche Anschlusswerke vorzusehen seien, ist bereits im Rahmen der generellen Projektierung, die vom Eidgenössischen Amt für Strassen- und Flussbau in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen durchgeführt wird, zu prüfen.
Art. 12 NSG schreibt ausdrücklich vor, dass aus den Plänen des generellen Projektes insbesondere die Linienführung der Strasse, die Anschlussstellen und die Kreuzungsbauwerke ersichtlich sein müssen. Nach Art. 12 der Verordnung zum NSG soll das generelle Projekt womöglich so genau ausgearbeitet
BGE 106 Ib 26 S. 30
und im Bereinigungsverfahren (
Art. 19 NSG) derart festgelegt werden, dass keine wesentlichen Verschiebungen u.a. der Anschlussstellen mehr zu erwarten sind. Können sich die Planungsbehörden des Bundes und der Kantone über ein generelles Projekt oder einzelne Bestandteile nicht einigen, so entscheidet der Bundesrat über die streitigen Fragen (Art. 15 der Verordnung zum NSG). Die generellen Projekte bedürfen schliesslich der Genehmigung des Bundesrates, ohne die die nachfolgende Detailprojektierung nicht an die Hand genommen werden kann (
Art. 20, 21 NSG).
Das Bundesrecht enthält somit eine abschliessende Regelung über die Projektierung von Nationalstrassen-Anschlüssen und lässt für die Anwendung kantonalen Rechtes keinen Raum. Dies steht in Übereinstimmung mit dem in der Verfassung (Art. 36bis BV) vorgezeichneten und vom Bundesgesetzgeber befolgten Grundsatz der Kompetenzaufteilung, dass die Planung bzw. Gesamtprojektierung der Nationalstrassen Sache des Bundes, deren Bau und Unterhalt Sache der Kantone sei (vgl. Sten. Bull. N 1959, S. 665, Voten der Berichterstatter Brawand und Rosset).
b) Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat im angefochtenen Entscheid eingeräumt, dass der umstrittene Halbanschluss Bestandteil der N 14 sei. Das Projekt für ein Anschlusswerk wurde denn auch im Zusammenhang mit der Abänderung des ersten generellen Projektes für die Teilstrecke Sedel-Buchrain der N 14 geschaffen und in dieses aufgenommen. Erst nachdem der Bundesrat den Anschluss Buchrain - aus Gründen, die aus den vorgelegten Akten nicht klar hervorgehen - von der Genehmigung des generellen Projektes ausgenommen hatte, erarbeiteten die kantonalen Behörden gestützt auf das kantonale Recht das Projekt für den fraglichen Halbanschluss. Nach Auffassung des Regierungsrates lässt sich dieses Vorgehen einerseits auf Grund von Ziffer 3 des bundesrätlichen Genehmigungsbeschlusses, andererseits im Hinblick auf Art. 44 NSG rechtfertigen. Ausserdem hält der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung fest, dass die Beschwerdeführer den Genehmigungsentscheid des Bundesrates wegen Bundesrechtsverletzung hätten anfechten müssen. - Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
Das Nationalstrassengesetz enthält keine Bestimmung, die den Bundesrat ermächtigen würde, den Kantonen zu gestatten,
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Projektierungs- und Auflageverfahren für Nationalstrassenteile nach kantonalem Recht durchzuführen. Die Möglichkeit, bei der Projektierung von Nationalstrassen alternativ neben dem Bundesrecht auch kantonale Vorschriften anzuwenden, müsste aber entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein oder könnte allenfalls nur bei Vorliegen einer echten Gesetzeslücke geschaffen werden; beides trifft, wie dargelegt, nicht zu. Ob Ziffer 3 des Bundesratsbeschlusses überhaupt die Bedeutung zukam, die ihr der Luzerner Regierungsrat beigelegt hat, oder ob der Bundesrat den kantonalen Behörden nicht lediglich die vorsorgliche Freihaltung des Strassenraumes durch kantonalrechtliche Vorkehren (vgl.
Art. 14 Abs. 2 NSG) nahelegen wollte, ist übrigens fraglich.
Art. 44 NSG regelt das Verfahren für künftige bauliche Massnahmen und fällt im vorliegenden Fall, wo ein Anschluss gleichzeitig mit dem Bau des Nationalstrassenkörpers erstellt werden soll, nicht in Betracht. Im übrigen gilt diese Bestimmung nur für bauliche Umgestaltungen im Bereiche der Nationalstrassen, während für bauliche Änderungen der Nationalstrassen selbst nach Art. 46 der Verordnung zum NSG sinngemäss die Bestimmungen über die Ausarbeitung und die Genehmigung der generellen Projekte und der Ausführungsprojekte anzuwenden sind.
Auch das Argument, die Beschwerdeführer hätten den Genehmigungsbeschluss des Bundesrates wegen Bundesrechtsverletzung anfechten müssen, ist nicht stichhaltig, da das Nationalstrassengesetz kein Rechtsmittel vorsieht, das gegen ein generelles Projekt bzw. gegen dessen Genehmigung ergriffen werden könnte (
BGE 97 I 578;
BGE 99 Ib 207 f.).
c) Zu Recht weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass den betroffenen Grundeigentümern durch die Unterstellung des Anschlusses Buchrain unter das kantonale Recht das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht entzogen werde. Könnten die Abklärungen, ob ein Bedürfnis für den Bau eines Anschlusses bestehe, die Abwägung der im Spiele stehenden Interessen und die Festsetzung von Art und Lage des Anschlusswerkes tatsächlich nach kantonalem Planungsrecht vorgenommen werden, so wäre ein entsprechender letztinstanzlicher kantonaler Entscheid nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Die Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht, die allein eine in
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rechtlicher Hinsicht uneingeschränkte Überprüfung des Ausführungsprojektes ermöglicht, müsste jedenfalls in bezug auf die genannten Planungsbereiche ausgeschlossen werden.
d) Schliesslich führt der Weg, den der Luzerner Regierungsrat eingeschlagen hat, zu erheblichen Schwierigkeiten beim Landerwerbsverfahren. Der Regierungsrat sieht nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid vor, für den Halbanschluss Buchrain ein Landerwerbsverfahren nach § 77 des kantonalen Strassengesetzes durchzuführen, den Realersatzbegehren jedoch im Rahmen der nationalstrassenbedingten Landumlegung Rechnung zu tragen.
Kann aber das für den Nationalstrassenbau benötigte Land nicht auf gütlichem Wege erworben oder können im Rahmen einer nationalstrassenbedingten Landumlegung nicht alle Ersatzansprüche gedeckt werden, so ist ein bundesrechtliches Enteignungsverfahren durchzuführen (
Art. 30 und 39 NSG, Art. 23 der Verordnung zum NSG). Den Grundeigentümern, die Land für den Anschluss Buchrain als Teil der N 14 abzutreten haben, steht somit im Falle, dass eine Einigung nicht zustande kommt, ein Anspruch darauf zu, dass nicht die kantonale, sondern die eidgenössische Schätzungskommission tätig werde, deren Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden kann (
Art. 77 EntG). Die Grundeigentümer könnten sich demnach wirksam gegen ein Landerwerbsverfahren nach § 77 des kantonalen Strassengesetzes zur Wehr setzen. Andererseits ist aber eine Anrufung der eidgenössischen Schätzungskommission im Anschluss an das gemäss kantonalem Recht durchgeführte Projektierungsverfahren auf Grund von
Art. 39 Abs. 2 NSG ausgeschlossen, da der Präsident der Schätzungskommission das Enteignungsverfahren nur eröffnen kann, wenn er im Besitze der Pläne des nach Behandlung der Einsprachen genehmigten Ausführungsprojektes (
Art. 27 und 28 NSG) ist. Und endlich können die Grundeigentümer auch nicht zur Durchführung einer Landumlegung gezwungen werden, da eine solche jedenfalls im Sinne von
Art. 36 NSG nur in vom Bundesrecht beherrschten Verfahren verfügt werden kann.
13. Eine Heilung des festgestellten Verfahrensmangels ist, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ausgeschlossen. Zwar könnte die Verkürzung der Rechte der Beschwerdeführer durch eine materielle Behandlung ihrer Rügen im
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Verwaltungsgerichtsverfahren behoben werden. Doch würde dies nichts daran ändern, dass für das umstrittene Ausführungsprojekt eine Genehmigung des Bundesrates, die im Rahmen der generellen Projektierung notwendigerweise erteilt werden muss, nicht vorliegt. Das Verfahren zur Erstellung des Halbanschlusses Buchrain kann daher nicht ohne Korrektur des vorausgegangenen Verfahrens rechtmässig weitergeführt werden, weshalb der angefochtene Regierungsratsbeschluss aufzuheben ist.
Unter diesen Umständen hat sich das Bundesgericht mit den materiellen Rügen, die die Beschwerdeführer erhoben haben, nicht mehr zu befassen. Ebensowenig braucht es auf die weiteren in der Beschwerde gestellten Anträge einzutreten. Es ist nicht Sache des Bundesgerichtes, sondern der zur Planung zuständigen kantonalen und Bundesbehörden, darüber zu entscheiden, ob der Halbanschluss Buchrain fallen zu lassen oder ob die Projektierung nach Bundesrecht zu wiederholen sei und welche vorgängigen Abklärungen in diesem Falle getroffen werden müssen.