BGE 107 Ib 395
 
70. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Juni 1981 i.S. Haas gegen Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Sachverhalt


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In der Nacht vom 6. zum 7. Februar 1981 beschädigte Werner

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Haas mit seinem Personenwagen bei der Wegfahrt vom Parkplatz des Gasthofes Kreuz in Kriegstetten/SO ein anderes Fahrzeug. Die Blutprobe, welche ihm am folgenden Morgen um 11 Uhr entnommen wurde, ergab für den Zeitpunkt der Blutentnahme einen Blutalkoholwert von 0,47-0,57 Gewichtspromillen. Aufgrund der Aussage von Haas, er habe inzwischen keinen Alkohol konsumiert, wurde für die Zeit der nächtlichen Heimfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,46%o errechnet.
Mit Verfügung vom 3. April 1981 entzog das Polizeidepartement des Kantons Solothurn Haas den Führerausweis wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand für die Dauer von 15 Monaten. Da ihm der Führerausweis bereits in den Jahren 1955, 1960 und 1977 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand hatte entzogen werden müssen, behielt sich die Entzugsbehörde ausserdem vor, die Dauer zu verlängern oder die Rückgabe des Führerausweises mit Auflagen zu verbinden. Haas wurde im übrigen zum Verkehrsunterricht für rückfällige Alkoholdelinquenten aufgeboten.
Gegen diese Verfügung beschwerte sich Haas beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Am 28. April 1981 beschloss das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, der Beschwerde werde die aufschiebende Wirkung nicht erteilt. Das Gericht erwog im wesentlichen, die Einwände des Beschwerdeführers gegen den Beweis der Angetrunkenheit im Zeitpunkt der Heimfahrt seien vorläufig nicht glaubhaft. Ausserdem habe der vom Polizeidepartement verfügte Führerausweisentzug Sicherheitscharakter, was nicht nur aus der langen Dauer des Entzugs, sondern insbesondere auch aus dem Vorbehalt der Verlängerung der Entzugsdauer hervorgehe.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. Mai 1981 verlangte Werner Haas, die Verfügung des Verwaltungsgerichtes des Kantons Solothurn vom 28. April 1981 sei aufzuheben und seiner bei diesem Gericht hängigen Beschwerde gegen den Entzug des Führerausweises sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, aus folgenden
 
Erwägungen:
1. a) Nach Art. 97 OG beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im

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Sinne von Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 VwVG gelten als Verfügungen "Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen". Dazu zählen auch solche Verfügungen, die sich richtigerweise auf öffentliches Recht des Bundes hätten stützen müssen (BGE 105 Ib 107 E. 1a mit Hinweisen). Selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind auch Zwischenverfügungen im Sinne von Art. 45 VwVG, die einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können, z.B. solche über die aufschiebende Wirkung (Art. 45 Abs. 2 lit. g in Verbindung mit Art. 55 VwVG). Die angefochtene Zwischenverfügung, mit welcher das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn der Beschwerde gegen den Führerausweisentzug vom 3. April 1981 die aufschiebende Wirkung nicht erteilte, ist somit selbständig durch Beschwerde anfechtbar. Sie stützt sich indessen formell nicht auf Bundesrecht, sondern ist in Anwendung kantonalen Verfahrensrechtes ergangen (§ 70 des solothurnischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 15. November 1970). Verfügungen, die sich auf kantonales Recht stützen, unterliegen grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nicht (BGE 102 Ib 225 f/227 E. 3, wo allerdings die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen über die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung zu weitgehend ausgeschlossen wurde). Die angefochtene Zwischenverfügung der letzten kantonalen Instanz (Art. 98 lit. g OG) ist immerhin in einem Verfahren über eine bundesrechtliche Massnahme, d.h. in Zusammenhang mit der Anwendung von Bundesverwaltungsrecht getroffen worden. Ob dieser Zusammenhang für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bereits genügt (vgl. BGE 105 Ia 107), d.h. ob die Zwischenverfügung allein schon deswegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt, weil diese gegen die Endverfügung gegeben ist (vgl. Art. 101 lit. a OG), kann offen bleiben. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist jedenfalls zulässig gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung für eine kantonale Beschwerde, die sich gegen einen Führerausweis-Warnungs-Entzug richtet; denn aus der in Art. 30 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV) gemachten Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Warnungsentzug ergibt sich, dass der kantonalen Beschwerde gegen einen Warnungsentzug in der Regel aufschiebende Wirkung zukommen muss, soll der Sachentscheid nicht in unzulässiger Weise präjudiziert und damit im Ergebnis

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Bundesrecht vereitelt werden (BGE 106 Ib 116, vgl. auch KÖLZ/KOTTUSCH, Bundesrecht und kantonales Verfahrensrecht in ZBl 1978/Bd. 79 S. 448 f). Auf die vorliegende, fristgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 106 OG) kann somit eingetreten werden.
b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer eine Verletzung von Bundesrecht rügen (Art. 104 lit. a OG). Dagegen kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Verletzung kantonalen Rechts nicht geltend gemacht werden. Die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechtes ist somit nur auf eine Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Bundesverfassungsrecht überprüfbar (BGE 103 Ib 314 E. b). Dabei ist praktisch nur zu prüfen, ob im angefochtenen Entscheid der bundesrechtliche Grundsatz über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung gänzlich unbeachtet gelassen oder das kantonale Verfahrensrecht willkürlich ausgelegt bzw. angewendet wurde. In diesem Sinne ist BGE 106 Ib 116 zu präzisieren.
2. a) Art. 30 VZV unterscheidet zwischen sog. Sicherungs- und Warnungsentzügen. Während der Sicherungsentzug unabhängig von einer Verkehrsregelverletzung bei körperlicher, geistiger oder charakterlicher Unfähigkeit eines Fahrzeuglenkers verfügt wird, und damit unmittelbar der Sicherheit im Strassenverkehr dient, knüpft der Warnungsentzug an eine Verkehrsregelverletzung oder an die Verwendung von Motorfahrzeugen zu deliktischen Zwecken an; er ist befristet und soll den Betroffenen ermahnen und zur Besserung anhalten (BGE 104 Ib 47 E. 3 mit Hinweisen). Daraus ergibt sich der Grundsatz, dass Sicherungsentzüge im Interesse der Verkehrssicherheit in der Regel sofort zu vollstrecken sind, während Warnungsentzüge regelmässig erst vollstreckt werden sollen, wenn über den Ausweisentzug definitiv entschieden ist, denn der erzieherische Zweck der Massnahme wird grundsätzlich durch den Aufschub des Vollzugs nicht berührt (BGE 106 Ib 116 f).
b) Nach Art. 33 VZV wird der Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit verfügt; der Warnungsentzug wird dagegen befristet. Die Entzugsbehörde hat im vorliegenden Fall die Dauer der Massnahme auf 15 Monate befristet. Das Rechtsmittel, das der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn eingereicht hat, richtet sich somit gegen einen Warnungsentzug. Daran ändert nichts, dass die Entzugsbehörde in ihrer Verfügung eine Sicherungsmassnahme für den Fall vorbehalten hat, dass weitere Abklärungen die fehlende Eignung des Beschwerdeführers

BGE 107 Ib 395 (399):

zum Führen eines Motorfahrzeuges ergeben sollten. Da die Entzugsbehörde keine Sicherungsmassnahme angeordnet hat, ist anzunehmen, dass für eine fehlende Eignung im gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen.
c) Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn hat für die Frage, ob der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen sei, die Aussichten auf den Verfahrensausgang gewürdigt und ist zum Schluss gekommen, die Beschwerde sei eindeutig aussichtslos. In der eindeutigen Aussichtslosigkeit einer Beschwerde kann aber ohne Verletzung von Bundesrecht ein Umstand gesehen werden, der die Nichterteilung der aufschiebenden Wirkung auch bei einem Warnungsentzug rechtfertigt (vgl. BGE 99 Ib 221 E. 5 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer rügt im übrigen zu Unrecht eine willkürliche Würdigung des Verfahrensausganges durch die Vorinstanz. Solange der Beschwerdeführer keinen Zeugen zu nennen vermag, der seine Behauptung bestätigen könnte, wonach er entgegen früheren Aussagen in der Zeit zwischen Heimfahrt und Blutentnahme eben doch Alkohol konsumiert habe, kann angenommen werden, die Beschwerde sei aussichtslos. Jedenfalls ist diese Annahme nicht willkürlich.