108 Ib 220
Urteilskopf
108 Ib 220
40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Oktober 1982 i.S. Major Walter Böhm und Hauptmann Jacques Brun gegen Direktion der Eidg. Militärverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Verfahrensrechtliche Behandlung von Regressansprüchen des Bundes gegen Angehörige der Armee (Art. 25 der Militärorganisation der Schweizerischen Eidgenossenschaft; Art. 136a Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Verwaltung der Schweizerischen Armee).
Die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung hat Regressansprüche des Bundes gegen Angehörige der Armee aufgrund einer Leistung der Militärversicherung mit Verfügung geltend zu machen.
Am 20. April 1979 führte die Flieger Staffel 10 in einer Kiesgrube bei Brüttisellen/ZH eine Schiessübung mit verschiedenen in- und ausländischen Schusswaffen durch. Gegen Ende dieser Übung behändigte Hauptmann Jacques Brun eine Major Walter Böhm gehörende, in verschlossenem Etui auf einem Tisch liegende,
BGE 108 Ib 220 S. 221
geladene und entsicherte Selbstladepistole "Walther" Modell PP. Als Hauptmann Brun die Waffe aus dem Etui zog, löste sich ein Schuss, der den ca. 10 bis 15 Meter entfernt am Boden sitzenden Leutnant Hans-Peter Ruckli traf und schwer verletzte. Für die Spital- und sonstigen Heilungskosten musste die Schweizerische Eidgenossenschaft bzw. die Militärversicherung Fr. 29'860.55 aufwenden.Mit Regressverfügung vom 10. September 1980 belangte die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung Major Böhm und Hauptmann Brun mit einer Regressforderung von je Fr. 5'000.--. Hiegegen erhoben die Belangten Beschwerde an die Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung, welche jedoch mit Entscheid vom 6. Juli 1981 abgewiesen wurde.
Mit fristgemässer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen Major Walter Böhm und Hauptmann Jacques Brun dem Bundesgericht:
"Der Entscheid der Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung vom 6. Juli 1981 sei aufzuheben.
Der Bund habe, wenn überhaupt, aus Art. 49 des Bundesgesetzes über die Militärversicherung (SR 833, abgekürzt MVG) zu regressieren und sei auf den ordentlichen Klageweg im Zivilverfahren zu verweisen; eventuell: der Regressanspruch des Bundes sei abzulehnen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge."
Die Beschwerdeführer rügen namentlich die Verletzung von Bundesrecht. Auf ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung sowie die Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung beantragen übereinstimmend die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
1. a) Umstritten ist zunächst die Frage, ob die Eidgenössische Militärverwaltung die beiden Beschwerdeführer überhaupt mit einer Regressverfügung belangen durfte. Die Beschwerdeführer sind in erster Linie der Ansicht, zur Beurteilung eines allfälligen Regressanspruches seien die Zivilgerichte zuständig, weil der Regressanspruch "seiner Natur nach privatrechtlich" sei. Aufgrund der Analogie der Materie zum Beamtenrecht wäre ausserdem denkbar, dass die Regressansprüche des Bundes gegen Angehörige der Armee mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht geltend zu machen wären.
BGE 108 Ib 220 S. 222
b) Fraglich ist, auf welche Rechtsnorm der Rückgriff des Bundes abzustützen ist. In BGE 92 II 198 E. 4 hat das Bundesgericht erkannt, dass ein Wehrmann für körperliche Schädigungen, die er Zivilpersonen oder Dienstkameraden in Ausübung dienstlicher Verrichtungen nicht absichtlich oder durch besonders schwerwiegend grobfahrlässiges Verhalten zufügt, weder dem Geschädigten persönlich haftbar ist noch vom Bund oder der Eidgenössischen Militärversicherung auf dem Rückgriffswege verantwortlich gemacht werden kann; der Ausschluss der direkten Belangbarkeit des Wehrmannes durch den Geschädigten ist neuerdings in der Militärorganisation der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. April 1940 in der Fassung gemäss BG vom 5. Oktober 1967 (AS 1968, 73, 80, 164) positivrechtlich in Art. 22 Abs. 3 MO (SR 510.10) vorgesehen. Deshalb kann auch der Rückgriff des Bundes nicht auf das BG über die Militärversicherung vom 20. September 1949 (MVG; SR 833.1) abgestützt werden, obwohl dies im vorliegenden Fall, wo der Rückgriff des Bundes aufgrund einer Leistung der Militärversicherung erfolgt, an sich nahe läge: Die Regelung des Rückgriffes im Militärversicherungsgesetz (Art. 49 MVG) setzt nämlich die direkte Belangbarkeit des Schädigers und damit eine entsprechende Subrogationsmöglichkeit des Bundes als Anwendungskriterium voraus, weshalb die Bestimmung wegen der Neuregelung in Art. 22 Abs. 3 MO heute praktisch nur noch dann angewandt werden kann, wenn eine Zivilperson Schädiger ist.
Unter diesen Umständen fällt einzig noch Art. 25 MO als gesetzliche Grundlage für einen Rückgriff des Bundes in Betracht. Für diesen Fall sieht aber Art. 136a Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Verwaltung der Schweizerischen Armee vom 26. November 1965 (SR 510.301) ausdrücklich die Kompetenz der Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung zum Erlass des erstinstanzlichen Entscheides über die Rückgriffsansprüche des Bundes vor. Die Verfügung der Eidgenössischen Militärverwaltung kann nach Art. 97 in Verbindung mit Art. 98 lit. e OG alsdann letztinstanzlich beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Dadurch wird die verwaltungsrechtliche Klage ausgeschlossen (Art. 117 lit. c OG).
Diese Regelung weicht zwar von den an sich analogen Verhältnissen im Beamtenrecht ab: Nach Art. 10 des BG über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und seiner Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz; VG; SR 170.32) urteilt das Bundesgericht als einzige Instanz im Sinne von Art. 116 ff. OG
BGE 108 Ib 220 S. 223
über Rückgriffsansprüche des Bundes. In Art. 1 Abs. 2 VG werden aber die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstliche Pflichten ausdrücklich von dieser Regelung ausgenommen, was angesichts der dargestellten Regelung in der Militärorganisation und der Verordnung über die Verwaltung der Armee nur konsequent ist. Dass der Gesetzgeber im Bereiche der Armee gegenüber der Regelung im Beamtenrecht eine unterschiedliche Ordnung festlegen wollte, ergibt sich schliesslich auch daraus, dass Art. 28 Abs. 1 MO nur für die Ansprüche gegen den Bund aus Personenschäden das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig erklärt. Ob die gegenüber dem Beamtenrecht unterschiedliche verfahrensrechtliche Behandlung der Rückgriffsansprüche des Bundes gegen Angehörige der Armee zweckmässig ist, vermag das Bundesgericht angesichts der klaren gesetzlichen Regelung nicht zu überprüfen (Art. 114bis Abs. 3 BV).Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Eidgenössische Militärverwaltung die Regressansprüche des Bundes gegen die beiden Wehrmänner zu Recht mit einer Verfügung geltend machte, weshalb letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zur Verfügung steht.
Da die Eingabe alle formellen Anforderungen an eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde erfüllt, ist auf die Sache einzutreten.