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Urteilskopf

108 Ib 261


49. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juli 1982 i.S. Radio 24 Radiowerbung Zürich AG gegen Generaldirektion PTT (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (1) zum Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz (V (1) zum TVG).
Eine Musikleitungskonzession gemäss Art. 26 lit. e der V (1) zum TVG kann verweigert werden, wenn die Musikleitung zu einer festen Einrichtung eines ausländischen UKW-Radiosenders werden sollte, der seinerseits gegen Bestimmungen des Internationalen Fernmeldevertrages und insbesondere des darauf beruhenden Internationalen Radioreglementes verstösst und somit zu einem vermutlich unerlaubten und dem schweizerischen Landesinteresse abträglichen Zweck benützt wird.

Sachverhalt ab Seite 262

BGE 108 Ib 261 S. 262
Die Radio 24 Radiowerbung Zürich AG (nachfolgend Radio 24 AG) betreibt seit November 1979 einen eigenen UKW-Radiosender (Radio 24). Die Sendeantenne befindet sich auf dem Pizzo Groppera im italienischen Valle San Giacomo, sechs Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. Die Sendeanlagen sowie das Programm sind auf die Schweiz ausgerichtet. Im direkten Empfangsbereich von Radio 24 liegt im wesentlichen der Raum Zürich. Die Radio 24 AG unterhält ein Studio in Zürich sowie ein Sendestudio in Cernobbio (Italien).
Am 5. Februar 1981 ersuchte die Radio 24 AG die Kreistelefondirektion Zürich um Überlassung einer Musikleitung von Zürich nach Cernobbio. Die Sektion IV der Rechtsabteilung der Generaldirektion PTT lehnte am 24. Februar 1981 dieses Gesuch ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dem grundsätzlichen Anspruch auf eine Konzession stehe im vorliegenden Falle Art. 16 Abs. 2 der V (1) zum TVG (SR 784.101) entgegen. Danach könne bei allen Konzessionsarten die Konzession verweigert werden, wenn die Vermutung bestehe, die Konzession oder die konzessionspflichtige Anlage werde zu einem unerlaubten, einem gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossenden oder einem wichtigen Interesse des Landes, der PTT-Betriebe, des Radios oder des Fernsehens abträglichen Zweck benützt. Die Radio 24 AG verstosse gegen die Interessen des Radios und letztlich gegen wichtige Interessen des Landes, soweit wenigstens die in Ausarbeitung stehende Gesamtmedienkonzeption irgendwie beeinflusst werde, da ihre Sendungen gezielt zum Empfang in der Schweiz ausgestrahlt würden. Die Sendetätigkeit der Radio 24 AG verstosse zudem sowohl gegen die Kabelrundfunk-Verordnung vom 6. Juli 1977 (KRV; SR 784.401) als auch gegen das Internationale Radioreglement. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies die Generaldirektion PTT (GD PTT) mit Entscheid vom 29. Juli 1981 ab.
Die Radio 24 AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid der GD PTT sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie Anspruch auf die nachgesuchte Musikleitung habe. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

3. Die Vorinstanz lehnte das Gesuch der Beschwerdeführerin einmal deshalb ab, weil der von ihr 6 km südlich der Schweizer
BGE 108 Ib 261 S. 263
Grenze betriebene und auf die Region Zürich ausgerichtete UKW-Sender die KRV umgehe. Insbesondere sei die drahtlose Verbreitung eigener Radioprogramme, die zudem mit Werbung finanziert würden, in der Schweiz nicht zugelassen.
In der Zwischenzeit ist die KRV am 30. Juni 1982 ausser Kraft getreten. Die an ihre Stelle getretene Verordnung über lokale Rundfunk-Versuche (RVO) vom 7. Juni 1982 kennt ein generelles Verbot der radioelektrischen (drahtlosen) Verbreitung eigener lokaler Radio- und Fernsehprogramme nicht mehr und lässt die Finanzierung durch Radiowerbung unter bestimmten Voraussetzungen zu. Somit kann die Begründung der Vorinstanz in dieser Form nicht mehr länger aufrechterhalten werden. Ob allenfalls Radio 24 auf andere Weise die RVO umgehe, kann offengelassen werden. Ebenfalls erübrigt es sich, zur Frage der Verfassungsmässigkeit der Programmkompetenz des Bundes Stellung zu nehmen (vgl. aber Urteil des Bundesgerichts vom 17. Oktober 1980 in ZBl 83/1982 S. 219 ff.), da die Beschwerde aus einem andern Grunde abgewiesen werden muss.

4. Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid zudem auf den Internationalen Fernmeldevertrag vom 25. Oktober 1973 (AS 1976, 992 ff.) und auf das dazugehörende Internationale Radioreglement vom 21. Dezember 1959 (Vollzugsordnungen zum Internationalen Fernmeldevertrag; AS 1980, 900). Gemäss Art. 35 des sowohl von der Schweiz als auch von Italien unterzeichneten Internationalen Fernmeldevertrages sind alle Funkstellen, unabhängig von ihrem Verwendungszweck, so einzurichten und zu betreiben, dass sie bei den übrigen Vertragsunterzeichnern keine schädlichen Störungen bei den Funkdiensten verursachen. Art. 7 Ziff. 423 des Internationalen Radioreglementes lautet:
"Die Leistung der Rundfunksendestellen, die Frequenzen unterhalb 5060 kHz oder oberhalb 41 MHz benutzen, darf (ausser im Frequenzbereich 3900-4000 kHz) grundsätzlich den Wert nicht überschreiten, der zur wirtschaftlichen Wahrnehmung eines nationalen Funkdienstes guter Qualität innerhalb der Grenzen des betreffenden Landes erforderlich ist."
a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Internationale Fernmeldevertrag, auf welchem das Internationale Radioreglement beruhe, sei ein Staatsvertrag, dessen Bestimmungen mit ganz wenigen Ausnahmen keine Bedeutung für die rechtsunterworfenen Bürger hätten, weil sie sich nicht an diese richten würden. Sodann sei das Internationale Radioreglement in der Schweiz,
BGE 108 Ib 261 S. 264
mit Ausnahme von zwei Ziffern, bisher nicht in rechtsgenügender Weise publiziert worden.
aa) Nach Art. 4 lit. e des Bundesgesetzes vom 12. März 1948 über die Rechtskraft der Bereinigten Sammlung (Rechtskraftgesetz; SR 170.513.1) sind Staatsverträge in die Amtliche Sammlung aufzunehmen. In diesem Sinne wurde der Internationale Fernmeldevertrag mit vollem Wortlaut publiziert (AS 1976, 992 ff.). Mit dem Bundesgesetz über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (SR 161.1) wurde Art. 67 Abs. 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) geändert. Demnach sind Staatsverträge im Bundesblatt oder auf andere genügende Weise zu veröffentlichen. In seiner Botschaft zu einem Bundesgesetz über die politischen Rechte führte der Bundesrat aus:
"Es hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr gezeigt, dass die Veröffentlichung umfangreicher Staatsverträge die Sammlung eidgenössischer Gesetze unverhältnismässig stark belastet und unübersichtlich gestaltet. Wir sehen deshalb vor, dass die überwiegend technischen Daten solcher Staatsverträge - mit entsprechendem Vermerk in der AS - ausnahmsweise auch anderweitig veröffentlicht werden" (BBl 1975 I 1359).
In der AS wurde das Internationale Radioreglement nur mit dem Titel publiziert. Es folgte aber der Hinweis, dass es bei der GD PTT, Bibliothek und Dokumentation, eingesehen oder bei der UIT, Union internationale des télécommunications, bezogen werden könne. Offensichtlich handelt es sich beim Internationalen Radioreglement um ein umfangreiches Werk (mehr als 1000 Seiten), das zudem überwiegend technische Daten enthält. Die vorgenommene Publikation unter Angabe der Einsichts- oder Bezugsmöglichkeit war deshalb durchaus sinnvoll und genügte der revidierten Fassung von Art. 67 Abs. 3 GVG. Daran vermag der Einwand der Beschwerdeführerin, da lediglich Ziff. 422 und 725 in der AS publiziert worden seien, dürfe der Bürger sich darauf verlassen, dass andere Ziffern des Radioreglementes, sofern sie sich ebenfalls an das Publikum und nicht nur an wenige Techniker in staatlichen Betrieben richten, ebenfalls in der AS ihrem Wortlaut nach publiziert würden, nichts zu ändern.
bb) Beim Internationalen Fernmeldevertrag, aus dem sich die Verbindlichkeit des Internationalen Radioreglementes ableitet, handelt es sich um einen von der Bundesversammlung genehmigten Staatsvertrag, welcher mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden für die Vertragsstaaten völkerrechtlich verbindlich wurde. Er erlangt zusammen mit der völkerrechtlichen auch landesrechtliche
BGE 108 Ib 261 S. 265
Wirkung, sofern er entsprechende Rechtsregeln zugunsten oder zulasten der Bürger aufstellt. Eine solche Bedeutung kommt einer staatsvertraglichen Bestimmung dann zu, wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden (BGE 106 Ib 187).
Die hier in Frage stehende Ziff. 423 des Internationalen Radioreglementes ist nun durchaus geeignet, um in einem konkreten Fall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Mittels dieser Bestimmung kann einem Inhaber einer Konzession zur Verbreitung von Radio- oder Fernsehsendungen die Leistung seiner Rundfunksendestelle beschränkt werden.
cc) Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, es sei zu berücksichtigen, dass das Internationale Radioreglement auch in Italien bislang nicht veröffentlicht worden sei und demzufolge auch dort für die Rechtsunterworfenen keine Rechtswirkungen erzeuge.
Dies ist im vorliegenden Fall indes ohne Belang. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine in der Schweiz domizilierte Aktiengesellschaft, die hier um eine Musikleitung nachsucht. Für die Prüfung des Konzessionsgesuches ist einzig schweizerisches Recht massgebend. Dazu gehören aber auch die von der Schweiz ratifizierten Staatsverträge wie der Internationale Fernmeldevertrag und das darauf beruhende Radioreglement. Die Vorinstanz durfte somit zu Recht der Beschwerdeführerin eine Verletzung des Internationalen Radioreglementes entgegenhalten und die nachgesuchte Konzession verweigern. Dies gilt um so mehr, als der Internationale Fernmeldevertrag für Italien als Staat verbindlich ist, was die Beschwerdeführerin nicht bestreitet. Ob das Internationale Radioreglement auch in Italien für die Beschwerdeführerin Wirkungen zu entfalten vermag, müssen die zuständigen Instanzen in Italien, allenfalls das nach Art. 50 Abs. 2 des Internationalen Fernmeldevertrages anzurufende Schiedsgericht entscheiden.
b) In materieller Hinsicht vertritt die Beschwerdeführerin die Rechtsauffassung, aus der Entstehungsgeschichte des Internationalen Radioreglementes ergebe sich, dass Ziff. 423 nur für staatliche Sender gelte, die im Interesse der gegenseitigen Nichteinmischung keine gegen Nachbarländer gerichteten Grenzsender einrichten sollten.
Die Beschwerdeführerin legt diese Entstehungsgeschichte indes nicht näher dar. Auch aus dem Internationalen Fernmeldevertrag kann nichts derartiges entnommen werden. Art. 44 Abs. 2
BGE 108 Ib 261 S. 266
verpflichtet die Mitglieder, dafür zu sorgen, dass die von ihnen zum Errichten und Betreiben von Fernmeldeanlagen ermächtigten Betriebsunternehmen, die Funkstellen betreiben, welche schädliche Störungen bei den Funkdiensten anderer Länder verursachen können, die Bestimmungen des Internationalen Fernmeldevertrages und der Vollzugsordnungen beachten. Zu den Betriebsunternehmen gehören ohne Zweifel auch die privaten Unternehmen wie die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin legt nicht weiter dar und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb Radio 24 nicht gegen Ziff. 423 des Internationalen Radioreglementes verstösst, obwohl Radio 24 offensichtlich auf eine Leistung über die Landesgrenze von Italien hinaus eingestellt ist.
c) Die Vorinstanz hat gestützt auf Art. 16 Abs. 2 der V (1) zum TVG entschieden, wonach die Konzession verweigert werden kann, wenn die Vermutung besteht, die Konzession oder die darunter fallende Anlage werde u.a. zu einem unerlaubten oder einem Zweck benützt, der wichtigen Interessen des Landes, der PTT-Betriebe, des Radios oder des Fernsehens abträglich ist.
Man darf von einem "vermutlich unerlaubten Zweck" sprechen, solange die italienische Rechtspflege nicht endgültig über die (Un)rechtmässigkeit von Radio 24 entschieden hat, der Betrieb nur aufgrund einer vorsorglichen Verfügung weitergeht und internationale Verträge diesem Betrieb mit grosser Wahrscheinlichkeit im Wege stehen. Es ist aber auch nicht daran zu zweifeln, dass der Betrieb von Radio 24 schweizerischen Landesinteressen abträglich ist. Er berührt die schweizerische "Landeshoheit". Der grenznahe ausländische Standort des ausschliesslich für schweizerische Empfänger bestimmten Senders kann nicht anders verstanden werden als ein Unterlaufen der schweizerischen Radiohoheit und als Umgehung des schweizerischen Radiorechts. Es kann offen bleiben, ob diese Argumentation sich halten liesse, wenn die italienischen Behörden entgegen aller Wahrscheinlichkeit einmal die Rechtmässigkeit von Radio 24 bejahen sollten. Solange die Frage in Italien in der Schwebe ist, berufen sich die PTT-Betriebe zu Recht auf die einschlägigen internationalen Vereinbarungen.
Diese Vereinbarungen werden hier nicht direkt angewendet, sondern nur herangezogen, um die vermutliche Widerrechtlichkeit und die Beeinträchtigung schweizerischer Interessen im Sinne von Art. 16 Abs. 2 der V (1) zum TVG darzutun. Dazu wären diese
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Vereinbarungen auch tauglich, wenn sie nicht "self-executing" und nicht ausreichend veröffentlicht worden wären.
Die Vorinstanz hat somit zu Recht das Gesuch der Beschwerdeführerin um Überlassung einer Musikleitung von Zürich nach Cernobbio nach Art. 16 Abs. 2 der V (1) zum TVG abgelehnt, da diese Musikleitung zu einer festen Einrichtung des von der Beschwerdeführerin betriebenen Radiosenders werden sollte, der seinerseits zu einem vermutlich unerlaubten und den schweizerischen Landesinteressen abträglichen Zweck benützt wird.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3 4

Referenzen

BGE: 106 IB 187

Artikel: Art. 67 Abs. 3 GVG