a) Für den Fall der Übertragung einer Strafverfolgung an das Ausland bestimmt Art. 89 Abs. 3 IRSG, der ausländische Staat,
BGE 112 Ib 339 (340):
an den der Verfolgte zuvor wegen anderer Taten ausgeliefert worden sei, brauche die Auslieferungsbedingungen nach Art. 38 IRSG nicht zu beachten, soweit er dem Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung entspreche. Von diesen Bedingungen fällt hier vor allem Art. 38 Abs. 1 lit. a IRSG in Betracht, der die Verfolgung des Ausgelieferten wegen einer vor der Auslieferung begangenen Handlung nicht zulässt, soweit für diese Handlung die Auslieferung nicht bewilligt worden ist. In der Botschaft des Bundesrates zum IRSG wird zu Art. 89 Abs. 3 ausgeführt, der zur Beachtung der Spezialität verpflichtete ersuchende Staat sei "insoweit von dieser Beschränkung in der Ausübung seiner Strafgewalt entbunden, als dies durch die Übertragung der Strafverfolgung an ihn erforderlich ist" (BBl 1976 II S. 469). Diese Lösung dürfte wohl auf dem Gedanken beruhen, dass die Schweiz nicht einen Spezialitätsvorbehalt anbringen könne in Fällen, in denen sie selbst die Initiative zur Abtretung eines Strafverfahrens an einen ausländischen Staat ergreift, also dann, wenn diese Form der Rechtshilfe im weiteren Sinne auch oder sogar vorwiegend im schweizerischen Interesse liegt. Der Wegfall des Spezialitätsgebotes bedeutet aber nicht, dass auch eine Verfolgung des Betroffenen oder Dritter wegen Fiskaldelikten und ähnlicher Tatbestände zulässig sei. Dass die Schweiz wegen Straftaten dieser Art - abgesehen vom Sonderfall des Abgabebetruges - keinerlei Rechtshilfe leistet, wird im ersten Teil des IRSG ("Allgemeine Bestimmungen") unter der Abschnittsüberschrift "Ausschluss von Ersuchen" gesagt. Der diesen generellen Ausschluss der Rechtshilfe umschreibende erste Satz von Art. 3 Abs. 3 IRSG bezieht sich somit auf das ganze Gesetz; nur die im zweiten Satz dieses Absatzes erwähnte Ausnahme hinsichtlich des Abgabebetruges gilt nur für den dritten Teil des Gesetzes, d.h. für die Rechtshilfe im engeren Sinne, während eine Auslieferung auch bei diesem Tatbestand nicht zulässig ist. Der Ausschluss jeder Rechtshilfe in Fiskalsachen muss somit zu den grundlegenden Bestimmungen des IRSG gerechnet werden. Dass dem so ist, folgt auch aus der parlamentarischen Beratung über die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 99 des Europarates, das in gewissem Umfange Rechtshilfe auch in Fiskalsachen zulässt. Die Genehmigung dieses Teiles des Zusatzprotokolls wurde sowohl vom Nationalrat als auch vom Ständerat entgegen den Anträgen des Bundesrates abgelehnt (Amtl.Bull. NR 1984 I S. 591 ff.; SR 1985 S. 500 ff.; vgl. auch das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtes vom 27. November 1985 i.S. Firma I.). Es muss
BGE 112 Ib 339 (341):
somit sowohl nach der Gesetzessystematik wie auch nach der Bedeutung, welche die schweizerische gesetzgebende Behörde noch in neuester Zeit dem Ausschluss der Rechtshilfe in Fiskalsachen beigemessen hat, davon ausgegangen werden, die in Art. 89 Abs. 3 IRSG vorgesehene Befreiung des die Strafverfolgung übernehmenden Staates vom Vorbehalt der Spezialität umfasse nicht auch gleichzeitig eine Befreiung von dem für das ganze schweizerische Rechtshilferecht geltenden Ausschluss der Zulässigkeit der Rechtshilfe in Fiskal- und den in Art. 3 Abs. 3 IRSG aufgezählten verwandten Strafsachen.