Urteilskopf
113 Ib 371
59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. November 1987 i.S. C. gegen Einwohnergemeinde Vitznau, Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche und Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Art. 34 Abs. 3 RPG,
Art. 97 ff. OG; Anfechtung von Zonenplänen.
Zulässiges Rechtsmittel: Es ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen, durch die Schaffung einer Zone für ein konkretes Projekt im Nutzungsplan werde das Ausnahmebewilligungsverfahren nach Art. 24 RPG umgangen (E. 1b und 5).
Mit Entscheid vom 27. Oktober 1986 beschloss die Stimmbürgerschaft von Vitznau eine Teilrevision des Zonenplanes und des Bau- und Zonenreglementes mit dem Zweck, eine Kur- und Sportzone einzuführen. Damit sollen die raumplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anlage eines Bootshafens im sogenannten Bereich H dieser Zone und für den Fortbestand der bestehenden Hotels und Kurbetriebe geschaffen werden. Das Gebiet des Bereichs H lag bisher ausserhalb der Bauzone. Der massgebende, neue Art. 22bis "Kur- und Sportzone" lautet:
"1.-4. ...
5. In dem im Zonenplan bezeichneten Bereich H sind nur Bauten und Anlagen
für einen Hafen sowie deren Ver- und Entsorgungseinrichtungen zulässig."
Gegen diesen Gemeindebeschluss reichte C. beim Regierungsrat des Kantons Luzern erfolglos eine Beschwerde ein. Die dagegen von C. erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat. Die gleichzeitig eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies es ab.
Aus den Erwägungen:
1. b) Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, der Regierungsrat habe durch die Genehmigung der Zone H Art. 15, 16, 17 und 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) verletzt, weil damit das Ausnahmebewilligungsverfahren umgangen werde. Diese Rüge bringt er einerseits mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 UebBest. BV vor, andererseits mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Missachtung von Art. 15, 16, 17 und 24 RPG.
Gemäss
Art. 97 Abs. 1 OG beurteilt das Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG, die von einer der in
Art. 98 OG aufgeführten Vorinstanzen ausgehen und die unter keine der Ausnahmebestimmungen der
Art. 99bis 102 OG fallen. Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, welche sich auf öffentliches
BGE 113 Ib 371 S. 373
Recht des Bundes stützen (
Art. 5 Abs. 1 VwVG) oder hätten stützen sollen (
BGE 112 Ib 237 E. 2a mit Hinweisen). Die Bestimmungen des Organisationsgesetzes gelten grundsätzlich auch auf dem Gebiete der Raumplanung.
Art. 34 RPG ergänzt sie und schafft in Teilbereichen Sonderrecht (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 1 ff. zu Art. 34, insbes. N. 2 S. 358). So bestimmt
Art. 34 Abs. 1 RPG, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht sei zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG. Damit sollen einzig alle Zweifel über die Voraussetzung des "öffentlichen Rechts des Bundes" beiseite geschoben werden (EJPD/BRP, a.a.O., N. 6 zu Art. 34 S. 360). Die übrigen Voraussetzungen von
Art. 5 VwVG und von
Art. 97 ff. OG müssen hingegen auch im Sachbereich von
Art. 24 RPG erfüllt sein, damit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist (EJPD/BRP, a.a.O., N. 3 ff. zu Art. 34 S. 358 ff.).
Nach
Art. 99 lit. c OG sind Verfügungen über Pläne nur mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, wenn es sich um Entscheide über Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen handelt, was hier nicht zutrifft (vgl.
BGE 99 Ib 205 E. 1). Jedoch legt im vorliegenden Fall der genehmigte Nutzungsplan mit der Festsetzung einer Hafenzone im Bereich H den projektierten Bootshafen weitgehend fest und nimmt insofern den Baubewilligungsentscheid vorweg. Der Beschwerdeführer macht geltend, dadurch werde
Art. 24 RPG umgangen, weil für ein einzelnes Projekt keine Zone festzulegen sei, sondern eine Bewilligung nach
Art. 24 RPG erteilt werden müsse. Diese Rüge ist im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu prüfen (
BGE 111 Ib 33 /34 E. 1 mit Hinweisen). Andere raumplanungsrechtliche, nicht unmittelbar mit der Umgehung des Ausnahmebewilligungsverfahrens zusammenhängende Rügen, gehören hingegen ins staatsrechtliche Beschwerdeverfahren (
BGE 106 Ia 330 f. E. 1).
5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 15, 16, 17 und 24 RPG. Er legt jedoch nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern
Art. 15 und 16 RPG verletzt sein sollen, so dass von vornherein darauf nicht einzugehen ist. Eine Verletzung von
Art. 17 und 24 RPG sieht der Beschwerdeführer darin, dass nach
Art. 17 RPG Seen und ihre Ufer richtigerweise in Schutzzonen einzuordnen seien und demnach ein konkretes Hafenprojekt in einer solchen Zone einer Ausnahmebewilligung bedürfe. Durch die Schaffung der Hafenzone, in welcher das Hafenprojekt zonenkonform
BGE 113 Ib 371 S. 374
sei, werde das Ausnahmebewilligungsverfahren nach
Art. 24 RPG zu Unrecht umgangen.
Gemäss
Art. 22quater Abs. 1 BV haben die Kantone einer der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes dienende Raumplanung zu schaffen.
Art. 2 RPG regelt diese verfassungsrechtliche Planungspflicht auf Gesetzesstufe. Die Planung hat nach dem Bundesgesetz über die Raumplanung in verschiedenen Etappen zu erfolgen: Richtplanung, Nutzungsplanung und Baubewilligungsverfahren. Der Nutzungsplan hat die Nutzungsordnung zu schaffen (
Art. 14 RPG) und diese sowie die Richtplaninhalte für die Privaten verbindlich festzulegen. Das Baubewilligungsverfahren dient dagegen der Abklärung, ob Bauten und Anlagen der im Nutzungsplan ausgedrückten räumlichen Ordnungsvorstellungen entsprechen. Es bezweckt einzelfallweise Planverwirklichung, soll aber nicht selbständige Planungsentscheide hervorbringen. Das Baubewilligungsverfahren verfügt weder über das sachlich nötige Instrumentarium, noch ist der damit verbundene Rechtsschutz nach rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten geeignet, um den Nutzungsplan im Ergebnis zu ergänzen oder zu ändern. Ausnahmebewilligungen haben sich in den planerischen Stufenbau einzufügen. Auch wenn ihr Entscheidungsbereich weiter reicht, als derjenige der Baubewilligung, weil sie sich eben auf keinen positiven Massstab eines Nutzungsplanes abstützen können, dürfen sie nicht für Bauten und Anlagen erteilt werden, die ihrer Natur nach sachgerecht nur in einem Planungsverfahren erfasst werden können. Eine andere Frage ist, ob Bauvorhaben über
Art. 24 RPG zu verwirklichen sind, solange noch kein dem Raumplanungsgesetz entsprechender Nutzungsplan besteht (
BGE 111 Ib 86 E. 2).
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 18. Dezember 1985 i.S. C. zwar im Sinne eines Hinweises angedeutet, dass entgegen der Meinung des Bundesamtes für Raumplanung der Bootshafen nicht nur im Rahmen einer Nutzungsplanung behandelt und bewilligt werden könne. In der Tatsache, dass sich nun die kommunalen und kantonalen Behörden für die Nutzungsplanrevision und nicht für das Ausnahmebewilligungsverfahren entschieden haben, kann jedoch keineswegs eine Umgehung des Ausnahmebewilligungsverfahrens gesehen werden. Im Gegenteil ist es begrüssenswert, eine Anlage von diesem Ausmass und mit solchen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung im Planungsverfahren zu beurteilen. Unbegründet ist auch der Einwand, auf dem Weg über den
BGE 113 Ib 371 S. 375
Nutzungsplan werde eine umfassende Interessenabwägung, wie sie die Ausnahmebewilligung einschliesse (
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG), verhindert. Eine solche umfassende Beurteilung liegt gerade im Wesen des planerischen Verfahrens (
Art. 1, 3 RPG). Durch die vom Regierungsrat genehmigte Hafenzone wurden somit
Art. 24 RPG i.V. mit
Art. 17 RPG nicht verletzt.