Die Handlungen, derentwegen der Beschwerdeführer vom Schöffengericht Hildesheim verurteilt wurde (fortgesetzter Betrug), sind auch nach schweizerischem Recht mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mehr als einem Jahr bedroht (Art. 148 Abs. 1 StGB), und das Mass der vom deutschen Gericht ausgesprochenen Strafe übersteigt das in Art. 2 Ziff. 1 EAÜ festgelegte Minimum. Die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen der Auslieferung sind somit erfüllt. Indessen trifft es zu, dass nach den Akten zur Zeit noch kein Entscheid vorliegt, wonach die Aussetzung auf Bewährung betreffend die vom Schöffengericht Hildesheim am 31. Mai 1985 gegen den Beschwerdeführer ausgefällte Strafe widerrufen worden ist. Das Urteil des Schöffengerichtes stellt daher im gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein "vollstreckbares verurteilendes Erkenntnis" im Sinne von Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ dar. Bei dieser Situation kann die Auslieferung zur Vollstreckung der Reststrafe aus dem erwähnten Urteil nicht unbedingt bewilligt werden, sondern nur unter der Suspensivbedingung des Widerrufs des vom Schöffengericht Hildesheim zur Bewährung ausgesetzten Strafvollzuges. Dagegen ist es aufgrund von Art. 1 in Verbindung mit Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ zulässig, die Auslieferung unbedingt zu bewilligen mit Bezug auf die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers zur Vollstreckung des Haftbefehls des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 5. September 1986. Dieser Haftbefehl dient der Sicherung der Vollstreckung der Strafe im Hinblick auf einen allfälligen Widerruf des vom Schöffengericht Hildesheim bedingt aufgeschobenen Strafvollzuges. In Art. 12 Ziff. 2 lit. a EAÜ wird als formelles Erfordernis der Auslieferung die Vorlage eines "Haftbefehls oder jeder anderen, nach den Formvorschriften des ersuchenden Staates ausgestellten Urkunde mit gleicher Rechtswirkung" genannt. Aus dieser allgemeinen Formulierung kann geschlossen werden, dass nicht nur ein Haftbefehl zwecks Sicherung der Strafverfolgung Grundlage der Auslieferung bilden kann, sondern auch ein Haftbefehl, der zur Sicherung der Strafvollstreckung im Hinblick auf den allfälligen Widerruf des im ausländischen Urteil zur Bewährung ausgesetzten Vollzugs der Strafe erlassen worden ist. Es bestehen entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht keine Gründe für die Annahme, dass
BGE 115 Ib 378 (382):
das Verfahren in der BRD betreffend Widerruf des bedingten Strafvollzuges "andere schwere Mängel" im Sinne von Art. 2 lit. d IRSG aufweise. Ebenfalls unzutreffend ist die Behauptung, die BRD ziehe eine Begnadigung des Beschwerdeführers in Erwägung, so dass ein Rechtsschutzinteresse an der Auslieferung fehle. Wie sich aus dem an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 13. März 1989 ergibt, hat das Amtsgericht Peine mit Beschluss vom 9. Januar 1989 den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens 12 Js 20779/83, welches mit dem hier in Frage stehenden Urteil des Schöffengerichtes Hildesheim vom 31. Mai 1985 abgeschlossen worden war, als unzulässig verworfen. Die Staatsanwaltschaft führt in diesem Schreiben aus, sie habe die von B. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Peine erhobene Beschwerde vom 3. März 1989 dem Landgericht Hildesheim zum Entscheid vorgelegt. Wenn im Beschwerdeverfahren der Wiederaufnahmeantrag ebenfalls erfolglos bleiben sollte, würde im Rahmen eines Gnadenverfahrens geprüft, ob dem Beschwerdeführer die Strafe aus dem Verfahren 12 Js 20779/83 erlassen werden könne. Aus dieser Mitteilung kann klarerweise nicht geschlossen werden, die BRD ziehe eine Begnadigung des Beschwerdeführers in Erwägung, weshalb kein Rechtsschutzinteresse an der Auslieferung bestehe. Vielmehr geht aus dem erwähnten Schreiben der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 13. März 1989 deutlich hervor, dass ein solches Interesse nach wie vor gegeben ist, hält doch die Staatsanwaltschaft in dem Brief ausdrücklich fest, sie habe auf die gegen die Auslieferung erhobenen Eingaben des Beschwerdeführers hin "die Sach- und Rechtslage erneut überprüft, jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, den hiesigen Auslieferungsantrag zurückzunehmen".